Über Depression und Schizophrenie

Die Gertrud Reemtsma Stiftung vergibt den mit 50.000 Euro dotierten Zülch-Preis 2009 an die Psychiater Florian Holsboer und Daniel R. Weinberger

26. August 2009

20 Jahre ist er mittlerweile alt: der Zülch-Preis. Er wird jedes Jahr für besondere Leistungen in der neurologischen Grundlagenforschung vergeben. Dieses Jahr werden zwei Wissenschaftler geehrt, die Ursachen psychiatrischer Krankheiten auf molekularer Ebene erforschen: Florian Holsboer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München, und Daniel R.Weinberger vom National Institute of Mental Health in Bethesda, Maryland/USA, werden die Auszeichnung am 11. September in Köln entgegen nehmen.

Florian Holsboer, der 1945 in München geboren wurde, habilitierte sich 1984 für das Fach Psychiatrie und Neuroendokrinologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. Bereits 1989 berief ihn die Max-Planck-Gesellschaft als Direktor an das Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Das Institut, das sich vor allem der Erforschung von Depressionen und Angsterkrankungen widmet, zählt zu den international führenden Einrichtungen auf diesem Gebiet. Die Basis des Erfolgs ist das von Holsboer vertretene Prinzip, Fragestellungen der Grundlagenforschung in der Klinik zu gewinnen. Die Erkenntnisse aus den Grundlagenlabors fließen dann erneut in die klinische Forschung ein.

So fand Florian Holsboer beispielsweise heraus, dass bei Patienten mit Depressionen das Neuropeptid CRH (Corticotropin-releasing Hormon) nicht nur an der Konzentrationserhöhung von Stresshormonen beteiligt ist, sondern maßgeblich zu den bei Depressionen typischen psychischen Symptomen führt. In seinen Labors untersuchte er mit biochemischen und molekulargenetischen Methoden die Regelsysteme für Stresshormone. Dabei zeigte sich, dass bei depressiven Patienten ein Rezeptor in seiner Funktion gestört ist, der für die adäquate Rückregulation des Stresshormonssystems im Gehirn verantwortlich ist. Darüber hinaus identifizierte Florian Holsboers Arbeit die besondere Relevanz eines CHR-Rezeptors, dessen Aktivierung wesentlich zu den depressionstypischen Symptomen beiträgt. Holsboers Idee war es, diesen Rezeptor gezielt zu blockieren. Daraus entwickelte sich ein neuer Therapieansatz für Depressions-Patienten.

Zudem ist es notwendig, unter geeigneten Medikamenten dasjenige herauszufinden, das bei dem jeweiligen Patienten den besten Therapieerfolg bewirkt. Dabei half eine Entdeckung aus den Instituts-Laboratorien: Der Übertritt von antidepressiv wirksamen Medikamenten aus dem Blut in das Gehirn wird von Genvarianten beeinflusst, die zuständig sind für die Funktion der Blut-Hirn-Schranke. Mithilfe von Gentests gelang es den Wissenschaftlern um Florian Holsboer, Voraussagen dafür zu treffen, welcher Patient auf welches Medikament am besten reagiert. Damit war ein erster Schritt in Richtung "personalisierte Medizin" getan.

Daniel R. Weinberger, der 1947 in New York geboren wurde, studierte Medizin an der Johns Hopkins University. Er erwarb 1973 seinen medizinischen Doktortitel (MD) an der University of Pennsylvania und durchlief danach eine zehnjährige Ausbildung in Innerer Medizin, Neurologie und Psychiatrie an den Schools of Medicine der University of California in Los Angeles (UCLA), der Harvard University und der Georg Washington University. 1977 übernahm er erstmals Aufgaben innerhalb der Forschungsprogramme des National Institute of Mental Health (NIMH). Seit 1998 ist er Chef der Abeilung "Clinical Brain Disorders Branch" und seit 2003 Direktor des weltweit hoch angesehenen "Gene, Cognition and Psychosis"-Programms, das sich vor allem der Erforschung der Schizophrenie verschrieben hat.

Weinberger forschte bereits über anatomische Hirnabnormitäten bei Schizophrenie-Patienten als die bildgebenden Verfahren für antomische Studien an lebenden Hirnen - sowohl von Gesunden als auch von Hirnkranken - noch in den Kinderschuhen steckten. Bereits früh in seiner wissenschaftlichen Laufbahn setzte sich Weinberger intensiv mit diesen Methoden auseinander und hat entscheidend zu deren Weiterentwicklung beigetragen.

So entdeckte er bei Schizophrenie-Patienten Anomalien des Hippocampus, die auf Reifungsstörungen hinweisen. Diese Struktur des menschlichen Gehirns zählt zu den ältesten in der Evolution und ist die zentrale Schaltstelle des limbischen Systems, das unter anderem Emotionen steuert. Diese neurobiologische Entwicklungsstörung bildet die pathophysiologische Grundlage schizophrener Psychosen, so die Hypothese Weinbergers.

Weinberger und sein Team haben darüber hinaus auch viele Gene identifiziert, die das Risiko für Schizophrenie beeinflussen. Darunter wahrscheinlich - so Weinberger in einem aktuellen Interview - erstmalig auch ein Gen, das einen wichtigen biologischen Faktor steuert. Dieser bestimmt möglicherweise die Schizophrenieanfälligkeit einer Person mit. Schizophrenie scheint sich somit immer mehr als eine genetisch determinierte Krankheit herauszustellen.

Die Verleihung des Zülch-Preises findet am Freitag, den 11. September 2009 um 10.00 Uhr im Isabellensaal des Kölner Gürzenich statt. Die Laudatio für Florian Holsboer hält Isabella Heuser, Ordinaria für Psychiatrie an der Charité Berlin. Als Laudator für Daniel R.Weinberger konnte Peter Falkei, Ordinarius für Psychiatrie an der Universität Göttingen, gewonnen werden. Florian Holsboer wird in seinem Festvortrag über "Personalisierte Therapie der Depression - eine Herausforderung für die Grundlagenforschung" sprechen, Daniel R. Weinberger über "Schizophrenia: From genes to brain".

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