Besseres Fingerspitzengefühl für die Forschung

Verbesserung des Lernerfolgs durch Belohnung funktioniert auch beim Tastsinn

27. Juli 2009

Mit der Aussicht auf Belohnung lernt es sich besser. Das lehrt die Erfahrung, und auch in Studien konnte der Effekt bereits nachgewiesen werden. Erstmals konnten Forscher um Burkhard Pleger vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig und vom University College London nun zeigen, dass der "Belohnungseffekt" nicht nur die Verbesserung höherer kognitiver Fähigkeiten unterstützt, sondern auch auf Gehirnfunktionen des somatosenorischen Kortex wirkt, in dem taktile Reize verarbeitet werden. Zugleich stellten die Wissenschaftler fest, dass sich der Effekt durch Dopaminpräparate verstärken lässt. Die gezielte Manipulation des Dopaminspiegels im Hirn könnte neue Möglichkeiten der Therapie, etwa von Schlaganfallpatienten, eröffnen. (PloS Biology, 28. Juli 2009)

"Führt eine Entscheidung zum Erfolg, wird dies im so genannten Belohnungssystem des Hirns registriert", erklärt der Leipziger Max-Planck-Forscher Burkhard Pleger. Der Belohnungsreiz wird dann an das Areal weitergeleitet, das für die Entscheidung zuständig war. Auf diese Weise optimiert das Hirn seine Abläufe, sodass eine Aufgabe von Mal zu Mal besser erfüllt werden kann. "Unklar war bis jetzt, ob dieser Mechanismus auch für Funktionen des somatosensorischen Kortex gilt, der etwa die Berührungsempfindungen der Haut verarbeitet", sagt der Wissenschaftler.

Um diese Frage zu klären, konzipierten die Forscher für ihre Probanden eine Art Spiel: An beiden Zeigefingern der Testpersonen waren jeweils Elektroden angebracht, über die bei jedem Versuch nacheinander zwei elektrische Spannungen mit unterschiedlichen Frequenzen geleitet wurden. Die Teilnehmer sollten jeweils für einen Zeigefinger entscheiden, ob die erste oder zweite Spannung die höhere Frequenz hatte. Lagen sie damit richtig, wurde auf einem Bildschirm eine finanzielle Belohnung eingeblendet. Dass der Belohnungsreiz auch wirkt, wenn er rein visuell präsentiert wird, hatte sich in einer vorangegangenen Studie bereits erwiesen. Die Höhe der Belohnung wurde von Versuch zu Versuch des Experimentes variiert. Das Ergebnis: Je nach Belohnungshöhe gelang es den Probanden immer besser, die richtige Entscheidung zu treffen. "Es zeigte sich, dass der Belohnungseffekt, neben der bekannten Wirkung auf höhere kognitive Vorgänge, auch auf somatosensorische Prozesse Einfluss hat", sagt Pleger. "Er fällt dabei umso stärker aus, je höher die Belohnung ist."

Die Wissenschaftler interessierte darüber hinaus die Rolle des neuronalen Botenstoffs Dopamin. Vor Beginn des Experiments wurden die Testpersonen deshalb in drei Gruppen aufgeteilt. Der ersten Gruppe verabreichten die Forscher das Dopaminpräparat Levopoda, einer zweiten Gruppe den Dopamin-Hemmer Haloperidol. Die dritte Gruppe wurde zur Kontrolle mit einem Placebo behandelt. Das Wirkung war deutlich: Der Einfluss der Belohnung war bei denjenigen Teilnehmern am größten, deren Dopaminspiegel zuvor durch Levopoda erhöht worden war. Auch die Mitglieder der Placebo-Gruppe lernten nach jedem Versuch dazu, allerdings weniger stark. Bei den Teilnehmern, denen der Dopamin-Hemmer verabreicht wurde, fehlte der Belohnungseffekt dagegen völlig.

"Offenbar wird die Interaktion zwischen den Regionen des Belohnungssystems und dem somatosensorischen Kortex über den Botenstoff Dopamin vermittelt", sagt Pleger. Diese Entdeckung eröffnet interessante Anwendungsmöglichkeiten für die Medizin. Durch gezielten Einsatz von Dopaminpräparaten könnte man in Zukunft zum Beispiel die Rehabilition von Schlaganfallpatienten unterstützen, schreiben die Forscher. Theoretisch seien auch Anwendungen für pharmazeutische "Lernverstärker" denkbar. Doch dabei ist Vorsicht geboten: "Ein übermäßig erhöhter Dopaminspiegel im Hirn wurde schon als Ursache für psychische Störungen wie Schizophrenie identifiziert", gibt Burkhard Pleger zu bedenken - "zu viel ist also nicht nur nicht gut, sondern könnte sogar gefährlich sein."

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