Vom Turmbau zu Gobabeb

Jenaer Forscher errichten Außenposten der Klimaforschung in Namibia

13. Februar 2013

Hochpräzise Messstationen liefern grundlegende Daten zum Klimawandel. Um Rückschlüsse über globale Kreisläufe zu ziehen, braucht es ein weltweites Netz. Ein Neubau schließt nun eine wichtige Lücke.

Er hat nicht nach Hause gefunkt, als die Datenverbindung zum Institut in Jena in Betrieb ging. Kein roter Knopf wurde gedrückt, auch nicht angestoßen zum Abschluss des vier Jahre währenden Bauprojektes. Jošt Lavrič, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biogeochemie, genoss mit seinem Team in Namibia still und leise den Erfolg: Nahe am Atlantik, nördlich der Namib-Wüste steht auf dem Areal der Forschungsstation Gobabeb Research and Training Centre nun ein 21 Meter hoher Mast samt Bodenstation, die durchgehend die Menge der Treibhausgase in der Atmosphäre misst. „Einen Fernsehmoment gab es in der Tat nicht, wir sind einfach nach Abschluss der Arbeit auf die große Sanddüne gestiegen und haben einen grandiosen Sonnenuntergang erlebt“, sagt der Geochemiker.

Rückgrat für bessere Modelle

Das war im Herbst 2012. Seither läuft das Namib Desert Atmospheric Observatory (NDAO) stabil, sendet kontinuierlich Wetterdaten und Werte zur Konzentration der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan und Lachgas sowie von Kohlenmonoxid und Sauerstoff. „Gerade in Afrika sind solche Hochpräzisionsanlagen rar“, sagt Lavrič. Vor Ort können nun für das Klimageschehen interessante Prozesse erfasst werden: „Im südlichen Afrika gibt es zum Beispiel regelmäßig extreme Buschbrände, die die Atmosphäre beeinflussen“, sagt Lavrič. Abgesehen von solchen saisonalen Sondereffekten dienen die Messungen auch dazu, Daten für die Klärung globaler Fragen des Klimawandels zu liefern. Dafür muss die Atmosphäre möglichst frei sein von „Zusatzeinflüssen“. Kurzum: keine Städte, keine Industrie, keine Verzerrung durch die Vegetation. Weil es in Gobabeb all dies nicht gibt und der Ozean nicht weit ist, reicht dort ein 21-Meter-Mast. Anders in Sibirien: Dort ist mit der Anlage ZOTTO ein 300 Meter hoher Turm nötig, um in Luftschichten vorzustoßen, die frei von lokal bedingten Einflüssen sind. Weil aber auch die interessant sind fürs Klimageschehen, wird mit zwei kleinen Türmen knapp über der Höhe der Baumwipfel der Einfluss des Waldes und des Sumpfes gemessen. Diese Station wird ebenso vom Jenaer Institut betrieben, bei anderen MPG-Projekten wie dem Bau des ähnlich hohen ATTO-Turms im Amazonasgebiet hat das MPI für Chemie in Mainz die Federführung.

Gemeinsam mit dem MPI für Meteorologie in Hamburg bilden die drei Institute die Partnerschaft Erdsystemforschung (ESRP) und knüpfen internationale Netzwerke mit führenden Instituten. Die Daten stationärer Messanlagen sind als Faktengrundlage wichtig für die breit gefächerte Klimaforschung. „Wir gewinnen kontinuierlich Werte zur konkreten Klimasituation. Die Daten fließen in die Verbesserung der Modelle ein. Ursachen des Klimawandels lassen sich besser beschreiben, Prognosen werden exakter“, sagt Lavrič. Zentral ist, dass die Messungen stetig über Jahre hinweg stattfinden. Als Partner in Namibia übernehmen Mitarbeiter des Gobabeb-Forschungszentrums die Wartung. „Die Steuerung liegt aber letztlich bei uns“, sagt Lavrič.

Hängepartie im Hafen

Der 40-Jährige ist seit 2009 am Institut, seine Gruppe in der Abteilung von Martin Heimann betreut fünf Stationen weltweit. Die Gobabeb-Anlage wurde in Jena konzipiert und technisch ausgerüstet, beteiligt waren mehr als ein Dutzend Mitarbeiter. Viele Details waren zu beachten. Als Beispiel: Das Messsystem im Bodencontainer braucht eine Klimaanlage, doch „Strom ist in der Wüste extrem teuer“, sagt Lavrič. „Also mussten wir den Verbrauch runterskalieren und gleichzeitig die Leistung optimieren.“

Neben fachlicher Expertise sei bei solchen Projekten Gespür für Diplomatie wichtig, sagt Lavrič mit Blick auf die Verhandlungen mit den namibischen Partnern. Als letztlich alle Fragen geklärt waren, lief der Transport fast reibungslos. Nur in Spanien hingen die zwei Container länger im Hafen fest als geplant. Der Aufbau dauerte sechs Wochen. Gearbeitet wurde in zwei Teams. Erst bauten drei Techniker den Mast und den Bodencontainer auf, dann übernahmen Lavrič und zwei Kollegen. Sie richteten die Messgeräte ein. Dass es keine gemeinsame Feier gab, liegt auch an dieser Arbeitsteilung: Das erste Team war abgereist, als die Anlage in Betrieb ging. Doch in Jena wollen alle noch einmal zusammenkommen, sagt Lavrič: „Im Frühjahr, wenn es warm ist, feiern wir gemeinsam. Das ist klar.“

JE

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