Einzelgespräche mit Atomen

Ein Schritt zum Quantencomputer: Garchinger Physiker können Atome in einem extrem kalten Gas gezielt zu Molekülen verbinden

9. April 2009

In diesem Punkt unterscheidet ein Computer sich kaum von einem Orchester: Damit beim Zusammenspiel etwas Hörenswertes herauskommt, muss der Dirigent Geigen, Flöten oder Hörnern jeweils andere Anweisungen geben. Genauso ist ein herkömmlicher PC oder ein Quantencomputer nur brauchbar, wenn sich seine Speicherpunkte einzeln ansteuern lassen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik haben jetzt eine Methode gefunden, mit der sie Atome in einem extrem kalten Gas möglicherweise einzeln ansteuern können. Die extrem kalten, und daher beinahe still stehenden Atome eines solchen Gases könnten den Prozessor eines Quantencomputers bilden. Bislang ließen sie sich aber nicht auf brauchbare Weise ansprechen, um ihnen Rechenbefehle zu geben oder Ergebnisse auszulesen. (Nature Physics advanced online publication, 6. April 2009)

Auf einem Schreibtisch wird so bald sicher kein Quantencomputer stehen, doch in Physik-Laboren werden die ersten Quantencomputer schon bald die Arbeit aufnehmen. Wenn auch in sehr einfachen Versionen und mit speziellen Aufgaben. Als Quantensimulatoren sollen sie Physikern nämlich helfen, ungeklärte Phänomene der Quantenphysik zu klären - etwa auf welche Weise Hochtemperatursupraleiter schon bei relativ hohen Temperaturen Strom ohne Widerstand leiten.

Die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching haben nun möglicherweise die Lösung für eines der Probleme gefunden, das einem solchen Quantencomputer im Wege steht. "Mit Hilfe eines Magnetfeldes und eines Lasers möchten wir künftig die Quantenbits gezielt mit Rechenbefehlen ansteuern, oder Daten aus ihnen auslesen", sagt Stephan Dürr, der die Arbeiten am Max-Planck-Institut für Quantenoptik geleitet hat. Als Quantenbits bezeichnen Physiker die Datenpunkte, mit denen ein Quantencomputer oder -simulator arbeitet. Anders als ein herkömmlicher Transistor kann ein Quantenbit viele Aufgaben parallel bearbeiten, wenn die Aufgaben geschickt gestellt werden - was Rechenoperationen drastisch beschleunigt. Dass sich die Datenpunkte nicht gezielt ansteuern lassen, steht derzeit noch einem Quantencomputer im Wege, dessen Prozessor aus einem extrem kalten Gas besteht.

Extrem kalt heißt, dass ein Gas auf wenige Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt, also fast bis 273,16 Grad unter Null abgekühlt wurde. Die Atome des Gases bilden dann ein Bose-Einstein-Kondensat. Das heißt, sie verlieren ihre Individualität und verhalten sich wie ein einziges Superatom. Das heißt auch, dass jedes Atom seine Nachbaratome spürt, da es immer wieder mit ihnen zusammenstößt.

Die Garchinger Wissenschaftler bändigen auf diese Weise ein Wölkchen aus knapp 100 000 Rubidium-Atomen. Sobald darin zwei Atome zusammenstoßen, greifen das Magnetfeld und der Laserstrahl zu: Quasi mit vereinten Kräften binden sie die beiden Atome zu einem Molekül zusammen - wenn auch nur für kurze Zeit. Aus dieser flüchtigen, aufgezwungenen Bindung gehen die Atome verändert hervor: Sie nehmen beispielsweise andere elektronische Zustände ein, das heißt ihre Elektronen bewegen sich auf etwas anderen Bahnen als vor der Partnerschaft.

Wie sich die Eigenschaften der Atome ändern, hängt von ihren Zuständen vor der Liaison sowie von der Stärke des Magnetfeldes und der Energie des Lasers ab. Daher könnte ein Quantencomputer auf diese Weise rechnen: Dem Anfangswert entspricht der Ausgangszustand der Atome, die Rechenoperation bewerkstelligen Magnetfeld und Laserstrahl, herauskommt ein Ergebnis, das am Endzustand der Atome abzulesen ist.

Mit Magnetfeldern oder Lasern zwingen Physiker schon seit längerem Atome zu Molekülen zusammen. Allerdings kombinieren sie die Methoden nicht, und mussten daher bislang sehr unpraktische Nachteile in Kauf nehmen: Wenn sie die Atome mit einem Magnetfeld verkuppeln, binden sie alle Pärchen gleichzeitig und auf gleiche Weise zusammen. Nutzen sie ausschließlich einen Laser zur Partnerschaftsvermittlung, geben sie den Atomen oft einen starken Schubs und katapultiert sie aus der Gaswolke. "Indem wir die Atome sowohl mit einem Magnetfeld als auch mit einem Laser ansteuern, vermeiden wir den Verlust der Atome, weil wir mit weniger intensivem Laserlicht arbeiten können", sagt Stephan Dürr. Das Laserlicht können er und seine Kollegen zudem so präzise steuern, dass es die Atome in sehr kleinen Bereichen der Wolke, möglicherweise sogar nur einzelne Atompärchen zu Molekülen vereint.

"Jetzt werden wir versuchen, auf diese Weise Rubidiumatome in einem Lasergitter anzusprechen", sagt Stephan Dürr. Denn Atome, die frei in einem Wölkchen schweben, sind nur schwer zu handhaben und für eine Anwendung nicht besonders praktisch. Physiker fangen kalte Gase daher in optischen Gitter: Sie überlagern Laserstrahlen so, dass sie eine Art optischen Eierkarton bilden. In den Mulden des Eierkartons sitzen die Atome, gehalten von der elektromagnetischen Kraft des Lichts. "Wenige oder sogar einzelne Atome in einem optischen Gitter gezielt ansteuern zu können, wäre ein großer Schritt", sagt Stephan Dürr: "Dann könnten wir endlich einen leistungsfähigen Quantensimulator bauen."

Zur Redakteursansicht