Protein sorgt für Ordnung im Zellkern

Freiburger Forscher identifizieren ein Protein, das Chromosomen-Zentromere im Zellkern korrekt positioniert

4. April 2013

Zwei Meter Erbgut sind im Zellkern verpackt, vermutlich nach einer strengen Ordnung. Nun können Forscher um den Biologen Patrick Heun vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg erstmals ein Phänomen erklären, das vor über 40 Jahren erstmals beobachtet wurde. Die Zentromere, also die Mittelteile der X-förmigen Chromosomen, sind im Zellkern an wenigen spezifischen Stellen gebündelt. An Taufliegen haben die Forscher nun gezeigt, dass ein einziges Protein an diesem Prozess maßgeblich beteiligt ist. Fehlt es, nehmen DNA-Schäden in der Zelle zu und es kommt zu Störungen bei der Zellteilung.

Vor der Zellteilung verdoppelt sich jedes Chromosom. Die beiden Kopien bleiben allerdings bis kurz vor der Trennung an einer Stelle miteinander verbunden, dem Zentromer. Dadurch entsteht die klassische x-förmige Struktur von Chromosomen. Färbeexperimente zeigten in den letzten 40 Jahren, dass bei vielen Lebewesen und verschiedenen Zelltypen die Zentromere von mehreren Chromosomen im Zellkern gebündelt sind. Doch bislang ist noch weitgehend unverstanden, wie das Erbgut im Zellkern organisiert ist.

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik um Patrick Heun, der auch am Exzellenzcluster BIOSS Centre for Biological Signalling Studies der Universität Freiburg beteiligt ist, zeigten nun in einer Reihe von Experimenten an der Taufliege Drosophila melanogaster, dass für die Zentromer-Positionierung das Protein NLP von großer Bedeutung ist. Es bindet gezielt an die Zentromer-Region der Chromosomen und leitet deren Zusammenballen am Nukleolus ein, einem wichtigen Bereich im Zellkern. Wo das Protein am Chromosom bindet, hängt von der Verpackung der DNA ab, dem Chromatin. Die Erbgut-Sequenz an der Stelle spielt hingegen offensichtlich keine Rolle, wie Heun und Kollegen herausfanden. NLP existiert in leicht veränderter Form auch beim Menschen und heißt dort Nucleophosmin.

Schalten die Forscher das Protein NLP mit der sogenannten Knockdown-Methode aus, fallen die Zentromere auseinander und verteilen sich im gesamten Zellkern. Durch die Veränderung der räumlichen Ordnung im Zellkern werden nun eigentlich stillgelegte Bereiche des Erbguts aktiviert und es häufen sich Schäden am DNA-Doppelstrang. Solche Veränderungen können die Stabilität des Genoms beinträchtigen und letztendlich zur Krebsentstehung beitragen. „Für einzelne Leukämieformen ist schon bekannt, dass die Organisation des Zellkerns eine Rolle spielt. Es wäre sehr interessant, ob die fehlende Organisation der Zentromere auch bei Krebszellen eine Rolle spielt,“ sagt Heun.

Neben dem Protein NLP konnten die Wissenschaftler die Wechselwirkungen mit zwei weiteren, bereits bekannten Proteinen entschlüsseln. Das Nukleolusprotein Modulo verankert den Komplex aus Zentromer und NLP an dem Nukleolus. Das Protein CTCF hingegen unterstützt NLP bei der die Bündelung der Zentromere.

„Auf dem Weg, den molekularen Mechanismus diese Phänomens zu entschlüsseln, haben wir jetzt den Fuß in der Tür“, ist Heun überzeugt. Seit 2008 hatte er mit seinem Doktoranden Jan Padeken und seiner Arbeitsgruppe daran gearbeitet. Weitere Untersuchungen in Drosophila und Säugetierzellen, wie der Maus, sollen jetzt folgen. „Wir erwarten, dass noch weitere Proteine an der Zentromer-Organisation beteiligt sind und möchten herausfinden ob das aufgedeckte Netzwerk von Proteinen auch in anderen Organismen eine Rolle spielt“, sagt Heun.

Am Max-Planck Institut für Immunbiologie und Epigenetik (MPI-IE) in Freiburg, gegründet 1961, untersuchen Wissenschaftler, wie sich das Immunsystem im Laufe der Evolution entwickelt hat und wie es sich während des Lebens verändert. Im Jahr 2007 wurde am Institut zudem der Schwerpunkt Epigenetik etabliert. Darin untersuchen Forscher die Vererbung von Eigenschaften, die nicht auf Veränderungen der DNA-Sequenz basieren.

JF/HR

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