Forschungsbericht 2012 - Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie

Isotope gelöster Spurenelemente: Anzeiger biogeochemischer und physikalischer Prozesse im Meer

Autoren
Pahnke, Katharina; Basak, Chandranath
Abteilungen
Max-Planck-Forschungsgruppe für Marine Isotopengeochemie
Zusammenfassung
Mikrobiologische und biogeochemische Prozesse im Meer sind von wesentlicher Bedeutung für marine Ökosysteme und das Klima der Erde. Ein detailliertes Verständnis aller Einflussfaktoren, einschließlich des Eintrags und Transports von Spurenelementen, ist daher von großem Interesse für die Meeres- und Klimawissenschaften. Die Max-Planck Forschungsgruppe für Marine Isotopengeochemie hat sich zum Ziel gesetzt, mithilfe der Isotope von Spurenelementen einen Beitrag zum verbesserten Verständnis der Rolle geochemischer Kreisläufe für marine Ökosysteme und das globale Klimageschehen zu liefern.

Spurenelemente und Isotope im Meer

Marine Organismen stehen in enger Wechselwirkung mit dem Nährstoffkreislauf der Ozeane und meeresphysikalischen Prozessen wie Meeresströmungen und Sedimentation. Während die von ihnen gebildete Biomasse am Meeresboden abgelagert und remineralisiert wird, transportiert die Ozeanzirkulation Nährstoffe und Spurenelemente über weite Distanzen und versorgt auf diese Weise Regionen, die sonst biologische Wüsten wären. Diese aktiven Stoffflüsse zwischen der biotischen und abiotischen Welt sind maßgeblich für die Biogeochemie der Meere, und ihre Charakterisierung und Quantifizierung ist wichtig für unser Verständnis der marinen Ökosysteme.

Im Meerwasser gelöste Spurenelemente und deren Isotope nehmen entscheidende Funktionen als Mikronährstoffe und (toxische) Kontaminanten ein und dienen als Anzeiger für biologisch relevante Stoffflüsse und biogeochemische und physikalische Prozesse im Meer. Die Isotopenverhältnisse des Elementes Neodym (143Nd/144Nd) bieten dabei besondere Vorteile als Indikatoren, da sie eindeutige Rückschlüsse auf die Quelle der ins Meer eingetragenen Spurenelemente und deren Transportwege in der globalen Ozeanzirkulation erlauben. Zudem werden sie in biogene und anorganische Minerale eingebunden, die im Meer abgeschieden werden und überliefern so die isotopische Zusammensetzung des Meerwassers und somit physikalischer Änderungen in der Vergangenheit.

Durch die Entwicklung hochauflösender Massenspektrometer mit multiplen Detektoren ist es inzwischen möglich, sehr kleine Änderungen in den Isotopenverhältnissen von Spurenelementen (für Neodym Isotope in der fünften Dezimalstelle) auch in Proben mit geringer Konzentration wie zum Beispiel in wenigen Litern Meerwasser (1 bis 3 x 10-9 g pro kg) zu messen. Durch diesen Fortschritt hat sich die Datenbasis der isotopischen Zusammensetzung von Meerwasser stark vergrößert und unser Verständnis der Prozesse, die die Verteilung von Isotopen im Ozean bestimmen, deutlich verbessert. Dennoch gibt es noch immer weite Bereiche im Weltmeer, von denen bisher jegliche Isotopenmessungen fehlen, wie zum Beispiel dem Südpazifik und insbesondere dem pazifischen Sektor des Südozeans.

