Koryphäen der Forschung

14. Februar 2013

Sie haben fast jede Auszeichnung für ihre Forschung erhalten: Die Tübinger Entwicklungsbiologin Christiane Nüsslein-Volhard, Medizin-Nobelpreisträgerin des Jahres 1995, und Axel Ullrich, Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München. Jetzt wurden die zwei Wissenschaftler neu in die „Hall of Fame“ der deutschen Forschung aufgenommen, mit der das manager magazin seit 2009 Spitzenwissenschaftler und ihren Beitrag zum deutschen Forschungsstandort auszeichnet.

Christiane Nüsslein-Volhard ist die erste – und einzige – Frau in Deutschland, die jemals mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Die heute 70-Jährige, die auch gerne singt, Querflöte spielt und kocht, entdeckte bereits als Zwölfjährige ihre Begeisterung für Biologie, die  - wie sie in ihrer Autobiographie schreibt – von ihren musisch und künstlerisch begabten Eltern und Großeltern unterstützt wurde.

Während  ihrer Studien in Frankfurt, Tübingen und Heidelberg fand sie zu den beiden Organismen, an denen sie Zeit ihres Lebens forschen sollte: der Taufliege Drosophila und dem Zebrafisch Danio rerio. Zur Initialzündung kam es nachts im Labor, als die junge Forscherin in einem Buch über Entwicklungsbiologie blätterte. Darin wurde über eine Drosophila-Mutante geschrieben, die anstelle von acht Körpersegmenten nur vier besitzt. Christiane Nüsslein-Volhard hoffte, im Fliegenei auf die genetischen Grundlagen zu stoßen, die für die Entwicklung einer befruchteten Zelle zum fertigen Insekt verantwortlich sind.

Von der Fliege zum Zebrafisch

Im Zuge ihrer Genstudien stellte sich heraus, dass der Fliegenembryo Rückschlüsse auf die Embryonalentwicklung anderer Tiere und auch des Menschen zuließ. Zusammen mit ihrem Kollegen Eric Wieschaus lokalisierte sie am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg Hunderte wichtiger Entwicklungsgene. Gemeinsam veröffentlichten sie ihre bahnbrechende Studie, in der sie die genetische Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung beschrieben.

Erst später wechselte Nüsslein-Volhard am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen zu ihrem jetzigen Modellorganismus, dem Zebrafisch. Der Fisch vereint viele Eigenschaften, die ihn als Forschungsobjekt interessant machen: Er ist klein und entwickelt und vermehrt sich rasant schnell. An seinen nahezu transparenten Fischlarven können Wissenschaftler Genveränderungen leicht nachverfolgen. Auch nach ihrer Emeritierung im kommenden Jahr will sie weiterforschen und die genetischen Ursachen der Streifenbildung beim Zebrafisch untersuchen.

Engagierte Nachwuchsförderin

Während ihrer Karriere musste sich Christiane Nüsslein-Volhard immer wieder als Frau im Wissenschaftsbetrieb durchsetzen. Als sie vor rund 30 Jahren Wissenschaftliches Mitglied in der Max-Planck-Gesellschaft wurde, war sie noch weitgehend allein unter den zahlreichen Männerkollegen dieser Hierarchiestufe. 2004 gründete sie deshalb eine nach ihr benannte Stiftung, die die Max-Planck-Gesellschaft jährlich mit 30 000 Euro fördert. „Geld ist das banalste Mittel, um sich Zeit zu kaufen“, sagt die Max-Planck-Direktorin heute. „Es ist doch unsinnig, keine Putzfrau zu haben, sich im Haushalt aufzureiben und gleichzeitig ein Labor zu leiten. Man sollte mit Mut mehr Geld ausgeben und sich dadurch Freiräume schaffen.“ Junge Doktorandinnen wissen das und versuchen, den alltäglichen Spagat zwischen Beruf und Familie zu bewältigen. Wenn man dann eine Einladung zu einer Tagung annimmt und die Messzeiten im Labor ungünstig nach Kitaschluss liegen, bricht das fein austarierte System aus Kinderbetreuung, Wissenschafts- und Hausarbeit schnell zusammen. Hier soll das monatliche Stipendium von bis zu 400 Euro helfen, das die Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung  maximal für drei Jahre während der Promotion vergibt.

Treibende Kraft in der Krebs- und Diabetesforschung

Als Forscher dachte Axel Ullrich immer an mögliche medizinische Anwendungen seiner Grundlagenforschung. Schon in den 70er-Jahren galt als einer der führenden Köpfe der internationalen Biotech-Branche. Damals legte er den Grundstein für ein Verfahren, mit dem Humaninsulin produziert werden konnte. Zuckerkranke profitieren  heute noch davon. Auf der Basis seiner Erkenntnisse wurden zudem zwei Krebsmedikamente entwickelt: Herceptin im Kampf gegen Brustkrebs und Sutent gegen Nieren- und Magen-Darm-Tumore.

Im Süden San Franciscos arbeitete er neun Jahre bei Genentech, der ersten Biotechfirma der Welt, bevor es ihn wieder nach Deutschland zurückzog. Als Leiter der Abteilung für Molekularbiologie am Martinsrieder Max-Planck-Institut für Biochemie gründete er SUGEN, das erste Biotech-Unternehmen der Max-Planck-Gesellschaft, und später U3 Pharma, das vor fünf Jahren von der japanischen Pharmafirma Daiichi Sankyo für rund 150 Millionen Euro gekauft wurde. Sein Team hält mehr als 100 Patente, die als Grundlage für Medikamente dienen. Vier der Patente sind derzeit in Anwendung.

Die „Hall of Fame“ der deutschen Forschung zeichnet Wissenschaftler aus, deren Arbeiten einen herausragenden Beitrag zur Weiterentwicklung des deutschen Forschungsstandorts geleistet haben. Sie hat zwölf Mitglieder, darunter sieben Max-Planck-Wissenschaftler. Zu Ihnen zählen Theodor Hänsch, Physik-Nobelpreis 2005, Manfred Eigen, Chemie-Nobelpreisträger von 1964, Theodor Hänsch, Physik-Nobelpreis 2005 und Karl Ziegler, langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für Kohleforschung in Mülheim/Ruhr.

BA

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