Der Sitz des Meta-Bewusstseins im Gehirn

Untersuchungen an luziden Träumern machen sichtbar, welche Gehirnzentren beim Erlangen unseres Ich-Bewusstseins aktiv werden

23. Juli 2012

Welche Gehirnareale dazu beitragen, unsere Welt in einer selbstreflektorischen Art und Weise wahrzunehmen, lässt sich schwer messen. Im Wachen ist unser Ich-Bewusstsein immer vorhanden, und im Schlaf erleben wir diesen Zustand nicht bewusst mit. Es gibt allerdings Personen, sogenannte luzide Träumer, die sich im Schlaf bewusst werden können, dass sie träumen. Untersuchungen im Magnet-Resonanz-Tomografen (MRT) konnten nun zeigen, dass beim Erlangen dieses luziden Bewusstseins die Aktivierung eines spezifischen kortikalen Netzwerkes nachweisbar wird, bestehend aus dem rechten dorsolateralen präfrontalen Kortex, den frontopolaren Regionen und dem Precuneus. Alle diese Regionen werden mit selbstreflektorischen Funktionen in Zusammenhang gebracht. Für die Autoren der aktuellen Studie eröffnet das Studium des luziden Traumzustandes nun Einblicke in die neuronalen Grundlagen des menschlichen Bewusstseins.

Die menschliche Fähigkeit zur Ich-Wahrnehmung, Selbstreflektion und die Entwicklung eines Bewusstseins gehört zu den noch unentschlüsselten Geheimnissen der Neurowissenschaften. Trotz moderner Bildgebungsverfahren können diese Prozesse im Gehirn nur unzureichend aufgeklärt und sichtbar gemacht werden. Ursächlich liegt das Problem in der Schwierigkeit, unserem Gehirn zuzusehen, wenn es aus einem unbewussten Zustand in den einer bewussten Wahrnehmung übergeht. Dieser Vorgang läuft zwar jedes Mal ab, wenn eine Person aus dem Schlaf aufwacht. Im tiefen Schlaf ist die Grundaktivität unseres Gehirns jedoch generell stark reduziert. Somit ist beim Übergang zum Wachzustand die spezifische Hirnaktivität, die der wiedererlangten Selbst-Wahrnehmung und Bewusstheit zugrunde liegt, nicht genügend genau von globalen Aktivitätsänderungen des Gehirns abgrenzbar.

Wissenschafter der Max-Planck-Institute für Psychiatrie in München und für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig sowie der Berliner Charité untersuchten nun Menschen, die sich während des Träumens bewusst werden, dass sie träumen, und die auch willentlich ihre Träume beeinflussen können. Diese sogenannten Klar-Träumer haben während der luziden Schlafphase Zugriff auf ihre Erinnerungen, können Handlungen ausführen und sind sich ihrer Selbst bewusst – obwohl sie eindeutig im Traum-Schlaf bleiben und nicht etwa aufwachen.

Autor Martin Dresler erläutert: „In einem normalen Traum haben wir nur ein sehr basales Bewusstsein, wir erleben Wahrnehmungen und Emotionen, sind uns aber nicht bewusst, dass wir nur träumen. Erst in einem luziden Traum erlangt der Träumer eine Meta-Einsicht in seinen Zustand.“ Aus dem Vergleich der Aktivität des Gehirns während solch einer luziden Periode mit der unmittelbar davor in einem normalen Traum gemessenen Aktivität konnten die Wissenschaftler die charakteristischen Gehirnaktivitäten der luziden Bewusstheit identifizieren. „Die generelle Grundaktivität des Gehirn ist in einem normalen Traum und in einem luziden Traum ähnlich“, sagt Michael Czisch, Arbeitsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Psychiatrie.

„Im luziden Zustand steigt die Aktivität in einigen Bereichen der Hirnrinde jedoch innerhalb von Sekunden stark an. In der Hirnrinde ist der rechte dorsolaterale präfrontale Kortex beteiligt, dem gemeinhin die Funktion zur Selbsteinschätzung zugesprochen wird, sowie die frontopolaren Regionen, verantwortlich für eine Bewertung eigener Gedanken und Gefühle. Besonders aktiv ist auch der Precuneus, eine Gehirnregion, die seit längerem mit Selbst-Wahrnehmung im Zusammenhang gebracht wird.“ Die Ergebnisse bestätigen frühere Untersuchungen und machen erstmalig die neuronalen Netzwerke eines bewussten Geisteszustandes sichtbar.

BM/HR

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