Forschungsbericht 2012 - Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Standort Stuttgart

Klein aber schlau

Being small, being smart

Autoren
Liu, Na
Abteilungen
Forschungsgruppe "Intelligente Nanoplasmonik in der Biologie und Chemie"
Zusammenfassung
Metallische Nanostrukturen zeigen plasmonische Resonanzen, die mit einer räumlich extrem kleinen Lichtmode auf der Subwellenlängenskala einhergehen. Im Fall einer einzigen Metallnanostruktur kann das Lichtfeld auf nur wenige Hundert nm³ konzentriert sein. Wir nutzen diesen plasmonischen Fokussiereffekt, um Wasserstoff auf der Einzelpartikel-Skala zu detektieren. Im Gegensatz zu Plasmonensensoren, die Ensembles von Nanopartikeln nutzen, verhindert dies inhomogene Verbreiterung und statistische Effekte. In Zukunft lassen sich so ultimativ katalytische Einzelprozesse in Nanoreaktoren beobachten.
Summary
Metallic nanostructures feature plasmonic resonances which spatially confine light on the nanometer scale. In the ultimate limit of a single nanostructure, the electromagnetic field can be strongly concentrated in a volume of only a few hundred nm3 or less. We utilize such plasmonic focusing for hydrogen detection at the single particle level, which avoids any inhomogeneous broadening and statistical effects that would occur in sensors based on nanoparticle ensembles. This concept paves the road towards the observation of single catalytic processes in nanoreactors.

Der Mensch und Wasserstoff

Wasserstoff ist das älteste chemische Element im Universum. Etwa 400.000 Jahre nach der Entstehung des Universums beim Urknall formte sich Wasserstoff als erstes chemisches Element. Wasserstoff ist auch das häufigste chemische Element im Universum und stellt 75% der gesamten Masse des Sonnensystems.

Wasserstoff ist zwar das häufigste chemische Element im Universum, kommt jedoch unter den Bedingungen, die auf der Erde herrschen, nicht als atomarer Wasserstoff (H) vor. Stattdessen liegt Wasserstoff als Molekül H2 vor, einem farb- und geruchlosen Gas. Zusätzlich liegt der irdische Wasserstoff überwiegend gebunden und nur selten in reiner Form als Gas vor. Wasserstoff ist in Form verschiedenster Verbindungen für die Menschheit von großer Bedeutung: er reagiert mit Sauerstoff zu Wasser und mit Kohlenstoff zu Kohlenwasserstoffen, welche in der Natur in fossilen Stoffen wie Erdöl, Erdgas und in Kohle vorkommen.

Entdeckt wurde Wasserstoff durch Henry Cavendish, als er mit Metallen und Säuren experimentierte. Das dabei entstandene brennbare Gas nannte er inflammable air (entzündbare Luft). Dieses Gas, der zweiatomige Wasserstoff, hat noch eine weitere Eigenschaft: es ist das kleinste und leichteste Molekül im Universum. Genau diese Eigenschaft nutzte 1783 Alexandre Cesar Charles, als er in einem mit Wasserstoff gefüllten Seidenballon erstmals den uralten Menschheitstraum vom Fliegen erfüllte.

Im 21. Jahrhundert, als Folge des ständig wachsenden Energieverbrauchs der Menschen, hat Wasserstoff große Aufmerksamkeit als möglicher Energiespeicher erlangt, zum Beispiel um die Produktionsschwankungen regenerativer Energiequellen auszugleichen. Die Verbrennung traditioneller, fossiler Brennstoffe ist verbunden mit der Entstehung von Kohlendioxid, welches zur Erderwärmung beiträgt. Dieses Thema ruft zunehmend gesellschaftliche Bedenken hervor [1]. Im Gegensatz dazu ist die Verbrennung reinen Wasserstoffgases praktisch emissionsfrei. Diese Tatsache macht Wasserstoff als sauberen Energiespeicher sehr attraktiv.  Wasserstoff hat das Potential, als grüner Energieträger der Zukunft große Bedeutung zu erlangen.

Die sichere Lagerung und Sensorik von Wasserstoff

Die Perspektiven für die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger der Zukunft sind sehr vielversprechend.

So kam es dazu, dass 2009 neun Automobilkonzerne eine gemeinsame Absichtserklärung unterzeichneten, um  die Entwicklung der Brennstoffzelle in einer gemeinsamen Allianz mit Energieversorgern zu forcieren und bis 2015 Brennstoffzellen-Autos auf den Markt zu bringen. Anschließend erklärten mehrere Wasserstofferzeuger und Energieversorger ihre Absicht, den Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur für die Wasserstoffversorgung in Deutschland voranzutreiben.

Dennoch sind noch zahlreiche Hindernisse auf dem Weg zur flächendeckenden Nutzung von Brennstoffzellen-Autos und zu einer auf Wasserstoff basierenden Energiewirtschaft zu überwinden.

