Heißes Eisen im All

Ein Präzisionsexperiment liefert Details zu den Röntgen-Emissionen hochgeladener Eisenionen und erhellt die Prozesse in Schwarzen Löchern sowie Supernovae

12. Dezember 2012

Ein 40 Jahre altes Rätsel der Astrophysik ist seiner Lösung einen Schritt näher. Es betrifft die Ränder Schwarzer Löcher, die Gashülle von Sternen, Supernova-Explosionen oder andere astrophysikalische Phänomene. In all diesen Objekten heizen sich Gase auf mehre Millionen Grad Celsius auf. Unter diesen extremen Bedingungen verlieren die Atome einen Großteil der sie umkreisenden Elektronen und werden zu mehrfach positiv geladenen Ionen. Ein solches heißes Plasma sendet eine starke Röntgenstrahlung aus, deren Messung bisher jedoch nicht im Einklang mit theoretischen astrophysikalischen Modellen steht. Zwar wissen Forscher, dass die Diskrepanz entweder von unzureichenden quantenmechanischen Beschreibungen der hochgeladenen Ionen oder von zu ungenauen Modellen der Kollisionen zwischen den Elektronen und den Ionen kommen, welche ständig in den ultraheißen Gasen stattfinden. Einer Gruppe des Max-Planck-Institutes für Kernphysik in Heidelberg ist es nun zusammen mit einem internationalen Forscherteam gelungen, letzteres auszuschließen. Dazu untersuchten sie hochgeladene Eisenionen in einem künstlichen Plasma erstmals mit einem Röntgenlaser und erhielten dadurch Einblicke, die bisher nicht möglich waren.

In den Plasmen astrophysikalischer Objekte, wie Gashüllen von Sternen, finden sich Ionen unterschiedlicher Elemente wie Eisen oder Sauerstoff. Jedes Element erzeugt charakteristische Röntgenstrahlung, so genannte Emissionslinien. Diese sind sozusagen der Röntgen-Fingerabdruck eines Elements. Die Gesamtheit aller Röntgen-Emissionen eines astrophysikalischen Objekts bildet dessen Röntgen-Spektrum, das von Satelliten im Erdorbit wie Chandra (NASA) oder XMM-Newton (ESA) erfasst wird. Modelle, die solche Röntgenspektren beschreiben, sind sehr wichtig für Astrophysiker. Denn sie tragen zur Erklärung wichtiger astrophysikalischer Vorgänge bei, wie etwa den Energietransport in einem Stern und damit zur errechneten Farbe, Größe oder Temperatur eines Sterns.

Besonders interessieren sich die Wissenschaftler in diesem Zusammenhang für das Element Eisen. Denn hochgeladenes Eisen erzeugt einige der hellsten Röntgen-Emissionslinien, die überhaupt von heißen astrophysikalischen Objekten ausgehen. Doch das Röntgen-Spektrum des Eisens, insbesondere das von 16-fach positiv geladenen Eisenionen (Fe16+), lässt sich mithilfe von theoretischen Modellen nur unbefriedigend erklären. Insbesondere die Intensität einer der stärksten Emissionslinien von Fe16+ schätzen diese verglichen mit derjenigen einer benachbarten Linie Modelle höher ein als sie beobachtet wird. „Mit unserem Experiment tragen wir nun dazu bei, die Kontroverse über die Ursachen für die mangelhafte Erklärungskraft der Modelle zu beenden“, sagt José R. Crespo López-Urrutia vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. Der Physiker hat mit einem Team, an dem neben den Heidelberger Forschern auch Wissenschaftler des kalifornischen Lawrence Livermore National Laboratory um Peter Beiersdorfer und Gregory V. Brown, des SLAC National Accelerator Laboratory, der Advanced Study Group der Max-Planck-Gesellschaft am CFEL, des NASA Goddard Space Flight Centers, des kanadischen Forschungszentrums TRIUMF, der Gesellschaft für Schwerionenforschung Darmstadt und der Universitäten Gießen und Erlangen-Nürnberg beteiligt waren, nun die Röntgenemission von Fe16+ genau analysiert.

Erstmals wird klar, wie stark einzelne Prozesse zur Emission der Eisenionen beitragen

Um den Forscher-Disput zu verstehen, muss man wissen, dass jedes Modell der Eisen-Plasmen sozusagen aus mehreren Teil-Modellen besteht. Ein wichtiges Teil-Modell ist die quantenmechanische Beschreibung der einzelnen Ionen, die mit Methoden der Atomphysik erfolgt. Dieses Teilmodell berechnet auch einen Teil der Strahlung, die Eisenionen in einem Plasma emittieren – nämlich jenen Teil, der durch direkte Anregung der Ionen mit Licht freigesetzt wird. Ein anderes entscheidendes Teil-Modell beschreibt die Plasma-Umgebung jedes Ions. Es modelliert beispielsweise Kollisionen der Ionen mit den Elektronen und deren Einfluß auf die abgegebene Strahlung. Es gibt also quasi ein Modell für die Bausteine des Plasmas und ein weiteres für deren Zusammenspiel. Viele Forscher dachten bislang, dass das letztere Modell für die Diskrepanz zwischen der beobachteten und der berechneten Intensität der Emissionslinie von Fe16+ verantwortlich ist. Allein: mit den bislang verfügbaren spektroskopischen Messmethoden war diese Annahme nicht zu prüfen.

