Zoom auf das Schwarze Loch

Staubfontäne aus dem Zentralbereich der aktiven Galaxie NGC 3783

20. Juni 2013

Mit bislang unerreichter Detailschärfe haben Astronomen die Umgebung eines supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum einer aktiven Galaxie untersucht. Dabei machten sie einen unerwarteten Fund: Staub schießt senkrecht zu einer inneren ringförmigen Staubscheibe ins All hinaus. Angetrieben wird er vermutlich von der intensiven Strahlung, die aus der heißen Umgebung des Schwarzen Lochs kommt. Maßgeblich an der Studie beteiligt sind Forscher der Max-Planck-Institute für Radioastronomie in Bonn und für extraterrestrische Physik in Garching.   

Im Zentrum der 130 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie mit der Bezeichnung NGC 3783 sitzt ein Schwarzes Loch, das acht bis zehn Millionen mal so viel Masse enthält wie die Sonne. Das Schwarze Loch ist umgeben von einer heißen Scheibe aus Gas, in der die Teilchen mit hoher Geschwindigkeit kreisen. Vom inneren Rand der Scheibe fällt das Gas in das Schwarze Loch hinein. Dabei erhitzt sich die Scheibe und strahlt sehr hell. Diese heiße, leuchtende Gasscheibe ist von einem reifenförmigen Torus aus Gas und Staub umgeben. Er bildet ein Reservoir an Material, aus dem stetig Material in die Scheibe nachgeliefert wird. Gleichzeitig heizt die Strahlung der Gasscheibe den Staub im Torus auf. Diese Wärmeenergie sendet der Staub als Infrarotstrahlung wieder aus.

Das Bild von der zentralen Maschine einer aktiven Galaxie hat sich über Jahrzehnte hinweg entwickelt. Das Problem dabei ist, dass Scheibe und Staubtorus selbst in den größten Teleskopen nur als unaufgelöste Punktquellen erscheinen. Ausschließlich mit Interferometrie ist es möglich, diese Strukturen im Detail zu erforschen. Hierbei beobachtet man den Himmelskörper mit zwei oder mehreren Teleskopen gleichzeitig und führt die Lichtwege mit höchster Präzision in einem Messgerät zusammen. „Im mittleren Infrarot bietet das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile weltweit die einzige Möglichkeit hierfür“, schwärmt Makoto Kishimoto vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Es besteht aus vier Teleskopen, deren Hauptspiegel jeweils 8,2 Meter Durchmesser besitzen.

Aus zwei Teleskopen wird ein Riesenteleskop mit einem 130-Meter-Spiegel

Die aktive Galaxie NGC 3783 steht seit 2005 auf dem Beobachtungsprogramm der Bonner Astronomen. Initiatoren dieses Langzeitprojekts waren der damals ebenfalls am Bonner Max-Planck-Institut arbeitende Erstautor der neuen Studie, Sebastian Hönig, sowie Gerd Weigelt vom Bonner Max-Planck-Institut. Weigelts Team hat die innerste Staubregion dieser aktiven Galaxie im letzten Jahr erstmalig bei kürzeren Infrarotwellenlängen räumlich auflösen können. Sebastian Hönig, der zur Zeit  an der University of California Santa Barbara in den USA und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel forscht, sagt: „Es handelt sich bei unseren Messungen um den größten Satz infraroter Interferometriedaten für eine aktive Galaxie, der bislang veröffentlicht wurde. Das liegt daran, dass wir Datensätze kombinieren konnten, die wir sowohl im nahen als auch im mittleren Infrarot aufgenommen haben.”

Bei den zahlreichen Beobachtungen schalteten die Astronomen jeweils zwei der vier Acht-Meter-Teleskope in allen möglichen Kombinationen zusammen, wobei der gegenseitige Teleskopabstand zwischen 37 und 130 Metern variierte. „Dadurch erzielten wir eine  Auflösung, die einem riesigen Einzelteleskop mit einem Durchmesser bis zu 130 Metern entspricht“, erklärt Weigelt. Die Astronomen beobachteten die Umgebung des Schwarzen Lochs also gewissermaßen mit einem Zoom-Objektiv. Und das mit überraschendem Ergebnis.

Zusätzlich zu der schon länger bekannten Nahinfrarotstrahlung des bis zu 1000 Kelvin (730 Grad Celsius) heißen Staubes in dem Torus tauchte ober- und unterhalb davon kühlerer Staub mit einer Temperatur um 300 Kelvin, also Raumtemperatur, auf. Die gefundenen Staubströme dehnen sich senkrecht zu diesem heißen Staubtorus in polarer Richtung aus. „Wir hatten schon bei zwei oder drei anderen aktiven Galaxien Anzeichen für solche Staubströme gefunden“, sagt Kishimoto, „aber wir waren überrascht, dass er bei NGC 3783 so dicht ist.“ Abhängig von der Wellenlänge stammen 60 bis 90 Prozent der Strahlung im mittleren Infrarot aus den beiden Staubsäulen und nicht, wie bislang angenommen, aus dem Torus. Das wirft Fragen auf, zum Beispiel über die Entstehung der polaren Staubströme.

Die zentrale Gasscheibe heizt den Innenrand des Staubtorus auf

Hönig, Kishimoto und Weigelt haben zusammen mit einem Kollegen der University of California Santa Barbara ein Modell entwickelt, das dieses Phänomen erklären könnte. Aufgeheizt von der zentralen Gasscheibe bläht sich der Innenrand des Staubtorus, der sich daran anschließt, auf. Dann werden die feinsten Staubpartikel von der Strahlung beschleunigt und schießen senkrecht zur Scheibe ins All. „Mit den bisherigen Beobachtungen können wir diesen Staub bis in etwa zehn Lichtjahren Entfernung vom Schwarzen Loch nachweisen, doch ist es möglich, dass er noch weiter ausgedehnt ist“, sagt Kishimoto.     

Viele Fragen sind aber noch offen. So ist unklar, ob die beiden polaren Staubkegel innen hohl oder gefüllt sind. Da sich dies im Moment nicht feststellen lässt, ist auch unklar, wie viel Materie in polarer Richtung abströmt.

Grundsätzlich werden enorme Energiemengen aus dem Zentralbereich einer aktiven Galaxie über das gesamte elektromagnetische Spektrum hinweg freigesetzt. Sie haben definitiv einen Einfluss auf die Entwicklung dieser Sternsysteme. Auf welche Weise dies geschieht, ist ein Schwerpunkt heutiger kosmologischer Forschung. Deswegen werden die Astronomen NGC 3783 auch zukünftig im Auge behalten. Hierfür wird ihnen in ein paar Jahren am VLT ein weiteres Instrument mit dem Namen MATISSE zur Verfügung stehen. Damit wird es möglich, alle vier VLT-Teleskope auf einmal zusammenzuschließen und gleichzeitig im nahen und mittleren Infrarot zu beobachten. „Das wird uns noch viel detailliertere Daten liefern”, sagt Weigelt, der Leiter der Bonner MATISSE-Beteiligung.

TB/PH

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