Die erste Hürde ist die sichere und effiziente Lagerung von Wasserstoff. Zu den Möglichkeiten der Wasserstoff-Speicherung gehören die Flüssigwasserstoff-Speicherung in extrem kalten Kryo-Speichern sowie die Druckgas-Wasserstoffspeicherung. Um mit Wasserstoff als Energiespeicher in Fahrzeugen eine geeignete Reichweite zu erlangen, muss eine hohe Energiedichte auf möglichst kleinem Raum erzielt werden. Entsprechend muss ein Wasserstoffspeicher sehr robust und ausreichend groß sein. Diese Anforderungen sind jedoch schwer mit aktuellen Autodesign-Trends zu vereinbaren. Außerdem benötigt ein mit Wasserstoff betriebenes Fahrzeug sehr empfindliche Wasserstoffsensoren, da Wasserstoff/Luft-Gemische mit mehr als 4% Wasserstoffgehalt explosiv sind.

In den letzten Jahren hat die Forschung zur sicheren Wasserstoff-Lagerung bei Nutzung von Metallhydriden stark zugenommen. Insbesondere Palladium (Pd) hat sich als vielversprechend erwiesen. Palladium, das 46. Element im Periodensystem, ist ein silbrig weißes Metall. Eine einzigartige Eigenschaft von Palladium ist seine Fähigkeit, bei Raumtemperatur und atmosphärischem Luftdruck bis zum 900-fachen Eigenvolumen Wasserstoff zu binden [2]. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit einem Schwamm, der Wasser aufsaugt. Man kann die Wasserstoffaufnahme als Adsorption des Gases auf der Oberfläche mit anschließendem Lösen von Wasserstoff im Metallgitter unter Bildung von Palladiumhydrid beschreiben. Beim Austritt kommt es zu einer Wiedervereinigung der Wasserstoffatome mit dem Ergebnis, dass molekularer Wasserstoff aus dem Metallgittergerüst austritt (siehe Abb. 1). Die elektrischen und dielektrischen Eigenschaften von Palladium werden durch die Aufnahme von Wasserstoff stark verändert. Dies wiederum ist die Grundlage für die elektrische und optische Wasserstoffmessung. Im Vergleich zu Sensoren die auf einer elektrischen Erfassungsmethode basieren, weisen optische Messmethoden einen entscheidenden Vorteil auf – eine Explosion durch überspringende Funken ist ausgeschlossen. Das ist gerade bei Wasserstoff von entscheidender Wichtigkeit, man erinnere sich an die Brandkatastrophe des mit Wasserstoff gefüllten Luftschiffs „Hindenburg“.

Intelligente Nanoplasmonik als entscheidender Helfer

Nanoplasmonik beschäftigt sich mit kleinsten elektromagnetischen Wellen, die von Metallpartikeln ausgehen, wenn diese mit Licht interagieren. Um elektromagnetischen Wellen innerhalb eines nanometerkleinen Volumens zu lokalisieren und zu manipulieren, werden nanostrukturierte Metalle benötigt. Die optischen Eigenschaften von Metallpartikeln üben schon seit langer Zeit eine Faszination auf den Menschen aus. Sobald Licht mit einem metallenen Nanopartikel wechselwirkt, können Elektronen in kollektive, kohärente Schwingungen relativ zum Ionengitter versetzt werden. Diese Elementaranregung wird im Allgemeinen als Partikelplasmon bezeichnet und dominiert die optischen Eigenschaften im sichtbaren Spektralbereich. Abhängig ist die Resonanzfrequenz eines metallischen Nanopartikels insbesondere von der Materialzusammensetzung, dem dielektrischen Umfeld und der Größe des Nanopartikels.

Eine Besonderheit von Palladium-Nanopartikeln ist ihre sehr schnelle Absorptionskinetik für Wasserstoff. Dies liegt an den sehr kurzen Diffusionsstrecken innerhalb des Nanopartikels im Vergleich zu einer größeren Metallstruktur. Bedingt durch Interbandübergänge im sichtbaren Spektralbereich besitzen Pd-Nanopartikel ungünstigerweise plasmonische Resonanzen mit einem sehr breiten Spektralprofil. Dies steht einer direkten optischen Wasserstoffbestimmung unter Einsatz von Pd-Nanopartikeln im Wege. Goldpartikel andererseits interagieren stark mit Licht und zeigen scharfe und deutliche Resonanzen im sichtbaren Spektrum.

Goldnanopartikel eignen sich somit zur Messung der Wasserstoffaufnahme und –abgabe in Pd-Nanopartikeln. Diese optische Methode zur Wasserstoffbestimmung wird allgemein als indirekte Sensorik (indirect sensing) bezeichnet [3].

Abbildung 2 zeigt eine schematische Zeichnung der Vorgänge bei der indirekten Wasserstoffmessung. Ein einzelnes Pd-Nanopartikel wird im Nanofokus einer Nanoantenne aus Gold platziert [4]. Durch eine Verstärkung des elektrischen Nahfelds der Goldpartikel-Plasmonen können die Plasmonen Veränderungen in der dielektrischen Funktion des sich in direkter Nachbarschaft befindenden Pd-Nanopartikels messen, während das Nanopartikel Wasserstoff aufnimmt oder abgibt. Hierbei gestreutes Licht wird mit einem Dunkelfeld-Mikroskop untersucht und mit einem Spektrometer analysiert. Die spektrale Verschiebung wird in Echtzeit bestimmt. Im Vergleich zur Antennen-Partikel-Kombination ist ein einzelnes Pd-Nanopartikel im Mikroskop kaum zu erkennen und liefert keine sinnvollen Spektral-Informationen.

