Hintergrund

Was ist das Hubble Deep Field, und was ist so besonders an dieser Himmelsregion?

Das Hubble Deep Field (HDF) ist eine Himmelsregion im Sternbild Ursa Major (Große Bärin), die am Nachthimmel weniger als ein Prozent der Fläche der Vollmondscheibe einnimmt. In dieser Region liegen keine näheren Sterne oder Galaxien, und in dieser speziellen Blickrichtung wird der Blick ins ferne Weltall durch Gas- und Staub unserer eigenen Heimatgalaxie, der Milchstraße, nur sehr wenig getrübt. Weiterhin hat die Region den Vorteil, dass sie im Blickfeld des Weltraumteleskops Hubble liegt – ganz egal, wo dieses sich auf seiner Umlaufbahn gerade befindet.

Mit dieser Kombination von Eigenschaften ist das HDF besser als fast alle anderen Himmelsregionen geeignet, um ferne Galaxien zu untersuchen. Bereits bei der ersten HDF-Durchmusterung mit Hubble fanden die Astronomen 3000 entfernte Galaxien; der Entfernungsrekord lag bei 12 Milliarden Lichtjahren (z ~ 4). Beobachtungen im HDF haben seither umfangreiche Studien ermöglicht, die zeigen, wie sich Galaxien im Laufe der kosmischen Geschichte verändern und entwickeln.

Wie misst man Entfernungen für so weit entfernte Galaxien, und was hat das mit der Geschichte unseres Universums zu tun?

Für sehr weit entfernte Himmelsobjekte lässt sich die Entfernung von der Erde vergleichsweise genau indirekt bestimmen. Seit dem Urknall ist das Universum immer weiter expandiert, und alle fernen Galaxien haben sich immer weiter voneinander entfernt. Eine direkte Konsequenz daraus ist die sogenannte kosmologische Rotverschiebung: Ein fernes Objekt sieht umso rötlicher aus, je weiter entfernt von der Erde es sich befindet (etwas genauer: je größer die Entfernung des Objekts, umso größer ist der Faktor, um den sein Licht hin zu niedrigen Frequenzen verschoben ist). Aus der Messung der Rotverschiebung ergibt sich letztlich die Distanz.

Wer die Entfernung eines astronomischen Objekts kennt, gewinnt damit mehr als nur Informationen über dessen räumliche Lage. Astronomen sehen zwangsläufig in die Vergangenheit: Beobachten wir die Sonne, dann sehen wir sie immer so, wie sie vor acht Minuten war, nie so, wie sie jetzt in diesem Moment ist, denn das Licht der Sonne benötigt acht Minuten, um einen irdischen Beobachter zu erreichen. Bei der Andromedagalaxie beträgt die Verzögerung bereits 2,5 Millionen Jahre, denn solange benötigt das Licht dieser Galaxie, um zur Erde zu gelangen. Wer die Entfernung eines Objekts kennt, der weiß, wie weit er bei Betrachtung des betreffenden Objekts in die Vergangenheit zurückblickt.

Diese Information ist wiederum unverzichtbar, wenn man die Geschichte unseres Kosmos rekonstruieren möchte: Wann entstanden die ersten Galaxien? Haben frühe Galaxien mehr Sterne produziert als heutige? Hängt die Entwicklung von Galaxien mit der Masse ihres zentralen supermassereichen Schwarzen Lochs zusammen? Solche und viele andere Fragen lassen sich nur beantworten, wenn man weiß, wo in der Geschichte des Kosmos die Objekte, die man beobachtet, einzuordnen sind. Und dazu wiederum muss man ihre Entfernung kennen.

Warum war es so schwierig, die Entfernung von HDF850.1 zu bestimmen, und wie wurde dieses Ziel schließlich erreicht?

Üblicherweise ist die scheinbare Helligkeit eines Objekts ein Anhaltspunkt für seine Entfernung: Je leuchtschwächer ein Objekt, desto weiter ist es von uns entfernt. Im Submillimeter-Wellenlängenbereich, wo HDF850.1 erstmals beobachtet wurde, ist das anders: Bei diesen Wellenlängen spielen kosmologische Rotverschiebung, die Form des Spektrums solcher Galaxien und die mit der Entfernung abnehmende Leuchtkraft so zusammen, dass die Helligkeit der betreffenden Galaxien so gut wie gar nicht von ihrer Entfernung abhängt. Da HDF850.1 nur bei Submillimeter-Wellenlängen beobachtet worden war, gab es keinerlei Hinweise auf die Entfernung der Galaxie.

Ohne bereits eine grobe Vorstellung von der Entfernung zu haben, ist die Suche nach bestimmten Spektrallinien – spezifischen Wellenlängen, bei denen ein Objekt sehr viel mehr Licht aussendet als anderswo – eine Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen. Ungünstig ist dabei, dass Empfänger für Radio-, Millimeter- oder Submillimeterstrahlung, mit deren Hilfe sich die Wellenlänge des aufgefangenen Lichts bestimmen lässt, typischer Weise jeweils nur in sehr engen Wellenlängenbereichen arbeiten. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine Suche, die einen möglichst weiten Wellenlängenbereich durchforsten muss.

Die Forschung von Fabian Walter und seinen Kollegen war nur möglich, weil am IRAM-Interferometer kürzlich neue Empfänger installiert wurden, die größere Wellenlängenbereiche erfassen können. Mit diesen Empfängern durchmusterten die Astronomen in zehn verschiedenen Wellenlängenbändern eine Region des Hubble Deep Field, in der sich zufällig auch HDF850.1 befindet. Sie konnten dabei Kandidaten für zwei Spektrallinien identifizieren, die durch bestimmte Rotationsschwingungen von Kohlenstoffmonoxidmolekülen, CO(6-5) und CO(5-4), erzeugt werden.

Wenn das tatsächlich die CO(6-5)- und CO(5-4)-Linien waren, dann sollte auch die Spektrallinie [CII] des einfach ionisierten Kohlenstoffs mit dem IRAM-Interferometer beobachtbar sein, und zwar bei einer Frequenz von 307 GHz. Genau dort fanden die Forscher die betreffende Linie. Außerdem sollte eine weitere Rotationslinie des Kohlenstoffmonoxids, CO(2-1), bei einer Frequenz von 37,3 GHz liegen. Um bei dieser Frequenz eine Messung vornehmen zu können, nutzte das Team das Karl Jansky Very Large Array – ein großes Verbundteleskop in den USA – und fand die CO(2-1)-Linie exakt dort, wo sie zu erwarten war. Damit war die Identifikation der Spektrallinien gesichert, mit ihr auch die Rotverschiebung und damit auch die Entfernungsbestimmung für HDF850.1.

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