Metallionen regulieren den Terpen-Stoffwechsel in Insekten

Eine Prenylsynthase in Blattkäferlarven bildet, abhängig von Metallionen, die Vorstufen für Abwehrsubstanzen oder Juvenilhormone

28. Februar 2013

Einer biochemischen Besonderheit sind Max-Planck-Wissenschaftler aus Jena auf die Spur gekommen. Mit ihren Arbeiten gelang erstmals der Beweis einer ungewöhnlichen Regulation von Enzymen, die Reaktionen in einem der wichtigsten sekundären Stoffwechselwege, dem Terpenmetabolismus, katalysieren. In Meerrettichblattkäfern der Art Phaedon cochleariae kann ein und dasselbe Enzym, gesteuert durch Kobalt-, Mangan- oder Magnesiumionen, die Herstellung zweier völlig unterschiedlicher Substanzen einleiten: einmal die der Iridoide, also Wehrsubstanzen, mit denen sich die Larve gegen ihre Fraßfeinde wehrt, oder die der Juvenilhormone, die die Entwicklung des Insekts lenken. Da Insekten im Gegensatz zu Pflanzen kein umfangreiches Arsenal der als Isoprenyldiphosphat-Synthasen bezeichneten Proteine aufweisen, haben sie möglicherweise mit der Metallionen-abhängigen Kontrolle eine effiziente Option entwickelt, Metaboliten in die unterschiedlichsten Richtungen des Terpenstoffwechsels zu lenken.

Neben dem primären Stoffwechsel, der die Produkte für das Überleben von Zellen herstellt, besitzen alle Lebewesen noch zusätzliche Biosynthesewege, deren Produkte zwar für die einzelne Zelle selbst entbehrlich sein können, aber für den Organismus nützlich sind. Sie werden als sekundärer Metabolismus bezeichnet. Einer davon ist der Terpenstoffwechsel, der mit mehr als 40000 verschiedenen bekannten Strukturen eine der umfangreichsten Stoffklassen hervorbringt. Diese terpenoiden Moleküle haben mannigfaltige Funktionen und treten als Komponenten in molekularen Signalketten, als Toxine, Duftstoffe oder Hormone auf.

Die Grundeinheit aller Terpene ist ein simples Molekül, das fünf Kohlenstoffatome enthält und zu beliebig langen Ketten zusammen gefügt werden kann. So können Monoterpene (C10 Einheiten, 2 x C5), Sesquiterpene (C15, 3 x C5) und sogar Polymere, wie etwa Naturkautschuk, der aus mehreren hundert C5 Bausteinen besteht, gebildet werden. Für die Verlängerung der Ketten sind spezielle Enzyme notwendig, die die Neugier der Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena und des Leibniz-Instituts für Pflanzenbiochemie in Halle geweckt haben. So fragten sie sich beispielsweise, wie die Kettenverlängerung reguliert wird.

Enzyme, die diese Kettenverlängerung bewerkstelligen, gehören zur Gruppe der Isoprenyldiphosphat-Synthasen. Solch ein Enzym wurde aus den Larven des Meerrettichblattkäfers Phaedon cochleariae isoliert und stieß auf das besondere Interesse von Antje Burse, Projektgruppenleiterin in der Abteilung Bioorganische Chemie am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie.

Auf Grund von Experimenten, in denen das Enzym kodierende Gen ausgeschaltet wurde, wurde deutlich, dass das Protein an der Bildung des C10 Monoterpens Chrysomelidial, welches die Larven als Schutz vor Fraßfeinden produzieren, beteiligt ist. Das Monoterpen wird von den Larven in speziellen Drüsen akkumuliert und als Wehrsekret freigesetzt, sobald sie beispielsweise von Ameisen angegriffen werden.

Aber eine besondere Überraschung trat durch eine umfassende biochemische Untersuchung des Enzyms zutage. „Nachdem wir das Protein in vitro eingehend analysierten, wozu Messungen der Produktbildung in Abhängigkeit verschiedener Metallionen als Kofaktoren gehörte, stellten wir mit großem Erstaunen fest, dass in Gegenwart von Kobalt- oder Manganionen nur noch Geranyldiphosphat (C10), also die Vorstufe zur Wehrsubstanz Chrysomelidial, entsteht, wohingegen durch Zugabe von Magnesiumionen das um 5 Kohlenstoffatome längere Farnesyldiphosphat (C15) gebildet wird, was die Vorstufe zu Juvenilhormonen sein könnte“, so die Wissenschaftlerin. Schaut man in die Gewebe der Larven, können alle drei Metallionen nachgewiesen werden, was vermuten lässt, dass im Insekt durch die jeweils vorherrschende Menge an Metallkofaktoren die Enzymkatalyse gelenkt wird: Gift oder Hormon − physiologisch ein erheblicher Unterschied.

Wie die unterschiedlichen Metallionen das Produktspektrum des Enzyms verschieben, ist bislang noch unklar. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die abweichenden Atomradien der Metalle, die für die jeweilige Katalyse notwendig sind, eine Veränderung in der räumlichen Struktur des Enzyms hervorrufen, was den Eintritt einer dritten C5 Einheit verhindert oder erlaubt und entsprechend zur Produktion von C10- oder C15-Molekülen führt.

„Unsere Experimente liefern zwei wichtige Erkenntnisse“, so Wilhelm Boland, Direktor am Max-Planck-Institut. „Erstens ist durch den dirigierenden Einfluss der Metallionen auf die Produktbildung der Isoprenyldiphosphat-Synthasen eine weitere Stellschraube in der Regulation des Terpenstoffwechsels gefunden worden, die in zukünftige Untersuchungen einbezogen werden sollte, und zweitens: Die Diversität terpenoider Stoffe ist nicht nur auf die breite Substratspezifität mancher Enzyme des Stoffwechselweges zurückzuführen, sondern bereits in den frühen Biosynthesestufen angelegt.“ Auf die Frage, wie es Lebewesen schaffen, Zehntausende von verschiedenen Sekundärmetaboliten zu erzeugen, hält die Natur immer wieder überraschende Antworten bereit.

JWK/HR

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