Kosmische Archäologie

Mit neuen Spektrografen wollen Astrophysiker weit in die Vergangenheit des Alls blicken

1. Oktober 2009

Die ferne Vergangenheit des Universums rückt näher. Mit besonderen Spektrografen untersuchen Astronomen im Rahmen des Sloan Digital Sky Survey III Galaxien in den Tiefen des Weltalls. Die Instrumente haben eine hohe Infrarot-Empfindlichkeit und sehen noch sehr weit entfernte Milchstraßensysteme, deren Licht aufgrund der kosmischen Expansion in den langwelligen, roten Bereich des Spektrums verschoben ist. Bis zum Jahr 2014 soll der Baryon Oscillation Spectroscopic Survey (BOSS) die Spektren von 1,4 Millionen Galaxien und 160.000 Quasaren erfassen.

Die Wissenschaftler haben allen Grund zur Freude. In der Nacht zum 15. September lieferten die neuen Spektrografen am 2,5-Meter-Teleskop auf dem Apache Point im US-Bundesstaat New Mexico die ersten Daten von Galaxien und Quasaren. "Die Lichtspektren sehen außergewöhnlich gut aus", sagt Guinevere Kauffmann vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München. Ihre Arbeitsgruppe ist seit mehr als sieben Jahren am Sloan Digital Sky Survey (SDSS) beteiligt. "Mit den Instrumenten blicken wir in eine Zeit zurück, in der Galaxien und ihre schwarzen Löcher wesentlich aktiver waren als heute."

Der voll ausgeschriebene Name - Baryon Oscillation Spectroscopic Survey - verrät die Besonderheit des Projekts, denn die BOSS-Spektrografen nutzen eine bemerkenswerte Eigenschaft des frühen Universums: baryonische Oszillationen. Sie entstanden durch das Wechselspiel von Schwerkraft und Strahlungsdruck. Wie Schallwellen, die durch Luft wandern, verdichten sie die Materie. Unmittelbar nach der Geburt des Alls bewegten sie sich mit halber Lichtgeschwindigkeit, froren aber gleichsam ein, als der Kosmos wenige hunderttausend Jahre später abkühlte.

"Diese gefrorenen Wellen zeigen sich in der heutigen Verteilung der Galaxien", sagt Daniel Eisenstein von der University of Arizona. "Das Studium der baryonischen Oszillationen erlaubt Rückschlüsse auf das Wesen der Dunklen Energie." Dieser rätselhafte Stoff treibt das Universum auseinander und macht gut 70 Prozent seiner Energiedichte aus. BOSS soll hier buchstäblich Licht ins Dunkel bringen: "Wir erwarten die besten Daten, die bisher über die großräumige Struktur des Weltalls gewonnen wurden", ergänzt der leitende Wissenschaftler David Schlegel vom Lawrence Berkeley National Laboratory.

Die Spektrografen des Projekts arbeiten mit mehr als 2000 großen Metallplatten, die in der Brennebene des 2,5-Meter-Teleskops angebracht sind. In jeder dieser Platten befinden sich Tausende winziger Löcher; darin stecken optische Fasern, die das Licht jeder beobachteten Galaxie zu den BOSS-Spektrografen leiten.

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Im Sloan Digital Sky Survey (SDSS) durchmustern Astronomen ein Viertel des Himmels bei fünf Wellenlängen. Das von der Alfred P. Sloan Stiftung geförderte Projekt arbeitet mit einem 2,5-Meter-Teleskop am Apache Point im US-Bundesstaat New Mexico. Am SDSS sind Einrichtungen aus den USA, Japan, Korea und Deutschland beteiligt. Das Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München trat dem SDSS-Konsortium im Jahr 2002 bei. Die Max-Planck-Wissenschaftler interessieren sich vor allem für die physikalischen Eigenschaften des lokalen Galaxienhaufens und der supermassiven schwarzen Löcher in den Zentren der Galaxien. Die Forscher haben neue Analysetechniken entwickelt, um anhand der Spektren unter anderem Entstehungsrate und Zusammensetzung von Sternen abzuleiten. Der Baryon Oscillation Spectroscopic Survey (BOSS) ist die größte von vier Erhebungen im Rahmen des SDSS-III.

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