Ein Gesichtsausdruck sagt mehr als tausend Worte

Bewegte Bilder eignen sich besser dazu, die Stimmung einer Personen zu deuten, als ein Foto

22. Dezember 2009

Damit ein Gesprächspartner uns versteht, setzen wir nicht nur die Stimme, sondern auch Gestik und Mimik ein. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen haben jetzt gezeigt, dass wir einen bewegten Gesichtsausdruck - beispielsweise in einem Film - besser einschätzen können als auf einem Foto. Dazu muss die Filmsequenz jedoch mindestens eine zehntel Sekunde lang sein. (Journal of Vision, 7. Dezember 2009)

Ein Gesichtsausdruck kann viel aussagen: Ein Nicken bedeutet Zustimmung, ein Stirnrunzeln sagt: "Bitte erklären Sie mir das noch mal". Tübinger Forscher vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik haben nun festgestellt, dass wir einen Gesichtsausdruck besser einordnen können, wenn sich dieser natürlich bewegt, als wenn er auf einem Foto "eingefroren" ist. Allerdings können wir erst nach 100 Millisekunden die Stimmung unseres Gegenübers gut erkennen. Ist die Aufnahme kürzer, ist unser Gehirn nicht in der Lage, den Ausdruck des anderen zuverlässig zu deuten. Die dynamischen Informationen, die in den unterschiedlichen Mimiken vorkommen, beruhen auf unterschiedlichen Bewegungsabläufen. Manche Gesichtsausdrücke entstehen durch eine Kopfbewegung, wie zum Beispiel ein Nicken oder Kopfschütteln, andere durch komplexe Verformungen unseres Gesichts, beispielsweise einem Naserümpfen, um Ekel zu signalisieren, oder einem Runzeln der Stirn.

Um zu untersuchen, inwieweit man die Stimmungen eines Gesprächspartners an Hand der Mimik erkennen kann, zeigten Wissenschaftler Testpersonen Bilder von Menschen mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken: Darunter waren einfache emotionale Ausdrücke wie glücklich und traurig, aber auch komplexere wie Zustimmung, Verwirrung oder Überraschung, die der Betonung von Worten in der Unterhaltung dienen. Dann verglichen sie, ob bewegte oder statische Bilder besser erkannt werden. Dabei wurde den Testpersonen sowohl eine kurze Videosequenz der Mimik vorgespielt als auch ein Bild derselben gezeigt. Die Testpersonen mussten dann jeweils eine Emotion dem Bild oder der Videosequenz zuordnen.

In weiteren Versuchsreihen wurde ihnen eine Bilderreihe einer Mimik gezeigt. Obwohl die Testpersonen diesmal nicht nur ein Bild, sondern den ganzen Verlauf als Fotocollage sehen konnten, erkannten die Probanden den Gesichtsausdruck auf der Filmsequenz besser. Um heraus zu finden, in wiefern das Erkennen der Mimik von der Bewegung abhängig ist, zeigten die Forscher den Probanden diesmal wieder eine Videosequenz. Diese bestanden aus 25 Bildern pro Sekunde, womit der Eindruck einer fließenden Bewegung vermittelt wurde. In dieser Versuchsreihe wurden jedoch die einzelnen Bilder durcheinander gewürfelt und erneut abgespielt. Auch diesmal erkannten die Testpersonen die Mimik in den Originalvideosequenzen besser. Dies zeigt, dass weder mehrere Bilder noch die Bewegung allein von Bedeutung sind, sondern die Kombination der richtigen Reihenfolge und der dynamische Ablauf der Gesichtsbewegungen. Auch die zeitliche Richtung muss stimmen. Spielt man die Filmsequenzen rückwärts ab, erkannten die Probanden die Stimmungen deutlich schlechter.

"Gesichtsausdrücke sind ein dynamisches Phänomen und müssen, genauso wie Körperbewegungen oder Gesten, mit Hilfe von Videos untersucht werden, um ein genaues Bild von der Verarbeitung dieser wichtigen kommunikativen Signale erstellen zu können", sagte Christian Wallraven, Leiter der Studie. "Unsere Ergebnisse haben auch für die Computeranimation eine große Bedeutung, da es deren Ziel ist, künstliche Avatare und Gesichtsanimationen zu schaffen, die vollkommen realistisch und glaubwürdig kommunizieren können", so der Physiker und Wahrnehmungswissenschaftler.

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