Forschungsbericht 2012 - Max-Planck-Institut für Quantenoptik

Ein Quantennetzwerk aus einzelnen Atomen

Autoren
Ritter, Stephan; Rempe, Gerhard
Abteilungen
„Quantendynamik“
Zusammenfassung
Quantennetzwerke, die dem Austausch und der Speicherung von Quanteninformation dienen, sollen eines Tages die Vernetzung von Quantencomputern ermöglichen. Ein erster Prototyp eines solchen Netzwerkes basierend auf einzelnen Atomen konnte demonstriert werden. Die Atome sind ausgezeichnete Speicherelemente für Quantenzustände, die zwischen den räumlich getrennten Netzwerkknoten mittels einzelner Photonen übertragen werden. Die effiziente Schnittstelle zwischen einzelnen Atomen und Photonen basiert auf einem optischen Resonator und ermöglicht auch die Verschränkung zweier Netzwerkknoten.

Kommunikation, also der Austausch von Informationen, ist allgegenwärtig. Sie ist essentiell für Wirtschaft, Handel und Technik und gleichermaßen die Grundlage für Kulturleistungen. Dank der Erfindung des Telefons oder des Internets werden die Distanzen zwischen den Kommunikationspartnern zunehmend irrelevant und neben Sprache können Texte, Bilder und beliebige andere digitale Daten mit Lichtgeschwindigkeit ausgetauscht werden. Die kleinste Informationseinheit ist dabei das Bit, das einen von zwei möglichen Zuständen annehmen kann, z. B. 0 oder 1. Jedes Bit benötigt einen physikalischen Träger, z. B. einen Lichtpuls, der es übertragen kann, oder atomare Strukturen, die es speichern. Die stetige Miniaturisierung dieser Informationsträger ermöglicht immer größere Speicherkapazitäten, eine immer schnellere Datenverarbeitung und immer höhere Datenraten bei der Übertragung. Sie findet jedoch spätestens dann eine physikalische Grenze, wenn der Träger der Information nur noch aus einem einzelnen Atom oder einem einzelnen Lichtquant („Photon“) besteht. Dann gelten nicht mehr die Gesetze der klassischen Physik, sondern die der Quantenmechanik. Weil Atome und Photonen Quantenteilchen sind, kann man in ihnen nicht nur klassische Bits, sondern auch Quantenzustände speichern und transportieren.

Im Unterschied zu klassischen Bits können Quantenbits (kurz „Qubits“) die Werte 0 und 1 gleichzeitig annehmen – sie befinden sich in einer kohärenten Überlagerung beider Zustände. Erst bei einer Messung des Quantenbits wird dieses auf einen der beiden Werte projiziert. Qubits sind sehr fragil und werden z. B. durch Beobachtung (Messung) verändert. Daher können sie auch nicht kopiert werden. Dies ist Herausforderung und Chance zugleich und hat weitreichende Konsequenzen für die Verarbeitung und Übertragung von Quanteninformation. So können mit einem Quantencomputer beispielsweise gewisse Probleme effizienter gelöst werden, als dies mit einem klassischen Computer je möglich sein wird.

Quantennetzwerke

Der im Alltag üblichen, reibungslosen Kommunikation liegen ausgeklügelte Netzwerke zugrunde, über die Daten weltweit mit Lichtgeschwindigkeit zwischen verschiedenen Knoten verteilt werden. Entsprechende Netzwerke für den Austausch von Quanteninformation stellen eine enorme konzeptionelle und technologische Herausforderung dar. Damit die zu übertragenden Quantenzustände nicht verfälscht werden oder gar verloren gehen, müssen die einzelnen quantenmechanischen Komponenten in einem Netzwerk perfekt kontrolliert werden. Durch die speziellen Eigenschaften der Quantenteilchen ergibt sich – neben ihrer Bedeutung für fundamental-physikalische Fragestellungen – aber auch eine Vielzahl neuartiger Anwendungen für Quantennetzwerke, z. B. im Bereich der abhörsicheren Datenübertragung (Quantenkryptographie), der Simulation komplexer physikalischer Vielteilchen-Systeme oder der Vernetzung mehrerer Quantencomputer zu einer Recheneinheit.

Wie also realisiert man ein skalierbares Quantennetzwerk? Ein erfolgversprechendes Konzept ist ein Netz aus Quantenspeichern, den stationären Netzwerkknoten, zwischen denen Quanteninformation mittels einzelner Photonen über weite Strecken reversibel ausgetauscht werden können (Abb. 1).

