Rettungsdienst auf zellulärer Ebene

Wie Stammzellen dem Gehirn nach einem Schlaganfall bei seiner funktionalen Regeneration helfen

23. September 2010

Funktionsgestörte Zellen, Gewebe oder gar Organe wieder herzustellen, ist Ziel der regenerativen Medizin. Als aussichtsreiche Kandidaten hierfür werden Stammzellen gehandelt, jede Alles- oder Vielkönnerzellen, die sich unbegrenzt erneuern und in verschiedene Zelltypen wandeln können. Immer wieder berichten Forscher von erfolgreichen Einsätzen von Stammzellen zur Gewebegesundung, doch die zugrundeliegenden physiologischen Mechanismen sind noch weitestgehend unbekannt. Eine Studie der In-vivo-NMR Forschungsgruppe um Mathias Hoehn am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln wies nun in einer tierexperimentellen Langzeitstudie an Ratten nach, dass die positive Wirkung einer Stammzellinjektion nach Hirninfarkt hauptsächlich auf einem stimulierenden Effekt im umliegenden Zellgebiet basiert (PLoS One, 22. September 2010).

Bevor an einen therapeutischen Einsatz von Stammzellen bei Schlaganfallpatienten gedacht werden kann, muss geklärt sein, wie eine solche Gewebeerholung zustande kommt. Denkbar ist, dass Stammzellen geschädigtes Gewebe reparieren, sie in defekte neuronale Netzwerke eingebunden werden oder regenerative Prozesse unterstützen allein durch ihre Nähe zu den beschädigten Zellen ("paracrine effect"). Um zwischen diesen Erklärungsalternativen zu unterscheiden, muss erstens die Möglichkeit einer Spontanerholung ausgeschlossen und zweitens die verabreichten Stammzellen sichtbar gemacht werden. Die jetzt veröffentlichte Studie erfüllt beide Kriterien: Drei Wochen nach einem experimentell induzierten Schlaganfall zeigten alle in die Studie einbezogenen Ratten (n = 8) bei Stimulation der Vorderpfote im Magnetresonanztomograph keine Aktivität im somatosensorischen Kortex - ein bleibender Funktionsausfall. Vier Ratten erhielten eine Injektion nahe des Infarktgebietes von jeweils einer halben Million neuraler Stammzellen (C17.2), von denen zirka zehn Prozent mit einem eisenhaltigen Kontrastmittel markiert worden waren, um im Scanner darstellbar zu sein. Alle Ratten wurden über einen Zeitraum von 24 Wochen wiederholt getestet.

Die unbehandelten Ratten (n = 4) zeigten keinerlei Veränderungen im Verhalten oder in der Hirnaktivierung während des Beobachtungszeitraums. Bei zwei der vier behandelten Ratten löste das Stimulieren der Vorderpfote auf der kontralateral zum Infarkt gelegenen Seite nach sieben bzw. zehn Wochen nach Stammzellinjektion wieder ein Signal aus, das die Hirnaktivierung ausdrückt - genau in der dazugehörigen Ausfallszone, in die jedoch keine Stammzellen eingewandert waren. Auf Verhaltensebene ging dies einher mit einer verkürzten Latenzzeit, in der die Ratten begannen, ein störendes Klebeband von der betroffenen Vorderpfote zu lösen. Nach 24 Wochen waren keine Stammzellen mehr nachweisbar. Die Ergebnisse dieser Langzeitstudie legen eindeutig nahe, dass die beobachtete funktionale Verbesserung durch den vermittelnden Einfluss der injizierten Stammzellen ("paracrine effect") erzielt wurden: Der zelluläre Rettungsdienst scheint durch seine Nähe zu den geschädigten Zellen regenerative Prozesse in Gang zu setzen. Mathias Hoehn und sein Team arbeiten nun an einer weiteren Optimierung der Prozesse, auch unter Verwendung von menschlichen Stammzellen.

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