Forschungsbericht 2012 - Max-Planck-Institut für Meteorologie
Biogeochemie des Ozeans im Rahmen von Klima-Engineering
Ocean biogeochemistry in the framework of climate engineering
Biogeochemie des Ozeans
Der Ozean enthält Stoffe wie Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Phosphor, die durch eine Reihe von physikalischen, biologischen, chemischen und geologischen Prozessen die Zusammensetzung des Meerwassers bestimmen und das Klima der Erde beeinflussen. Das Fachgebiet Ozean-Biogeochemie untersucht die Kreisläufe dieser Stoffe und ihren Austausch mit anderen Teilbereichen des Erdsystems. Insbesondere der Kohlenstoffkreislauf hat in den letzten Jahrzehnten wegen des erhöhten Treibhauseffekts von CO2 in der Atmosphäre eine besondere wissenschaftliche Aufmerksamkeit erlangt (z. B. [1]). Der Ozean tauscht CO2 mit der Atmosphäre aus, und zusammen mit den terrestrischen Ökosystemen fungiert er bei einer steigenden CO2-Konzentration in der Atmosphäre über längere Zeiträume als wichtigste CO2-Senke. Auf kurzen Zeitskalen wird CO2 zusammen mit den Nährstoffen Phosphor und Stickstoff von den Pflanzen (Phytoplankton) an der ozeanischen Oberfläche fixiert und in den tiefen Ozean transportiert. Die gesamte im Ozean gelöste Menge an Kohlenstoff ist ca. 50-mal größer als der atmosphärische Kohlenstoff-Gehalt und ca. 20-mal größer als der an Land gespeicherte Kohlenstoff.
Heutige und zukünftige Veränderungen
Das Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) betreibt seit vielen Jahren ein globales Erdsystem-Modell (MPI-ESM). Den physikalischen Kern des Modells bilden allgemeine Zirkulationsmodelle der Atmosphäre und des Ozeans. Diese Modelle liefern die Strömungsmuster für die ozeanische biogeochemische Modellkomponente HAMOCC, die Ökosystem-Prozesse sowie die anorganische und organische Kohlenstoffchemie in der Wassersäule und in oberen Sedimentschichten simuliert [2, 3]. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) hat das MPI-M mit seinem MPI-ESM an Konsortialrechnungen im Rahmen des internationalen Modellvergleichsprojekts CMIP5 (Coupled Model Intercomparison Project Phase 5) sowie für das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) teilgenommen.
Die Ergebnisse aus diesen CMIP5-Simulationen prognostizieren eine Erwärmung des Ozeans von bis zu vier Grad bis zum Ende des 21. Jahrhunderts durch zunehmende Emissionen von anthropogenem CO2. Parallel dazu nimmt der CO2-Gehalt im Ozean zu (Abb. 1). Die Erwärmung des Ozeans führt dazu, dass die Wassersäule stabiler geschichtet ist und der vertikale Austausch verlangsamt wird. Dadurch nimmt die Konzentration gelöster Nährstoffe an der Oberfläche ab, und als Folge reduziert sich die Produktion von organischem Material um bis zu 30% (Abb. 1). Dies deutet auf fundamentale Veränderungen für die Nährstoffverteilung und den Kohlenstoffkreislauf im Ozean hin.
CO2 reagiert mit Meerwasser, und die Aufnahme von atmosphärischem CO2 durch den Ozean führt dazu, dass das Meerwasser mehr Kohlensäure bildet und mehr Wasserstoff-Ionen freisetzt. Dadurch wird der pH-Wert reduziert (Abb. 1), man spricht von Ozeanversauerung. Das Oberflächenwasser des Ozeans bietet seit ca. 2 Millionen Jahren einen Lebensraum mit nahezu konstanten chemischen Bedingungen bei einem mittlerem pH-Wert von ca. 8,2 ± 0,1 (z. B. [4]). Auch die Fähigkeit des Meerwassers, Säuren zu binden (Gesamtalkalinität – Total Alcalinity – TA), blieb in dieser Zeit nahezu konstant [5]. Durch die Aufnahme von anthropogenem CO2 durch den Ozean hat der pH-Wert an der Meeresoberfläche bereits um mehr als 0,1 abgenommen. Eine weitere Abnahme von bis zu 0,4 wird für das Ende dieses Jahrhunderts projiziert.
Die Ozeanversauerung verringert auch die Karbonatkonzentration im Meerwasser. Karbonat wird zur Kalkbildung benötigt und damit für die Produktion und das Wachstum von Kalkschalen und Kalkskeletten. Der Sättigungsgrad von Karbonat (Ω) zeigt, dass der heutige Ozean im Oberflächenwasser eine hohe Konzentration von Karbonat hat (Übersättigung, Ω>1; Abb. 2). Bei niedrigen Ω- (und pH-) Werten sind weniger Karbonat-Ionen verfügbar, sodass sich weniger oder gar kein Kalk bildet. Bei Untersättigung (Ω<1) löst sich Kalk sogar auf.
Noch werden nicht alle Auswirkungen dieser schnellen Veränderungen in der Meerwasserchemie und der Temperatur im Detail verstanden, aber diverse negative Auswirkungen sind zu erwarten: auf die marinen Ökosysteme, die Nahrungskette und die Artenvielfalt, sowie Veränderungen in der Fortpflanzung und Physiologie in einigen marinen Organismen. Einige dieser Auswirkungen sind schon beobachtet worden (z. B. [4]).