Ein-Atom-Quantenspeicher für einzelne Photonen

In einen solchen optischen Quantenspeicher muss ein photonisches Qubit eingeschrieben, für eine gewisse Zeit gespeichert und möglichst unverfälscht wieder ausgelesen werden können. Ideal ist der Austausch der Quanteninformation direkt zwischen einzelnen Quantenteilchen, also einzelnen Photonen und einzelnen Atomen, da sich diese gezielt adressieren und manipulieren lassen. Ein Qubit lässt sich in der Polarisation eines einzelnen Photons kodieren, genauer gesagt in einer kohärenten Überlagerung aus zwei Polarisationszuständen, z. B. rechts- und linkszirkularer Polarisation. Die Anteile und Relativphase dieser beiden Polarisationszustände müssen beim Speicherprozess auf eine kohärente Überlagerung zweier Energieniveaus des Atoms übertragen werden, um das photonische Qubit im Atom zu speichern [1].

Im Experiment besteht die erste zu meisternde Herausforderung darin, ein einzelnes Rubidiumatom für längere Zeit festzuhalten. Dies gelingt mithilfe von Laserlicht in einer sogenannten optischen Pinzette [2]. Der Ort des Atoms kann so auf Mikrometer genau kontrolliert werden [3]. Eine effiziente und zuverlässige Übertragung der Quanteninformation zwischen Atom und Photon setzt eine viel stärkere Wechselwirkung voraus, als für einzelne Atome und einzelne Photonen im freien Raum realisierbar ist. Eine Erhöhung der Wechselwirkung kann mit einem optischen Resonator erreicht werden [4,5]. Dieser besteht aus zwei hochreflektierenden Spiegeln, zwischen denen das elektrische Feld des einzelnen Photons überhöht wird. Dies kann man sich vereinfacht so vorstellen, dass das Photon einige zehntausend Mal zwischen den beiden Spiegeln hin- und herläuft und jedes Mal am Atom vorbeikommt. So wird starke Atom-Photon-Wechselwirkung erreicht und es gelingt mithilfe eines Steuerlasers, die Information des Photons auf das Atom zu übertragen [1] (Abb. 2).

Beim umgekehrten Prozess, der Übertragung der Quanteninformation vom Atom auf ein einzelnes Photon, muss dieses Photon mit den richtigen Polarisationseigenschaften zunächst erzeugt werden. Auch hierzu wird ein Steuerlaser verwendet [6,7]. Der Resonator definiert dabei die Emissionsrichtung des Photons, sodass dieses in eine Glasfaser eingekoppelt und in dieser gezielt zu einem andern Netzwerkknoten transportiert werden kann. Der Einzelatom-Quantenspeicher reproduziert das ursprüngliche Lichtquant mit diesem Verfahren weit besser, als es mit klassischen Messverfahren je möglich wäre. Die Quanteninformation kann trotz ihrer Fragilität fast 200 Mikrosekunden lang gespeichert werden. Das übertrifft alle bisher mit optischen Quantenspeichern erreichten Werte.

Ein elementares Quantennetzwerk

Auf Basis zweier dieser Quantenspeicher wurde ein erstes, elementares Quantennetzwerk verwirklicht, zwischen dessen Knoten über den kohärenten Austausch einzelner Photonen Quanteninformation übertragen wird [8]. Dazu wurden zwei Atom-Resonator-Systeme, die jeweils einen Netzwerkknoten bilden und sich in zwei 21 Meter voneinander entfernten Laborräumen befinden, über eine 60 Meter lange Glasfaser verbunden (Abb. 3).

Die Übertragung des Quantenzustandes gelingt, indem Knoten A ein einzelnes Photon erzeugt und dabei den Quantenzustand des Atoms auf das Photon überträgt. Über die Glasfaser gelangt das Photon zu Knoten B, wo es von dem dortigen Einzelatom kohärent absorbiert wird. Danach ist A bereit, ein Qubit zu empfangen, während B in der Lage ist, das gespeicherte Qubit zu beliebiger Zeit zurück oder an einen weiteren Knoten zu schicken. Aufgrund dieses symmetrischen und umkehrbaren Verhaltens lässt sich das System zu beliebigen Netzwerkkonfigurationen mit vielen Atom-Resonator-Knoten erweitern. Der Nachweis des erfolgreichen Transfers des Quantenzustandes erfolgt durch Übertragung des Zustandes von Atom B auf die leicht messbare Polarisation eines weiteren Photons. Alternativ könnte der Zustand des Atoms im Prinzip auch direkt gemessen werden [9].

