Der konservierte Arm der Evolution

Immunrezeptor der Gerste funktioniert auch in Arabidopsis

5. März 2013

Gerste und Arabidopsis sind sehr unterschiedliche Pflanzen. Die eine hat ungestielte Blätter und ein Keimblatt, die andere gestielte Blätter und zwei Keimblätter. 200 Millionen Jahre Evolution liegen zwischen beiden Arten. Und dennoch verfügen beide Pflanzen über identische Signalwege bei der Immunabwehr. Das haben Paul Schulze-Lefert und Takaki Maekawa vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln gezeigt. Während das Erkennen des Eindringlings ein hochspezifischer Prozess ist und sich seine verräterischen Eiweiße und die passenden Immunrezeptoren der Pflanze in enger Koevolution entwickeln, sind die Signalwege, mit denen die Immunreaktionen in Gang gesetzt werden, sehr konserviert.

Pflanzen versuchen sich genauso gegen Krankheitserreger zur Wehr zu setzen wie jedes andere Lebewesen auch. Sie verwenden dafür keine spezialisierten Immunzellen, sondern Eiweiße, die wie Häscher nach verräterischen Fremdproteinen in der Zelle suchen. Auch die Eindringlinge kommen nicht unvorbereitet. Sie haben molekulare Instrumente dabei, mit denen sie das pflanzliche Immunsystem austricksen wollen. Diese Eiweiße heißen Effektoren.

In resistenten Pflanzen wird ein Alarm ausgelöst, wenn Häscher und Effektoren aufeinandertreffen. Entweder fängt der Häscher den Effektor ein und hält ihn fest, oder er funktioniert wie ein Messfühler und registriert, wenn sich der Effektor an einem anderen Pflanzenprotein vergriffen hat. Nach dem Absetzen des Alarms stoppt die resistente Pflanze die Vermehrung des Eindringlings und opfert die Zellen im Infektionsgebiet. Auf diese Weise begrenzt sie den Überfall und wehrt den Eindringling ab. Die Gerste besitzt eine ganze Reihe von Häschern, die auch als Immunrezeptoren bezeichnet werden. Die Namen bestehen aus den Buchstaben MLA und einer arabischen Zahl. MLA1 erkennt zum Beispiel einen Effektor des Gersten-Mehltaus Blumeria graminis.

Paul Schulze-Lefert und Takaki Maekawa sind nun der Frage nachgegangen, ob sich das MLA1-Protein so stark an die Gerste angepasst hat, dass es in keiner anderen Pflanze mehr funktioniert. „Wenn MLA1 auch in anderen Pflanzen nach der Begegnung mit dem Effektor einen Alarm im Immunsystem auslösen kann, können wir darüber nachdenken, Pflanzen durch den Transfer von hochspezialisierten Immunrezeptoren resistent zu machen“, sagt Maekawa. „Etwa gegenüber Bakterien, Insekten, Pilzen oder Viren, je nach transferiertem Immunrezeptor.“ Sein Team hat deshalb das MLA1 der Gerste in Arabidopsis eingeschleust.

Von der Systematik her gesehen, gehören beide Pflanzen in völlig unterschiedliche Gruppen. Da Arabidopsis normalerweise resistent gegenüber Blumeria graminis ist, mussten Maekawa und sein Team das Gen in eine geschwächte Variante übertragen, die den Pilz nicht mehr abwehren kann. Diese Variante wird mit dem MLA1-Gen der Gerste wieder resistent.

Das Gen setzt in Arabidopsis die gleichen Immunreaktionen in Gang wie in der Gerste. Dazu gehört, dass die Zellen im Infektionsgebiet Selbstmord begehen und der Pilz fast keine Mikrokolonien bildet. Dadurch kann sich der Mehltau nicht ausbreiten. Es muss also in beiden Pflanzen einen Signalweg geben, der durch MLA1 angeschaltet wird und der beim Befall mit Mehltau zu identischen Abwehrreaktionen führt. Die Wissenschaftler nehmen an, dass MLA1 dafür in den Zellkern wandert und dort die nötigen Gene anschaltet. Sie konnten MLA1 jedenfalls in beiden Pflanzen im Zellkern nachweisen.

Wie das Protein in Arabidopsis funktioniert – ob als Häscher oder Sensor -, ist nicht bekannt. Es ist auch nicht bekannt, wie der Pilzeffektor in die Zellen der Ackerschmalwand gelangt. Auch dafür muss es konservierte Andockstellen bei der Gerste und der Ackerschmalwand geben, sonst hätte es nie zu einer Abwehrreaktion kommen können. „Wenn wir Pflanzen über den Transfer von Immunrezeptoren resistent machen wollen, müssen wir verstehen, wie der passende Effektor in die Pflanzenzelle gelangt und wie MLA1 genau wirkt“, sagt Paul Schulze-Lefert und skizziert damit die weiteren Experimente des Teams.

Die Wissenschaftler haben zudem einiges über den konservierten Signalweg in Erfahrung gebracht. Dazu haben sie sich die Gene angeschaut, die nach dem Auslösen des Alarms abgelesen werden. Sie konnten zeigen, dass MLA1 ein sehr spezifisches Set an Genen aktiviert. Dazu gehören auch Erbanlagen, mit denen die Pflanze auf Chitin reagiert. Dieses Biomolekül ist einer der Hauptbestandteile in der Pilz-Zellwand und im Insektenpanzer. Ob MLA1 direkt an die Gene herantritt oder nur indirekt wirkt, ist noch nicht bekannt. Allerdings wissen Schulze-Lefert und Maekawa, dass das Anschalten der Gene sehr nachhaltig ist. „Die entsprechenden Botenribonukleinsäuren sind auch achtzehn Stunden nach dem Einsetzen der Infektion noch nachweisbar“, sagt Maekawa. „Wird Arabidopsis von einem Pilz befallen, den es nicht abwehren kann, sind zu diesem Zeitpunkt kaum noch entsprechende Botenribonukleinsäuren vorhanden. Entweder weil der Pilz die Synthese gestoppt hat oder weil die Pflanzen auf andere Weise gemerkt haben, dass sie dem Pilz nicht gewachsen sind“.

Das Kölner Team hat außerdem gezeigt, dass die durch MLA1 in Arabidopsis eingeleitete Immunantwort nicht durch Pflanzenhormone beeinflusst wird. Normalerweise machen Pflanzenhormone den Angriff in der ganzen Pflanze bekannt und unterstützen dadurch die Immunabwehr. MLA1 kann den Mehltau in Arabidopsis auch ohne so wichtige Pflanzenhormone wie das Ethylen, die Jasmonsäure oder die Salizylsäure stoppen. Die Pflanze bleibt also mit MLA1 auch ohne deren Unterstützung resistent.

HK/HR

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