Ein Schwergewicht für Einstein

Beobachtungen am massereichsten Neutronenstern bestätigen Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie

Ein Team unter der Leitung von Wissenschaftlern aus dem Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie hat mit mehreren großen Radioantennen und optischen Teleskopen einen Pulsar und seinen Begleiter, einen Weißen Zwerg, detailliert untersucht. Die Beobachtungen zeigen ein Doppelsternsystem mit ungewöhnlichen Eigenschaften: Der Pulsar wiegt doppelt so viel wie die Sonne und ist damit der massereichste bisher bekannte Neutronenstern. In Verbindung mit der sehr kurzen Umlaufperiode von nur 2,5 Stunden ergeben sich unter anderem neue Erkenntnisse über die Aussendung von Gravitationswellen. So bildet das System einen Modellfall für die Untersuchung der Allgemeinen Relativitätstheorie unter extremen Bedingungen.

Man nehme eine halbe Million Erden, quetsche sie in eine Kugel von nur 20 Kilometer Durchmesser und lasse sie schneller rotieren als einen Küchenmixer. Solche unvorstellbaren Bedingungen findet man in einem Neutronenstern, dem Überrest einer massereichen Sonne, die als Supernova explodiert ist. Entdeckt wurden diese Objekte vor etwa einem halben Jahrhundert als Pulsare, die sehr schnell um ihre Achse rotieren und dabei wie ein Leuchtturm Signale aussenden.

Neutronensterne sind für die Forscher vor allem deswegen interessant, weil sie die Möglichkeit bieten, physikalische Vorgänge unter einzigartigen Bedingungen zu untersuchen. So etwa lässt sich an ihnen Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie prüfen – die Vorhersage von Gravitationswellen. Für deren indirekten Nachweis wurde im Jahr 1993 der Nobelpreis verliehen.

PSR J0348+0432 ist ein Pulsar in einem Doppelsternsystem zusammen mit einem Weißen Zwerg, den Forscher vor wenigen Jahren im Rahmen eines umfassenden Suchprogramms mit dem Green-Bank-Radioteleskop fanden. Der Pulsar und der Weiße Zwerg in diesem System befinden sich im Abstand von nur 830000 Kilometern zueinander; das ist nur etwas mehr als ein Sonnenradius.

Dadurch strahlt das System Gravitationswellen ab, die – wie von Einstein vorhergesagt – zu einer weiteren Verringerung des Abstands beider Komponenten und einer damit verbundenen Abnahme der Bahnperiode führen. Um diesen Effekt quantitativ testen zu können, benötigt man jedoch die Massen von Pulsar und Begleiter.

„Die Änderungen in der Lichtkurve des Weißen Zwergs, die von seiner zwei Millionen Stundenkilometer schnellen Bewegung um den Pulsar herrühren, habe ich am Very Large Telescope gemessen”, sagt John Antoniadis, IMPRS-Doktorand am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn und Erstautor der Veröffentlichung in der Zeitschrift Science. „Dieses Verfahren ermöglicht uns, sowohl den Weißen Zwerg als auch den Pulsar abzuwiegen und damit die Masse von beiden zu bestimmen.“ Schon bei einer ersten groben Analyse der Daten war klar, „dass wir uns einen ganz schönen Brocken eingefangen hatten“. Mit der doppelten Masse der Sonne ist das der schwerste bis jetzt bekannte Pulsar.

Mittels der so bestimmten Massen ließ sich der Energieanteil berechnen, der in Form von Gravitationswellen abgestrahlt wird und zu einer Verkürzung der Umlaufperiode in dem System führt. Den Mitgliedern des Teams war sofort klar, dass sich diese Änderung der Umlaufperiode in den Radiosignalen des Pulsars zeigen müsste. Daher nahmen sie das Doppelsternsystem regelmäßig an den drei größten Radioteleskopen der Welt unter die Lupe.

