Quantengas im Laserkäfig

Den Körberpreis für die Europäische Wissenschaft 2013 erhält Immanuel Bloch

13. Juni 2013

Der deutsche Physiker wird für seine wegweisenden Arbeiten auf dem Gebiet der Quantensimulation mit ultrakalten Atomen ausgezeichnet. Bloch erzeugt in seinen Experimenten einen mikroskopischen "Lichtkristall" aus Laserstrahlen, in dessen "optischen Käfigen" ultrakalte Atome eingefangen werden. Dieser Quantensimulator dient als Modell für die Untersuchung grundlegender quantenmechanischer Prozesse in Materialien wie Metallen.

Der mit 750.000 Euro dotierte Körber-Preis 2013 geht an Immanuel Bloch. Der deutsche Physiker erhält die Auszeichnung für seine Arbeiten, die ein neues Forschungsgebiet an der Schnittstelle von Quantenoptik, Quanteninformationsverarbeitung und Festkörperphysik eröffnet haben. Der Körber-Preis ehrt Wissenschaftler mit besonders innovativen Forschungsvorhaben.

Nach Physikstudium in Bonn und einem Forschungsaufenthalt an der Stanford-Universität promovierte Immanuel Bloch beim späteren Physik-Nobelpreisträger Theodor Hänsch an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität. Seit 2008 ist er wissenschaftlicher Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und seit 2009 zusätzlich Professor für Quantenoptik an der LMU.

Der 40-jährige Preisträger widmet sich vor allem der Untersuchung ultrakalter "Quantengase" in künstlichen Kristallen aus Licht. Solche Systeme dienen unter anderem als stark vergrößerte Laborsimulationen von Festkörpern. Als Festkörper bezeichnen Physiker feste Materialien wie Metalle oder Keramiken. Ihre Härte verdanken sie einer kristallartigen Gitterstruktur.

Physiker interessieren sich unter anderem dafür, wie gut Festkörper Strom und Wärme leiten und welche Vorgänge dabei eine Rolle spielen. Wenn Strom durch einen Festkörper fließt, bewegen sich freie Elektronen durch das ansonsten starre Kristallgerüst. In Metallen kommen die Elektronen weitgehend ungebremst voran. In nicht leitenden Stoffen wie Keramiken hingegen, so genannten Isolatoren, sind die Elektronen unbeweglich in das Kristallgitter eingesperrt.

Diese Vorgänge ahmt Bloch in seinen technisch aufwendigen Experimenten nach. Den Kern bildet eine kleine Vakuumkammer. Darin erzeugen Laserstrahlen einen künstlichen Kristall, dessen Gitter aus Licht besteht. In diese "Lichtkäfige" sperren die Forscher ultrakalte Atome, die beispielsweise stark miteinander wechselwirkende Elektronen imitieren. Da die Abstände zwischen den Atomen im Lichtgitter 10.000 Mal größer sind als in realen Materialien, lassen sich mikroskopische physikalische Prozesse in einzigartiger Weise beobachten.

Ein weiterer Clou ist, dass im Kunstkristall ‒ anders als in der Natur ‒ die Parameter fast beliebig verändert werden können. Senken die Forscher beispielsweise die Intensität der Laserstrahlen, die die Atome in den optischen Käfigen festhalten, so lösen sich die Atome irgendwann aus ihrer Gefangenschaft. Aus einem simulierten Nichtleiter wird so ein Leiter. Strahlen die Laser aus einer anderen Richtung, können neue Kristallstrukturen erzeugt werden. Über ein von außen angelegtes Magnetfeld lassen sich zudem die Wechselwirkungen zwischen den Atomen abstimmen.

Anders als in der Welt der klassischen Physik vermögen Quantenteilchen wie Elektronen mehrere Zustände gleichzeitig einzunehmen. Diese Zustände sichtbar zu machen und genau zu charakterisieren hilft, den grundlegenden Aufbau von Materie besser zu verstehen.

Mit Blochs Quantensimulator lassen sich unter anderem theoretische Modelle über den Aufbau von Festkörpern genau überprüfen. Außerdem ermöglicht die Apparatur Experimente unter extremen, bisher im Labor nicht erreichbaren Bedingungen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse können künftig helfen, Materialien mit maßgeschneiderten Quanteneigenschaften zu entwickeln ‒ etwa neue Supraleiter, die Strom verlustfrei leiten können. In ferner Zukunft hofft Bloch seinen Simulator auch als Quantencomputer einsetzen zu können ‒ gegen den selbst superschnelle herkömmliche Computer keinerlei Chance hätten: "Für die Berechnung der Wechselwirkungen in einem System aus 300 Quantenteilchen würde ein herkömmlicher Computer mehr Speicherzellen benötigen, als es Protonen im sichtbaren Universum gibt", erklärt der Preisträger.

Immanuel Bloch wurde bereits mit zahlreichen renommierten Wissenschaftspreisen ausgezeichnet. Der Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2013 wurde ihm am 6. September im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses überreicht.

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