In einem weiteren Schritt konnte zwischen den zwei weit voneinander entfernten Quantenknoten eine quantenmechanische „Verschränkung“ erzeugt werden. Dieser höchst eigentümliche Zustand verknüpft zwei Quantenobjekte in der Art, dass ihre Eigenschaften eng und nicht-trivial korreliert sind, unabhängig von der Distanz zwischen ihnen. Dieses vor fast achtzig Jahren vorhergesagte Phänomen hat Albert Einstein (der daran nicht glauben mochte) als „geisterhafte Fernwirkung“ bezeichnet. Die Produktion eines Photons in Knoten A erfolgt jetzt so, dass sein Polarisationszustand mit dem Quantenzustand des emittierenden Atoms verschränkt ist [6,7]. Diese Verschränkung überträgt sich bei der Absorption auf Atom B. Nie zuvor wurde Verschränkung zwischen massiven Quantenobjekten über eine so große Entfernung erzielt. Die Verschränkung zwischen beiden Knoten kann über einen Zeitraum von 100 Mikrosekunden aufrecht erhalten werden, das ist rund 100 Mal länger, als für die Erzeugung der Verschränkung gebraucht wird [8].

Verschränkung wurde auch in einem hybriden System erreicht, in dem einer der beiden Einzelatom-Resonator-Netzwerkknoten durch ein ultrakaltes atomares Gas, ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat, ersetzt wurde [10]. In dem Gas wird die Quanteninformation als kollektive Anregung gespeichert.

Ausblick

Der hier beschriebene Ansatz für die Realisierung eines Quantennetzwerkes, demonstriert an einem Prototypen aus zwei Netzwerkknoten, ist auch deshalb so erfolgversprechend, weil er aufgrund der universellen Eigenschaften der hier demonstrierten Netzwerkkomponenten klare Perspektiven für seine Erweiterbarkeit bietet. Das Potenzial dieses elementaren Netzwerkes hinsichtlich Effizienz, Qualität des Zustandstransfers, Speicherzeit, Anzahl der Knoten, etc. ist noch groß. Auch gibt es Vorschläge, wie mit Atom-Resonator-Systemen Quantengatter realisiert werden könnten, wie sie für die Verarbeitung von Quanteninformation und damit für die Realisierung eines Quantencomputers benötigt werden. Die Verschränkung zweier Systeme über große Distanzen ist schon für sich genommen ein faszinierendes quantenmechanisches Phänomen. Sie kann aber im Prinzip auch als Ressource für einen Quantenrepeater genutzt werden. In Kombination mit der Quantenteleportation sollte dies nicht nur die Quantenkommunikation über sehr große Entfernungen ermöglichen, sondern vielleicht sogar ein ganzes Quanten-Internet.

Literaturhinweise

Specht, H. P.; Nölleke, C.; Reiserer, A.; Uphoff, M.; Figueroa, E.; Ritter, S.; Rempe, G.
A single-atom quantum memory
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A single-photon server with just one atom
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Nußmann, S.; Hijlkema, M.; Weber, B.; Rohde, F.; Rempe, G.; Kuhn, A.
Sub-micron positioning of single atoms in micro cavities
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Cirac, J. I.; Zoller, P.; Kimble, H. J.; Mabuchi, H.
Quantum state transfer and entanglement distribution among distant nodes in a quantum network
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Deterministic single-photon source for distributed quantum networking
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Wilk, T.; Webster, S. C.; Kuhn, A.; Rempe, G.
Single-atom single-photon quantum interface
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Weber, B.; Specht, H. P.; Müller, T.; Bochmann, J.; Mücke, M.; Moehring, D. L.; Rempe, G.
Photon-photon entanglement with a single trapped atom
Physical Review Letters 102, 030501 (2009)
Ritter, S.; Nölleke, C.; Hahn, C.; Reiserer, A.; Neuzner, A.; Uphoff, M.; Mücke, M.; Figueroa, E.; Bochmann, J.; Rempe, G.
An elementary quantum network of single atoms in optical cavities
Nature 484, 195–200 (2012)
Bochmann, J.; Mücke, M.; Guhl, C.; Ritter, S.; Rempe, G.; Moehring, D. L.
Lossless state detection of single neutral atoms
Physical Review Letters 104, 203601 (2010)
Lettner, M.; Mücke, M.; Riedl, S.; Vo, C.; Hahn, C.; Baur, S.; Bochmann, J.; Ritter, S.; Dürr, S.; Rempe, G.
Remote entanglement between a single atom and a Bose-Einstein condensate
Physical Review Letters 106, 210503 (2011)
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