Intelligenter Plasmonen-Staub als leistungsstarker Wasserstoffsensor

Die Senkung der Produktionskosten ist fast immer ein zentrales Anliegen für den Transfer von Technologien aus der Grundlagenforschung in die praktische Anwendung.

Sogenannte Bottom-up-Methoden bieten eine sehr effektive Produktionsmöglichkeit für Metallnanopartikel mit hoher Qualität bei geringen Kosten. Unsere Methode zur optischen Bestimmung der Wasserstoffaufnahme ist sehr kostengünstig und basiert auf synthetischen, umhüllten Goldnanopartikeln (siehe Abb. 3).

Verteilt man die Nanopartikel als sogenannten smart dust (intelligenter Staub) auf einzelne Reaktionsstandorte auf der Metalloberfläche, können die Nanopartikel Informationen über die lokal stattfindenden chemische Reaktionen in Form von optisch sichtbaren Spektraländerungen in Echtzeit übermitteln. Eine ultra-dünne SiO2-Hülle trennt dabei den Goldkern des smart dust von der zu untersuchenden Probe.

Der innere Goldkern des smart dust konzentriert starke elektromagnetische Nahfelder in einem Sub-Wellenlängen-Volumen in direkter Nähe zum Pd-Oberflächenfilm, an welchem die Aufnahme und Abgabe von Wasserstoff stattfindet. Gleichzeitig dient der Goldkern als plasmonische Probe, welche die lokalen chemischen Reaktionen, die als Folge der dielektrischen Verschiebungen des Pd bei wechselnden Wasserstoffkonzentration auftreten, misst [5].

Das Streuspektrum einzelner plasmonischer smart dust-Partikel wird in situ mithilfe der Dunkelfeldmikroskopie gemessen. Mit einer einzelnen plasmonischen Probe können wir Wasserstoffkonzentrationen bis hinunter zu 0,5% messen.

In einem weiterführenden Experiment können mehrere plasmonische smart dust-Partikel auf einzelne Reaktionsstandorte aufgebracht werden.  Die unterschiedlichen, lokal erzeugten chemischen Reaktionen können dann gleichzeitig gemessen und auf einer Übersichtskarte dargestellt werden.

Anwendungen in der Zukunft

Unsere indirekte Messmethode kann auf eine Vielzahl anderer Proben übertragen werden, die optisch inaktiv sind oder deren Plasmon stark gedämpft ist. Die Möglichkeit, unter kontrollierten Bedingungen anhand optischer Untersuchungen einzelner Partikel Rückschlüsse auf chemische Reaktionen und katalytische Aktivität in einem Nanoreaktor zu schließen, hat große Auswirkungen auf die Forschung in diesem Bereich. Der große Vorteil der plasmonisch verstärkten Sensorik chemischer Reaktionen ist, dass sie nicht-invasiv ist und zugleich gut übertragbar auf eine Vielfalt an physikalischen und biochemischen Materialien. Sie kann genutzt werden, um die Reaktion verschiedener Gase und Metalle zu untersuchen. Beispiele hierfür sind die Detektion von CO und NOx  mit Platin, Ruthenium und anderen anorganischen Katalysatoren, die Bestimmung der CO-Adsorption mithilfe von metallorganischen Gerüsten, und die Detektion anderer Gase unter Verwendung entsprechender Analyten im Nanofokus. Die hier vorgestellte Apparatur ist zudem biokompatibel und kann in wässriger Umgebung betrieben werden.

Die methodische Erweiterung des indirect plasmonic sensing auf die Messung weiterer chemischer Vorgänge ist eine spannende Herausforderung für die Zukunft.

Literaturhinweise

Schavan, A.
Germany's energy research plan
Science 330, 295 (2010)
Langhammer, C.; Zoric, I.; Kasemo, B.; Clemens, B. M.
Hydrogen storage in Pd nanodisks characterized with a novel nanoplasmonic sensing scheme
Nano Letters 7, 3122-3127 (2007)
Larsson, E. M.; Langhammer, C.; Zoric, I.; Kasemo, B.
Nanoplasmonic probes of catalytic reactions
Science 326, 1091-1094 (2009)
Liu, N.; Tang, M. L.; Hentschel, M.; Giessen, H.; Alivisatos, A. P.
Nanoantenna-enhanced gas sensing in a single tailored nanofocus
Nature Materials 10, 631-636 (2011)
Tittl, A.; Yin, X.; Giessen, H.; Tian, X.-D.; Tian, Z.-Q.; Kremers, C.; Chigrin, D. N.; Liu, N.
Plasmonic smart dust for probing local chemical reactions
Nano Letters (ePub ahead of print, DOI: 10.1021/nl4005089)
Zur Redakteursansicht