Schärfer als Hubble

Das Large Binocular Telescope liefert bessere Bilder als das Weltraumteleskop

15. Juni 2010

Eine neue Generation der Adaptiven Optik am Large Binocular Telescope (LBT) auf dem Mount Graham in Arizona beschert den Astronomen eine bisher unerreichte Bildqualität im Nah-Infrarot. Die ersten Aufnahmen mit dem neuen System übertreffen sogar die Qualität des Hubble-Weltraumteleskops. Am LBT sind auch deutsche Institutionen maßgeblich beteiligt wie das Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg.

Bis vor Kurzem war die Bildschärfe erdgebundener Teleskope durch die Turbulenzen in der Atmosphäre massiv eingeschränkt. Denn solche Störungen verschmieren die Bilder von Sternen und Galaxien erheblich und liefern unscharfe Abbildungen. Daher ist das im Weltraum operierende Hubble-Teleskop sogar einem Riesenfernrohr am Erdboden deutlich überlegen. Dank der Fortschritte in der Adaptiven Optik (AO) - einer Technik zur Korrektur der atmosphärischen Störungen - hat sich die Bildschärfe irdischer Großteleskope in den vergangenen Jahren aber stetig verbessert.

Auch das LBT wurde mit einem solchen System ausgestattet. Schon bei den ersten Tests erreichte diese First Light Adaptive Optics (FLAO) eine Bildschärfe, die jene des Hubble-Weltraumteleskops um einen Faktor 3 übertrifft. Dabei wurde nur einer der beiden 8,4-Meter-Spiegel eingesetzt. Wenn die Optik eines Tages an beiden großen Spiegeln läuft und perfekt kombiniert wird, erwarten Astronomen eine Schärfe, die um den Faktor 10 besser ist als bei Hubble. "Mit dem AO-System sind wir auf dem besten Weg, unser Fernrohr zum leistungsstärksten optischen Teleskop der Welt zu machen", sagt Richard Green, der Direktor des LBT. "Die erfolgreichen Ergebnisse zeigen, welches Potenzial im Large Binocular Telescope steckt."

Ein Maß zur Beurteilung der Bildqualität eines optischen Systems ist das Strehl-Verhältnis: Ein Wert von 100 Prozent steht für eine perfekte Abbildung, die nur noch durch das theoretische Auflösungsvermögen des Fernrohres beschränkt wird. Werte unter 100 Prozent bedeuten, dass das Licht eines punktförmigen Sterns in einem Bild auf eine größere Fläche verteilt wird und die Abbildung deshalb unschärfer ist. Ohne Adaptive Optik liegen die Werte lediglich bei einem Prozent, bisherige AO-Systeme konnten im nah-infraroten Spektralbereich immerhin 30 bis 50 Prozent erzielen. Bei Testbeobachtungen haben die Astronomen am LBT einen Strehl-Wert von 84 Prozent erreicht - extrem nah an der theoretisch möglichen Perfektion.

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Für die jetzt in Betrieb genommene Adaptive Optik stammt das technische und elektromechanische Design aus Italien und wurde dort vor allem am Istituto Nazionale di Astrofisica (INAF) entwickelt. Das Mirror Lab der Universität von Arizona zeichnet für die optischen Elemente verantwortlich. Ein einfacheres Vorläufersystem wurde zuvor am Multiple Mirror Telescope (MMT) auf dem Mt. Hopkins getestet. Die Infrarot-Testkamera des LBT, mit der die hier gezeigten Bilder entstanden, wurde gemeinsam von INAF, Bologna, und dem Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg entwickelt.

Das LBT ist mit seinen beiden Spiegeln von 8,4 Metern Durchmesser das größte optische Einzelteleskop der Welt. Es ist ein Projekt amerikanischer, italienischer und deutscher Institutionen, die gemeinsam für den Bau und Betrieb, sowie die Entwicklung der Messinstrumente verantwortlich sind. Deutschland ist mit 25 Prozent durch die LBT-Beteiligungsgesellschaft vertreten, der die Max Planck Gesellschaft (MPG), das Astrophysikalische Institut Potsdam und die Universität Heidelberg angehören. Die MPG wiederum ist vertreten durch die Max-Planck-Institute für Astronomie in Heidelberg, für extraterrestrische Physik in Garching und für Radioastronomie in Bonn. Auch andere deutsche Institute liefern wichtige Beiträge.

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