Neodym-Isotope: Ein vielseitiger Anzeiger für Änderungen und Prozesse im Meer

Ein besonders nützliches Spurenelement-Isotop ist das radiogene Neodym mit der Masse 143 (143Nd), dessen Häufigkeit relativ zum stabilen Isotop 144Nd ein einzigartiger Anzeiger (Tracer) in der chemischen Ozeanographie und Paläozeanographie ist [1, 2]. Seine Verwendung beruht auf den unterschiedlichen Neodym-Isotopenverhältnissen (143Nd/144Nd, ausgedrückt in εNd-Notation) der Erdkruste, die abhängig von der Lithologie und dem Alter der Gesteine sind. Die eindeutige geographische Verteilung von Nd Isotopenverhältnissen in der Erdkruste, die durch Verwitterung auch dem angrenzenden Meerwasser aufgeprägt werden, ermöglicht es, Rückschlüsse auf die Herkunft von Staub, Flussfracht und Wassermassen zu ziehen. Die hohe atomare Masse der Isotope verhindert zudem eine Massenfraktionierung durch biologische oder chemische Prozesse im Meerwasser. Das heißt, die Isotopenverhältnisse werden nicht durch Prozesse wie beispielsweise Photosynthese, Verdunstung von Wasser oder Einbau von Nd in biogene oder anorganische Minerale verändert. Somit bleibt der ursprüngliche Fingerabdruck des Herkunftsgebietes erhalten und kann Hinweise auf die Quelle des Materials und seiner Transportwege im Ozean heute und in der Vergangenheit liefern.

Informationen dieser Art sind unerlässlich für die Charakterisierung der Stoffeinträge und -transporte im Ozean sowie der globalen Ozeanzirkulation heute und im Laufe vergangener Klimaänderungen. Sie tragen damit entscheidend zum Verständnis der Rolle des Ozeans im Klimageschehen der Erde bei.

Isotopischer Fingerabdruck von südpazifischem Bodenwasser

Ein konkretes Beispiel für die Rückverfolgung der Stoffflüsse anhand der Isotopensignatur sind kürzlich durchgeführte Messungen im pazifischen Sektor des Südpolarmeeres, einem bisher weißen Fleck auf der Landkarte der Meerwasser Nd-Isotopenverteilung. Dort liegt im Rossmeer eines der Hauptbildungsgebiete von Antarktischem Bodenwasser (AABW). Als dichteste und kälteste Wassermasse der Weltmeere wird das AABW von Süden aus in alle Ozeane transportiert und nimmt dort die tiefsten Bereiche der Ozeanbecken ein. Es bildet zusammen mit dem Antarktischen Zwischenwasser den Gegenpol zur Bildung von Tiefenwasser im Nordatlantik, von dem bekannt ist, dass es im Laufe vergangener Klimaschwankungen starken Fluktuationen unterlegen war und dem daher eine Schlüsselrolle im Klimageschehen der Erde beigemessen wird. Die Rolle der übrigen in der globalen Umwälzzirkulation des Ozeans eingebundenen Wassermassen (unter anderem des AABW) ist derzeit aufgrund unzureichender Archive im Südpolarmeer, der Unzugänglichkeit des Gebietes und mangels eindeutiger Indikatoren für AABW-Änderungen im Südpolarmeer nicht im Detail bekannt. So fehlen zum Beispiel Informationen dazu, ob AABW zu Zeiten reduzierter Bildung von Tiefenwasser im Nordatlantik verstärkt gebildet wurde und in den Norden vorgedrungen ist, oder ob es lediglich den vom Nordatlantischen Tiefenwasser freigemachten Raum eingenommen hat. Diese Information ist entscheidend, um die Wechselwirkungen zwischen Klimaänderungen und Ozeanzirkulation besser bewerten und einschätzen zu können.

