Von Attosekunden, Pulsaren und chemischen Reaktionen

Holger Pletsch, Nuno Maulide und Thomas Pfeifer werden mit Heinz Maier-Leibnitz-Preisen 2013 ausgezeichnet

3. Mai 2013

Gleich drei Max-Planck-Forscher erhalten in diesem Jahr den mit jeweils 20.000 Euro dotierten Heinz Maier-Leibnitz-Preis, den die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 1977 jährlich vergeben. Über diese wichtige Auszeichnung für Nachwuchswissenschaftler freuen sich Holger Pletsch, Nuno Maulide und Thomas Pfeifer von den Max-Planck-Instituten für Gravitationsphysik, für Kohlenforschung und Kernphysik. Überreicht wird der Preis am 3. Juni in einer Feierstunde im Berliner Magnus-Haus.

Der Astrophysiker Holger Pletsch vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover arbeitet an effizienten Methoden zur Entdeckung von Neutronensternen anhand ihrer Gravitationswellen- und Gammastrahlenemission. Gravitationswellen sind bislang nur indirekt gemessene winzige Verzerrungen der Raumzeit, anhand derer sich auch ansonsten unsichtbare Objekte verraten könnten, wie etwa Neutronensterne – extrem dichte und schnell rotierende Überreste massereicher Sonnen.

Will man Gravitationswellen dieser komischen Leuchttürme (Pulsare) direkt nachweisen, spielt neben der Entwicklung besserer Detektoren die Analyse der Signale eine entscheidende Rolle. Denn die Datenströme existierender Instrumente werden durch ein permanentes Rauschen überlagert. Daher müssen die Forscher mögliche, zuvor unbekannte Signale mit großem Rechenaufwand herausfiltern.

Die verfügbare Rechenleistung für eine solche Suche möglichst effizient zu nutzen, ist Gegenstand der Forschung von Holger Pletsch. Seine neue Analysemethode erweitert das erfasste Volumen im All um einen Faktor von rund 200. Die Wahrscheinlichkeit, Gravitationswellen schnell rotierender Neutronensterne zu entdecken, steigt damit um denselben Wert – und die erste direkte Messung rückt einen Schritt näher.

Holger Pletsch studierte Physik an der TU Kaiserslautern und der University of Wisconsin-Milwaukee und wurde an der Leibniz Universität Hannover promoviert. Seine Dissertation erhielt zwei Wissenschaftspreise: Als jüngster Doktorand verlieh ihm die Max-Planck-Gesellschaft den Dieter-Rampacher-Preis 2009; im selben Jahr zeichnete ihn das Gravitational Wave International Committee (GWIC) mit dem internationalen GWIC-Thesis Prize aus. 

Der in Portugal geborene Chemiker Nuno Maulide studierte an der Ecole Polytechnique in Paris, promovierte sich in Belgien und arbeitete in den USA, ehe er 2009 Leiter einer Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung wurde. 2011 erhielt er einen ERC Starting Grant. Er und sein Team interessieren sich für die Schnittstelle zwischen „klassischer“ organischer Chemie, asymmetrischer Katalyse und chemischer Biologie. Ungewöhnliche Reaktionsprofile organischer Verbindungen faszinieren den portugiesischen Forscher dabei besonders.

Das gilt vor allem für chirale Verbindungen. Diese haben die faszinierende Eigenschaft: Sie können nicht mit ihren jeweiligen Spiegelbildern zur Deckung gebracht werden. Als Beispiel dafür gelten unsere Hände. Sie sind nicht deckungsgleich; ein Handschuh für die linke Hand passt nicht auf die rechte Hand.  Ebenso ist Chiralität  in vielen organischen Substanzen allgegenwärtig, etwa den „Molekülen des Lebens“, wie Aminosäuren, Zuckern und Nukleotiden (den Bausteinen unserer DNA), aber auch einer Fülle von Pharmazeutika und anderen biologisch aktiven Stoffen.

Die Fähigkeit solche Substanzen in nur einer der beiden spiegelbildlichen Formen, den Enantiomeren erzeugen zu können, wird asymmetrische Synthese genannt. „Thalidomid ist beispielsweise ein chirales Molekül, das als Paar von Enantiomeren existiert“, schreibt Nuno Maulide. „Diese beiden Formen haben jedoch sehr unterschiedliche biologische Eigenschaften: Während das eine ein wirksames Beruhigungsmittel ist, hat die andere Form fruchtschädigende Wirkung. Dies kann zu einem drastisch erhöhten Risiko von Geburtsfehlern führen“.  

Thomas Pfeifer studierte Physik an der Universität Würzburg und der University of Texas in Austin, USA und promovierte 2004 in Würzburg, bevor er als PostDoc an die University of California in Berkeley ging. Seit 2009 ist er Leiter einer selbstständigen Max-Planck-Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Kernphysik, die aus einem themenoffenen internationalen Wettbewerb hervorgegangen ist. Sein Forschungsgebiet sind schnellste elektronisch korrelierte Prozesse und fundamentale Kopplungen von Elektronen in Atomen und Molekülen sowie deren Quantenkontrolle mit zeitlich geformten Lichtpulsen. Hierzu baute er ein bisher einmaliges Labor für zeit- und energieaufgelöste Attosekundenspektroskopie auf. Außerdem befasst er sich mit der Physik von Freien-Elektronen-Lasern und betrachtet hier die Lichterzeugung ebenso wie die Wechselwirkung intensiver weicher Röntgenstrahlung mit Atomen und Molekülen.

Der Heinz Maier-Leibnitz-Preis ist nach dem gleichnamigen Physiker benannt, der von 1974 bis 1979 Präsident der DFG war. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und soll nach Information der DFG zugleich Anerkennung und Ansporn für junge Forscher sein.

In einer Umfrage im Magazin „Bild der Wissenschaft“ wurde der Heinz Maier-Leibnitz-Preis nach dem Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der DFG und dem Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten zum drittwichtigsten Wissenschaftspreis in Deutschland gewählt. „Über die Jahre hinweg zeigt der Preis eine schöne Ausgewogenheit und die große Vielfalt des deutschen Wissenschaftssystems“, sagt Dorothea Wagner, DFG-Vizepräsidentin und Vorsitzende des Auswahlausschusses.

HOR/BA

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