Erhöhung der Alkalinität des Ozeans durch „Klima-Engineering“
Über Zehntausende bis hin zu Hunderttausenden von Jahren wird das anthropogene CO2 durch natürliche Bewitterung neutralisiert – ein Prozess der effizienten CO2-Entfernung und damit eine wesentliche CO2-Senke. Eine Methode des Klima-Engineering ist es, diesen Prozess künstlich zu beschleunigen und damit CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. In diesem Verfahren werden große Mengen von Karbonat oder Silikat verarbeitet, geschliffen und auf Land ausgebreitet oder im Meerwasser gelöst [6, 7]. Die sogenannte Artificial Ocean Alkalinization (AOA) beschäftigt sich mit der Umsetzung von Kalziumkarbonat mit CO2 oder mit der Herstellung starker Basen (z. B. Kalziumhydroxid) mit anschließender Freisetzung der resultierenden gelösten Stoffe an der Meeresoberfläche [8, 9]. Diese Verfahren führen zu einer Erhöhung der ozeanischen TA und verändern die Karbonatchemie, sodass die pH- und Ω-Werte sowie die Fähigkeit des Meerwassers, atmosphärisches CO2 zu absorbieren und zu speichern, zunehmen.
Die verfügbare Literatur dokumentiert lediglich Laborversuche zu verschiedenen künstlichen Bewitterungs-Methoden, belegt sind aber weder die globale Wirksamkeit noch die globalen Umweltauswirkungen einer künstlichen Erhöhung der Alkalinität im Ozean. Daher sind Einschätzungen der möglichen großtechnischen Umsetzung nur auf der Grundlage von Modellstudien möglich.
Modellszenarien der Erhöhung ozeanischer Alkalinität
Unsere Gruppe hat mit dem Biogeochemie-Modell HAMOCC des MPI-M die künstliche Erhöhung der Alkalinität (AOA) auf ihre langfristige Wirksamkeit hin untersucht. Die Menge der Alkalinität, die dem Ozean hinzugefügt werden müsste, wurde auf die anthropogenen CO2-Emissionen im moderaten IPCC-Szenario A1B bezogen. Vom Jahr 2020 an wurde für jedes Mol emittierten CO2 der Ozeanoberfläche in einem festen Verhältnis Alkalinität zugeführt. Mehrere Szenarien wurden untersucht, das molare Verhältnis von Alkalinität zu CO2 betrug je nach Szenario 0,2:1 bis hin zu 2:1.
Die Modellergebnisse zeigen, dass das Hinzufügen von Alkalinität in relativ geringen Mengen, z. B. im Verhältnis 0,2:1 (TA:CO2), nur wenig Auswirkungen auf die atmosphärischen CO2- und ozeanischen pH-Werte hat (Abb. 3). Wenn dagegen die Alkalinität im Verhältnis 2:1 auf einer Fläche von ca. 47 Mio. km2 im Pazifischen und Atlantischen Ozean (ca. einem Siebtel des Ozeans) erhöht wird, lässt sich ein deutlicher Effekt erkennen: Das atmosphärische CO2 würde im Jahr 2100 bei unter 520 ppm liegen, anstelle von 840 ppm ohne AOA, und der global gemittelte Oberflächen-pH-Wert würde um weniger als 0,1 sinken, anstelle von 0,4 ohne AOA. Dieses Szenario würde jedoch eine Injizierung von etwa 2400 Billionen mol Alkalinität pro Jahr erfordern. Da die globale natürliche Verwitterung einen Eintrag von etwa 12 Billionen mol Alkalinität pro Jahr bewirkt, entspricht eine solche globale künstliche Erhöhung der Alkalinität einer Beschleunigung der natürlichen Verwitterung um das Zweihundertfache.
Unsere Ergebnisse zeigen weiterhin, dass das Hinzufügen von Alkalinität in großen Mengen die Verteilung von biogeochemischen Parametern erheblich stören würde (Abb. 2). Zum Beispiel würde die Gesamtalkalinität an der Oberfläche im 2:1-Szenario voraussichtlich auf über 5500 mol kg-1 in den Regionen steigen, in denen Alkalinität injiziert wird. Zudem würde die Kalzit-Sättigung (Ω) auf über 30 steigen und damit deutlich über dem natürlich vorkommenden Niveau liegen, welches im Bereich zwischen etwa 4 und 6 an der aktuellen Meeresoberfläche liegt. Die pH-Werte des Meerwassers würden an den Standorten der Alkalinität-Injektionen voraussichtlich bis auf 8,7 steigen. Es würde einige Zeit dauern, bis die Meeresströmungen die alkalisierten Wassermassen über ein größeres Volumen neu verteilen und somit die Alkalinität wieder verringern würden.
Zusammenfassend kann man sagen, dass nur Szenarien, in denen große Mengen an Alkalinität über große Meeresgebiete hinzugefügt wurden, das Potenzial haben, die ozeanische Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre zu erhöhen und eine weitere Versauerung der Ozeane im globalen Maßstab zu mindern. Solche Maßnahmen würden die biogeochemischen Parameter pH und Ω deutlich über die natürlichen Werte bringen und wären somit schädlich für Meereslebewesen. Aus unseren Ergebnissen lässt sich daher keine Alternative zur Reduktion der CO2-Emissionen ableiten, um den Klimawandel und die Versauerung der Ozeane zu begrenzen. Allerdings könnte man eine lokale Anwendung der Klima-Engineering-Methode AOA, z. B. in hochwertigen Ökosystemen, in Betracht ziehen, um dort die negativen Wirkungen der Ozeanversauerung zu mindern.