"Schwarze Löcher sind unmöglich einfach"

Bernard Schutz vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Golm erzählt, wie er die Idee zur Scienceface.org hatte. Das Videoportal bringt Jugendlichen die Faszination von Schwarzen Löchern näher

8. Juni 2010

Wie kamen sie auf die Idee zu dem Videoportal Scienceface.org?

Schutz:

Während der Berlin 4 Open Access-Konferenz 2006 in Golm hörte ich einen Vortrag eines amerikanischen Kollegen, Rick Luce. Er sprach darüber, wie seine Tochter die moderne Informationswelt beherrscht. Sie hat am PC immer drei, vier Fenster parallel offen, schreibt an ihrer Schularbeit, hört Musik und chattet gleichzeitig mit Freunden. Bei meiner Tochter konnte ich das auch beobachten.

Hat dies Auswirkungen darauf, wie Sie jungen Menschen ihre Forschung erklären?

Schutz:

Die Aufmerksamkeitsspanne von Jugendlichen ist kurz. Deshalb muss ich, mit dem, was ich zu sagen habe, schnell auf den Punkt kommen und das eigentlich Interessante beleuchten. Das ist nicht immer leicht, vor allem bei komplexen Themen wie Schwarzen Löchern. Im Gespräch mit Susanne Milde, die die Berlin 4 für uns organisiert hat, sind wir auf die Idee gekommen, Jugendliche selbst die Fragen stellen zu lassen und mehrere Personen zu interviewen, um ein Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.

Auf ihrem Videoportal interviewt ihre Tochter Astronomen, die Schwarze Löcher erforschen. Wie haben Sie Ihre Tochter, die eigentlich Musikerin ist, dafür begeistert?

Schutz:

Ich habe Annalie vor den Interviews mit populärwissenschaftlichen Artikeln eingedeckt. Darüber hinaus hat sie ein Interviewtraining bekommen. Die Gespräche haben ihr sehr viel Spaß gemacht. Vorher hat sie sich kaum für meine Arbeit interessiert, jetzt fragt sie öfters nach. Dennoch möchte sie nicht in meine Fußstapfen treten. Die Musikbranche oder die Medien interessieren sie mehr. Am meisten aber interessieren sie Menschen.

Was fasziniert Sie an Schwarzen Löchern?

Schutz:

Zuerst war da die Theorie. Erst viel später kam der Beweis, dass Schwarze Löcher tatsächlich existieren. Die Forschung an dem Phänomen ist für mich ein beeindruckendes Beispiel für unsere Fähigkeit, das Universum im Großen und Kleinen besser zu verstehen.

Darüber hinaus staune ich immer wieder darüber, wie unmöglich einfach so komplexe Gebilde wie Schwarze Löcher sind. Sie lassen sich lediglich anhand von zwei Werten beschreiben, ihrer Masse und ihrem Drehimpuls. Keine Konstruktion, kein Gebäude lässt sich so einfach umreißen. Wir Astronomen begreifen erst nach und nach, wie wichtig diese mysteriösen Gebilde für unsere Geschichte sind - die Geschichte der Galaxien und unseres Sonnensystems. Unsere Welt wäre eine ganz andere, wenn Schwarze Löcher nicht existieren würden.

Manche Gespräche mit Wissenschaftlern dauern neun Minuten wie beispielsweise das Interview mit Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik. Erreichen sie damit wirklich Jugendliche?

Schutz:

Wir führen keine Statistik darüber, von wem die Videos wie häufig ansehen werden, aber wir werten natürlich aus, wie oft die Filme angeschaut werden und aus welchen Ländern wir den meisten Zuspruch erhalten. Die Resonanz, die wir bisher erhalten haben, war auch unter Jugendlichen durchwegs positiv. Wir haben die Filme im Vorfeld in Berliner Schulen getestet.

Nutzen Sie Social-Media-Plattformen, um die Videos bekannt zu machen?

Schutz:

Wir haben eine Seite auf Facebook ins Leben gerufen. Dort posten wir immer, wenn ein neuer Film fertig ist. Nach den 15 Filmen, die wir über Schwarze Löcher gedreht haben - es sind noch nicht alle online - sind weitere zehn Videos über Gravitationswellen in Planung, die wir zusammen mit anderen, internationalen Forschungseinrichtungen realisieren. Unser Fokus liegt vorerst aber weiterhin auf astronomischen Themen.

Ich wünsche Ihnen dabei viel Spaß dabei - und viel Erfolg. Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Barbara Abrell

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