Die Wege der Immunabwehr sind ergründlich

Max-Planck-Forscher beobachten zelluläre Transportprozesse in Echtzeit

17. September 2009

Wer der Immunabwehr auf die Sprünge helfen will, muss ihre Wege kennen. Daher haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung gemeinsam mit Kollegen von der Jacobs Universität Bremen und der Queen Mary University London fremde fluoreszenzmarkierte Peptide in lebende Nagetierzellen geschleust. Als Vehikel für das Fremdeiweiß nutzten sie Mikrokapseln, die sie in den Zellen mit einem Infrarotlaser öffneten. So lösten sie künstlich eine Immunantwort aus. Anschließend verfolgten sie live, auf welchen Wegen das Immunsystem die leuchtenden Proteine auf die Zelloberfläche brachte, um sie als Antigene zu präsentieren. (Small, 30. Juli 2009)

Eine Zelle funktioniert auch nicht anders als die Bahn oder die Post - ohne ausgetüftelte Logistik läuft gar nichts. Auf engstem Raum nimmt die Zelle unzählige Stoffe auf, setzt sie um und gibt andere Stoffe ab. So geht sie auch gegen unerwünschte Eindringlinge vor: Sie schafft deren Proteine zu ihrer Oberfläche und präsentiert sie den Angriffstruppen des Immunsystems. Welche Transportwege die fremden Eiweiße nehmen, hat jetzt eine Gruppe um Forscher des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung beobachtet. "Die Erkenntnisse, die wir daraus gewinnen, könnten helfen, Schwachstellen im Immunsystem aufzudecken und die Immunabwehr zu stärken", sagt André Skirtach, der in der Arbeitsgruppe um Helmuth Möhwald, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm, arbeitet.

Die Wissenschaftler haben fluoreszierende Peptide in Mikrokapseln verpackt und diese benutzt, um die Eiweißschnipsel in die Zellen zu schleusen. Die Forscher des Potsdamer Max-Planck-Instituts stellen diese Mikrokapseln aus Polymeren her. Die Wände der Kapsel enthalten Gold-Nanopartikel, die sich mit einem Infrarotlaser aufheizen lassen und so die Polymere in ihrer Umgebung schmelzen.

Um die Kapseln zu produzieren und sie mit diesem ausgeklügelten Öffner auszustatten, scheiden die Forscher Kunststofffasern, in die sie geladene Goldteilchen eingelagert haben, auf einem mineralischen Kern ab. Anschließend lösen sie den Kern mit Säure auf. So entstehen poröse Hohlkugeln, die mit einem Durchmesser von rund zwei Mikrometern etwa die Größe eines kleinen Bakteriums erreichen. Durch die Öffnungen können gelöste Stoffe in die Kapseln eindringen. Mit Wärme lassen sich die Kugeln anschließend versiegeln: Der Kunststoff schrumpft, die Poren schließen sich und die Mikro-Shuttles sind bereit für ihre Reise ins Zellinnere.

Die Forscher schleusen die Kugeln nun in die Zellen ein, indem sie die Zellwänden mithilfe der Elektroporation - einer Art Elektroschockbehandlung - kurzzeitig durchlässig machen. Am Ziel angelangt, öffnen die Forscher die Kapseln mit dem Infrarotlaser und setzen den Inhalt gezielt frei.

Auf diese Weise haben die Forscher kontrolliert eine Immunantwort - die Antigenrepräsentation auf der Zelloberfläche - ausgelöst: Unter dem Mikroskop haben sie nun verfolgt, wie MHC-Moleküle, Proteinmoleküle des Immunsystems, die zellfremden Peptide aufgenommen und zur Zelloberfläche transportiert haben. Dort wurden sie in die Zellwand integriert und als Antigene repräsentiert.

Die Mikro-Shuttles zeichnen sich vor allem durch ihre Vielseitigkeit aus: Sie können zahlreiche Stoffe transportieren - zum Beispiel Proteine, DNA, RNA oder Flüssigkeiten. Das ermöglicht einerseits, zelluläre Transportprozesse zu beobachten, andererseits aber auch, Medikamente in Zellen einzuschleusen. So gelang es den Forschern bereits, Wirkstoffe in isolierte Tumorzellen zu bringen und dort freizusetzen. "Da das Licht des Infrarotlasers zumindest einen Zentimeter tief ins Gewebe eindringt und die Zellen dabei nicht schädigt, könnten wir mit Hilfe der Mikrokapseln im Prinzip auch Wirkstoffe im Körper freisetzen", sagt André Skirtach.

Da der Laser die Wand nur lokal und nur für die Dauer der Bestrahlung öffnet, ließe sich genau bestimmen, wann die Kapseln wie viel ihres Inhalts abgeben sollen. "Im ersten Schritt könnte etwa nur ein Teil des Inhalts freigesetzt werden, der Rest später", erklärt André Skirtach. Schließlich haben die Forscher viel Freiraum bei der Gestaltung der Kapseloberfläche. Das bietet ihnen auch die Möglichkeit, das Hauptproblem der Methode zu lösen: Elektroporation funktioniert zwar bei Zellen aus der Petrischale, nicht aber am lebenden Organismus. Daher wollen die Forscher die Außenhaut der Mikro-Shuttles mit spezifischen Antikörpern ausstatten, damit sie nur bestimmte Zellen ansteuern und von diesen auch eingelassen werden. Das wäre ein wichtiger Schritt, um Medikamente gezielt in Tumorzellen innerhalb eines Zellverbands zu transportieren.

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