Während der Expedition ANTXXVI-2 auf dem Forschungsschiff Polarstern (Fahrtleiter: Rainer Gersonde, Alfred-Wegener Institut Bremerhaven) wurden entlang der Ost-West Fahrtroute Wasser- und Sedimentproben gewonnen. Erste parallele Nd-Isotopenmessungen an Meerwasser und fossilen Sedimenten aus dem Südpazifik liefern hier einen neuen Ansatz. Die Analysen des Meerwassers haben erstmalig gezeigt, dass AABW aus dem Rossmeer eine eindeutige Isotopensignatur trägt, die sich entlang seines Transportweges in den Südostpazifik verfolgen lässt (Abb. 1). Grundlage hierfür bildet die Nd-Isotopensignatur der Sedimente im Rossmeer, die sich deutlich von der anderer Landmassen im Südpazifik unterscheidet. Diese Nd-Isotopenwerte konnten jetzt im AABW im Südpazifik nachgewiesen werden. Das heißt, im Rossmeer, dem Bildungsgebiet des Bodenwassers, wird das Nd-Isotopenverhältnis der Gesteine und Sedimente dem Meerwasser aufgeprägt und vom AABW in den Südpazifik getragen, wo es sich messen und dem AABW aus dem Rossmeer zuordnen lässt. Dadurch kann das pazifische AABW von anderen, darüber liegenden Wassermassen unterschieden und sein Transportweg in den Südostpazifik verfolgt werden. Damit besitzen wir nun erstmalig einen quasi-konservativen Tracer für die Zirkulation von AABW im Südozean. Außerdem zeigen diese Daten, dass die Antarktis einen deutlichen Einfluss auf das 143Nd/144Nd-Verhältnis von südpolarem Meerwasser hat. Dies ist besonders in Gebieten wie dem Rossmeer für das globale marine Nd-Budget und die Verteilung von Nd-Isotopen von Bedeutung, da sie durch die Bildung von Wassermassen einen direkten Einfluss auf den globalen Ozean haben.

Da die Nd-Isotopenverhältnisse in fossilen Kalkschalen mariner Einzeller, der Foraminiferen, in Fischzähnen und in authigenen Eisen-Manganoxiden die Signatur des Bodenwassers in der Vergangenheit überliefern, ist der nächste Schritt, mithilfe dieses AABW-Fingerabdrucks die Zirkulationsgeschichte des Bodenwassers im Südpazifik während der letzten Eis- und Warmzeiten zu rekonstruieren. Erste Zeitserien aus unterschiedlichen Wassertiefen zeigen, dass vor allem während des Endes der letzten Eiszeit, im Übergang zur heutigen Warmzeit, der Einstrom von AABW in den Südostpazifik geringer als heute war und im Gegenzug mehr altes Tiefenwasser aus dem Nordpazifik in das Südpolarmeer geflossen ist. Diese Daten liefern einen ersten Beweis für starke Umwälzungen in der Tiefenzirkulation des Südpazifiks im Zusammenspiel mit globalen Klimaänderungen. Derartige Änderungen in der Tiefen- und Bodenwasserzirkulation im Pazifik haben Konsequenzen für den Austausch von altem, im Bodenwasser des eiszeitlichen Ozeans angereichertem Kohlendioxid [4] mit der Atmosphäre sowie die Umverteilung von Nährstoffen. Neodym-Isotope können somit einen wichtigen Beitrag zur Charakterisierung physikalischer Prozesse wie der Ozeanzirkulation und dessen Wechselwirkungen mit der biotischen Welt und dem Erdklima leisten.

Literaturhinweise

Lacan, F.; Jeandel, C.
Tracing Papua New Guinea imprint on the central Equatorial Pacific Ocean using neodymium isotopic compositions and Rare Earth Element patterns
Earth and Planetary Science Letters 186, 497-512 (2001)
Pahnke, K.; Goldstein, S. L.; Hemming, S. R.
Abrupt changes in Antarctic Intermediate Water circulation over the past 25,000 years
Nature Geoscience 1, 870-874 (2008)
Schlitzer, R.
Ocean DataView
http://odv.awi.de
Marchitto, T.; Lehman, S. J.; Ortiz, J.; Flueckiger, J.; van Geen, A.
Marine radiocarbon evidence for the mechanism of deglacial atmospheric CO2 rise
Science 316, 1456-1459 (2007)
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