Das Prinzip der Spektroskopie besteht darin, die Ionen durch Energiezufuhr zur Emission von Lichtteilchen (Photonen) zu bringen und das dabei entstehende Spektrum aufzuzeichnen. Doch um die Kontroverse zu beenden, müssten Forscher unterscheiden können, welche Photonen durch Energiezufuhr über Stöße zwischen Elektronen und Ionen entstehen und welche von der direkten energetischen Anregung der Ionen etwa mit Licht herrühren. Bei der Anregung durch Stöße wird zunächst gleichsam die Elektronenhülle durcheinander geschüttelt und ein Photon über Zwischenschritte emittiert. Da die Energiezufuhr bislang durch Erhitzen erfolgte, konnten Physiker diese Unterscheidung nicht treffen. Denn in diesen Experimenten werden Ionen außer durch die hitzebedingten Stöße auch durch Photonen angeregt, die durch die Stoß-Prozesse erzeugt werden.

Durch eine Anregung mit Röntgenpulsen lässt sich der Beitrag der Stöße herausrechnen

Doch nun haben die Forscher um Sven Bernitt und José Crespo vom Heidelberger Max-Planck-Institut erstmals einen Röntgenlaser genutzt, um Fe15+ und Fe16+-Ionen spektroskopisch zu untersuchen, genauer gesagt den Röntgenlaser Linac Coherent Light Source am Stanford Linear Accelerator Center im kalifornischen Menlo Park.

Der Laser sendet wenige Femtosekunden kurze Röntgen-Pulse in das Plasma. Die Röntgen-Photonen werden von den Eisenionen absorbiert und kurz darauf wieder emittiert. „Da die von den Röntgen-Pulsen angeregten Eisenionen die Photonen wieder in Form kurzer Pulse emittieren, können wir diese Photonen von allen anderen Photonen, die das Plasma emittiert unterscheiden", sagt Sven Bernitt. Denn die Eisenionen, die durch Stöße im Plasma angeregt worden sind, emittieren ihre Photonen nicht unbedingt in zeitlicher Nähe zu den eingestrahlten Röntgenlaser-Pulsen, sondern in Form eines gleichmäßigen Untergrundes. Somit konnten die Forscher den Teil der Intensität der Emission messen, der auf direkte Anregung zurückzuführen ist und von den quantenmechanischen Modellen der einzelnen Ionen berechnet wird.

Das Team um die Heidelberger Forscher war vom Ergebnis überrascht: Die Intensität der gemessenen Emission wich deutlich von den theoretischen Vorhersagen ab. „Daher können wir sagen, dass der größte Teil der Diskrepanz mit der unzureichenden quantenmechanischen Beschreibung der Ionen zu tun hat – und nicht mit den Modellen der Stoßprozesse", sagt Bernitt.

Theoretische Physiker können nun ihre Modelle verbessern

Die Forscher sind die ersten, die mit der erst seit wenigen Jahren verfügbaren Technik des Röntgenlasers spektroskopische Untersuchungen mit Photonen derartig kurzer Wellenlänge an einem solchen Plasma gemacht haben. Entscheidend dafür war eine am Heidelberger Max-Planck-Institut von José Crespo und Sascha Epp entwickelte transportable Ionenfalle. Die drei Tonnen schwere Anlage haben die Forscher per Flugzeug nach Kalifornien gebracht. Mithilfe eines Elektronenstrahls erzeugt sie eine haardünne, fünf Zentimeter lange Wolke hochgeladener Eisenionen und hält diese mit Unterstützung von elektrischen und magnetischen Feldern fest. Der Röntgenlaser durchstrahlt die Wolke in Längsrichtung und kommt auf diese Weise mit möglichst vielen Eisenionen in Kontakt, was wiederum für ein starkes Messsignal sorgt.

Die Ergebnisse des Forscherteams geben den theoretischen Physikern nun eine Richtschnur für die Verbesserung der quantenmechanischen Modelle der Ionen im Plasma. Das wäre eine erster Schritt zum besseren Verständnis der astropyhsikalischen Röntgenquellen. Aber auch für die Forschung an irdischeren Problemen könnte die Messmethode der Heidelberger Forscher genutzt werden: „Beispielsweise bei der Kernfusion, wo ja auch heiße Plasmen eingesetzt werden", meint José Crespo. Er rechnet damit, dass die transportable Ionenfalle noch oft auf Reisen gehen wird.

CM/PH

Zur Redakteursansicht