Sternförmige Zellen des Gehirns helfen beim Lernen

Die Astrozyten beeinflussen, wie effizient Nervenzellen Informationen austauschen

7. September 2009

Jede Bewegung und jeder Gedanke wird durch die Weitergabe von Informationen zwischen Nervenzellen ermöglicht. Wenn wir in etwas besser werden oder dazu lernen, beruht dies auf effizienteren oder vermehrten Zellkontakten. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried konnten nun mit einem internationalen Team zeigen, dass bestimmte Zellen des Gehirns, die Astrozyten, aktiv in die Vorgänge an den Zellkontakten eingreifen. Bislang wurden die Rolle der Astrozyten vor allem bei der Entwicklung und dem Nährstoffhaushalt des Gehirns gesehen. Die neuen Erkenntnisse fördern das Verständnis von Lernen und Gedächtnis, könnten aber auch in der Grundlagenforschung zu neurodegenerativen Krankheiten wie der Epilepsie und der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) eine wichtige Rolle spielen. (Nature Neuroscience, 7. September 2009)

Lernen, um zu leben: Selbst Fruchtfliegen lernen, negative Gerüche zu meiden. Auch beim Menschen baut nahezu alles Können auf Übung und Erfahrung auf. Das so Erlernte ermöglicht es uns, zu laufen, zu sprechen, logisch zu denken oder mit anderen Menschen sozial zu interagieren.

Lernen auf zellulärer Ebene

Um etwas zu lernen, also eine neue Information verarbeiten zu können, bauen Nervenzellen neue Verbindungen untereinander auf oder verstärken bestehende Verbindungen. Über spezielle Kontaktstellen, die Synapsen, kann eine Information von einer Zelle an die nächste weitergegeben werden. Entsteht eine Synapse, so ist die Weitergabe der neuen Information möglich - sie wird gelernt. Wird das Erlernte durch Übung verbessert, so werden einzelne Synapsen verstärkt: Eine ankommende Information löst bei der nachgeschalteten Nervenzelle eine viel stärkere Antwort aus, als an einer "normalen" Synapse. Dies geschieht wie folgt: An einer Synapse stehen die beiden kommunizierenden Nervenzellen nicht direkt in Kontakt sondern sind durch einen kleinen Spalt getrennt. Kommt eine Information an einer Synapse an, so wird der Botenstoff Glutamat in den Spalt abgegeben. Die nachgeschaltete Zelle bindet das Glutamat mithilfe spezieller Rezeptoren und löst so die Weitergabe der Information in dieser Zelle aus. Bei einer verstärkten Synapse gibt die informierende Zelle deutlich mehr Glutamat in den synaptischen Spalt ab, und/oder die informierte Zelle bindet besser Glutamat. Als Resultat wird die Information deutlich effektiver von Zelle zu Zelle weitergegeben.

Doch nicht so passive Helfer

Im Gehirn sind Teile von Nervenzellen und einzelne Synapsen häufig von sternförmigen Zellen umgeben, den Astrozyten. Astrozyten wurden bislang vor allem als Helfer der Nervenzellen angesehen. Sie ernähren Nervenzellen und fördern auch die Reifung von Synapsen. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie haben nun mit einem internationalen Team gezeigt, dass Astrozyten noch eine deutlich aktivere Rolle zukommt: Sie beeinflussen die Möglichkeit einer Synapse, sich zu verstärken.

Astrozyten regulieren die Menge an Glutamat-Botenstoff im synaptischen Spalt, indem sie Glutamat über sogenannte Transporter aus dem Spalt entfernen. "Im Grunde kann man sich die Transporter wie kleine Staubsauger vorstellen", erklärt Rüdiger Klein, der Leiter der Studie. "Sie saugen überschüssiges Glutamat aus der Synapse ab und verhindern so zum Beispiel, dass Glutamat von einer Synapse zu einer benachbarten überschwappt." Dass es diese "Glutamatstaubsauger" gibt, war bekannt. Was Klein und seine Kollegen nun jedoch zeigen konnten ist, dass die nachgeschaltete Nervenzelle und der Astrozyt dabei miteinander kommunizieren und so die Menge der Glutamat-saugenden Transporter regulieren.

Signalweg mit weitreichenden Folgen

Dieser Kommunikation kamen die Neurobiologen auf die Spur, als sie das Signalmolekül EphrinA3 und seinen Bindungspartner, das EphA4, in Mäusen untersuchten. Ephrine und Eph-Rezeptoren sind häufig beteiligt, wenn sich Zellen gegenseitig erkennen oder beeinflussen. So fördern Astrozyten über EphrinA3/EphA4 auch die Reifung von Synapsen. "Völlig unerwartet war jedoch, dass es auch einen Einfluss in die andere Richtung gibt", so Klein. Fehlt der EphA4-Rezeptor in einer Nervenzelle, so bildet der benachbarte Astrozyt vermehrt Transporter aus. Diese saugen so viel Glutamat aus der betroffenen Synapse ab, dass diese nicht mehr verstärkt werden kann. Ein sicherer Nachteil beim Lernen.

Wie wichtig der EphrinA3/EphA4 Signalweg ist, bewiesen die Kontrollversuche. Fehlte der Bindungspartner EphrinA3 im Astrozyten, so wurde wie beim Fehlen von EphA4 eine synaptische Verstärkung aufgrund des Glutamat-Mangels unmöglich. Wurde das Vorkommen von EphrinA3 dagegen experimentell erhöht, so sank die Anzahl der Astrozyten-Transporter. Daraufhin sammelte sich Glutamat im synaptischen Spalt an, was schnell zu Zellschäden und Fehlfunktionen der betroffenen Synapsen führte.

Nächste Schritte

"Zurzeit untersuchen wir, über welche Mechanismen EphrinA3/EphA4 die Bildung der Transporter beeinflusst", sagt Rüdiger Klein zu den nächsten Schritten. Die Wissenschaftler hoffen so das Vorkommen und die Funktion dieser Transporter besser zu verstehen. Denn Fehlfunktionen der Astrozyten-Transporter spielen auch eine Rolle bei neurologischen und neurodegenerativen Krankheiten wie der Epilepsie und der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS).

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