Cholesterin aus der Nahrung mildert Pelizaeus-Merzbacher

Cholesterinreiches Futter verbessert den Verlauf der neurologischen Erberkrankung dramatisch

4. Juli 2012

Das Myelin des zentralen Nervensystems isoliert Nervenfasern und ermöglicht so die schnelle Weiterleitung von elektrischen Signalen. Die Bildung und Stabilität der Myelinscheide ist bei Patienten der Pelizaeus-Merzbacher-Leukodystrophie stark beeinträchtigt. Dies führt zu schweren motorischen und sensorischen Defekten. Eine Therapie für Pelizaeus-Merzbacher-Patienten gibt es nicht. Gesine Saher, Klaus-Armin Nave und Kollegen am Max Planck Institut für experimentelle Medizin und an der Universität Göttingen haben in einem Mausmodell dieser Erbkrankheit herausgefunden, dass die Myelinisierung durch Cholesterin als Nahrungszusatz dramatisch verbessert werden kann.

Myelinscheiden des zentralen Nervensystems werden von Gliazellen, sogenannten Oligodendrozyten, gebildet und bestehen zu einem hohen Anteil an Fetten und Cholesterin. In früheren Arbeiten konnten die Forscher zeigen, dass die Verfügbarkeit von Cholesterin die Menge an gebildetem Myelin bestimmt. Eine weitere Hauptkomponente des Myelins ist das Proteolipid Protein. In Patienten, die an Pelizaeus-Merzbacher leiden, wird das Proteolipid Protein auf Grund eines Gendefektes verstärkt gebildet.

In der aktuellen Studie zeigen die Wissenschaftler, dass die Ablagerung dieses Proteins zusammen mit Cholesterin innerhalb der Oligodendrozyten zu einer Umverteilung des Cholesterins in der Zelle führt und dadurch einen Stau der Transportprozesse an die Zellmembran hervorruft. Als Konsequenz kommt es zur verminderten Myelinbildung, zur Schädigung der myelinbildenden Zellen und zu Entzündungsprozessen und schließlich zum Verlust von Nervenzellen. Diese pathologischen Prozesse können durch extern gegebenes Cholesterin aufgehalten werden. „Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass extern gegebenes Cholesterin den intrazellulären Transportstau in Oligodendrozyten entschärft. Vermutlich ermöglicht die Normalisierung der Cholesterinmenge in der Zellmembran eine verstärkte Myelinbildung“, erklärt Gesine Saher.

Dass dieser Mechanismus in Zellen auch in ganzen Organismen wirkt, zeigen die Forscher an einem Mausmodell der Erbkrankheit. Sie verabreichten genetisch veränderten Mäusen, die das PLP-Gen verstärkt bilden, Futter, dem Cholesterin beigemischt war. Je früher den transgenen Tieren cholesterinreiches Futter zur Verfügung gestellt wurde, desto größere Therapieerfolge waren zu verzeichnen. Wurde die Cholesteringabe unterbrochen, kam es zum progressiven Verlust der Myelinscheiden. „Obwohl das Cholesterin aus der Nahrung die Pelizaeus-Merzbacher Krankheit nicht heilt, hat es das beachtliche Potenzial, seinen Verlauf zu mildern“, sagt Klaus-Armin Nave.

In Zukunft will das Team um Saher und Nave die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf Patienten der Pelizaeus-Merzbacher-Krankheit testen und so herausfinden, ob eine Nahrungsergänzung mit Cholesterin in Patienten sinnvoll ist. Das könnte langfristig zu einer verbesserten Lebensqualität der Pelizaeus-Merzbacher-Patienten führen.

GS/HR

Zur Redakteursansicht