„Unsere Beobachtungen mit den beiden Antennen in Effelsberg und Arecibo waren derart präzis, dass wir bereits Ende 2012 eine Änderung von nur acht Mikrosekunden pro Jahr in der Umlaufperiode und damit exakt den von der Relativitätstheorie vorhergesagten Wert nachweisen konnten“, sagt Paulo Freire, Wissenschaftler am Bonner Max-Planck-Institut. „Diese Messungen sind so wichtig, dass der europäische Forschungsrat dafür erst kürzlich mit Beacon ein neuartiges Empfängersystem zum Einsatz am Radioteleskop Effelsberg gefördert hat.“

In Bezug auf seine Schwerkraft ist PSR J0348+0432 ein sehr extremes Objekt – auch im Vergleich zu anderen Pulsaren, die bisher schon für hochpräzise Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie zur Verfügung standen. Die Gravitation auf seiner Oberfläche ist mehr als 300 Milliarden Mal stärker als auf der Erde. Im Zentrum dieses Neutronensterns sind mehr als eine Milliarde Tonnen Materie auf das Volumen eines Zuckerwürfels zusammengepresst.

Diese Zahlen sind nahezu doppelt so hoch wie in den bisher bekannten Neutronensternen. Eine solch große Masse, in einem kleinen Volumen konzentriert, verzerrt nach der Allgemeinen Relativitätstheorie den Raum. So waren die Astronomen zum ersten Mal in der Lage, die Bewegung eines Objekts in einer derart stark deformierten Raumzeit präzis zu vermessen.

„Das aufregendste Ergebnis für uns war, dass die Allgemeine Relativitätstheorie sich auch in einem so extremen Umfeld noch vollständig bewährt“, sagt Norbert Wex, theoretischer Astrophysiker in der Forschungsabteilung Radioastronomische Fundamentalphysik am Bonner Institut. Tatsächlich gibt es alternative Theorien, die davon abweichende Vorhersagen machen und nun zuverlässig ausgeschlossen werden können.

In diesem Zusammenhang ermöglicht PSR J0348+0432 sogar ein noch tieferes Verständnis der Gravitation als der berühmte Doppelpulsar J0737-3039A/B, dessen Entdeckung die Redaktion von Science zu einer der zehn bedeutendsten wissenschaftlichen Errungenschaften des Jahres 2004 gekürt hatte.

„Diese extremen physikalischen Bedingungen kann man unmöglich in irdischen Laboratorien nachbilden“, sagt Thomas Tauris von der Arbeitsgruppe Stellarphysik am Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn. „Wir möchten gern etwas darüber erfahren, wie die Natur solche Systeme für uns aufbaut. Im Fall von PSR J0348+0432 müssen wir unsere Sternentwicklungsmodelle bis an die Grenze strapazieren.“

Das stellare System habe eine einzigartige Kombination von Eigenschaften: kurze Umlaufperiode und einen Pulsar mit hoher Masse, relativ langsamer Eigenrotation und einem starken Magnetfeld. Insgesamt sei das eine sehr interessante Herausforderung für unsere Theorien zur Entwicklung von Doppelsternsystemen.

Die Ergebnisse sind nicht zuletzt wichtig für den direkten Nachweis von Gravitationswellen. Dazu werden auf der Erde große Detektoranlagen wie die Laser-Interferometer Geo600, Ligo und Virgo eingesetzt. Eines der Schlüsselsignale, das man aus deren Daten erwartet, kommt von Gravitationswellen, die von zwei Neutronensternen in einem engen Binärsystem in den letzten Minuten ausgesendet werden, bevor sie sich auf spiralförmiger Bahn sehr rasch aufeinander zubewegen und schließlich miteinander verschmelzen.

Es bedurfte jahrzehntelanger theoretischer Forschung im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie, um die von einer solchen Kollision erwarteten Gravitationswellen zu berechnen. Die mathematischen Gleichungen dazu werden benötigt, um die Gravitationswellen in den Aufzeichnungen der Anlagen zu identifizieren.

„Unsere Ergebnisse zu PSR J0348+0432 geben uns zusätzliches Vertrauen in die Gleichungen für die komplette Spannweite der Massen von Neutronensternen, wie wir sie in der Natur beobachten“, sagt Michael Kramer, Max-Planck-Direktor und Leiter der Forschungsabteilung Radioastronomische Fundamentalphysik. „Wenn man den großen Aufwand berücksichtigt, der in die Ableitung dieser Gleichungen gesteckt worden ist, dann ist es eine sehr gute Nachricht für unsere Kollegen aus der Gravitationswellen-Astronomie, dass Einsteins Theorie auch diesen Test bestanden hat.“

NJ / HOR

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