Eine verbindliche Formel für Frauen
Wir können es uns nicht leisten, die Begabung herausragender Wissenschaftlerinnen zu verschenken.
Verglichen mit anderen deutschen Forschungsorganisationen steht die Max-Planck-Gesellschaft immer noch gut da. Aber ein Frauenanteil von nicht einmal neun Prozent unter unseren Direktoren kann nicht zufriedenstellend sein. Deshalb hat der Senat in seiner Märzsitzung eine Selbstverpflichtung zur Steigerung von Wissenschaftlerinnen in Führungspositionen beschlossen. Innerhalb der kommenden fünf Jahre soll der Anteil von Frauen in den TVöD-Entgeltgruppen E13 bis E15Ü sowie bei den W2- und W3-Stellen zusammen um jährlich einen Prozentpunkt steigen.
Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft haben ein brennendes Problem: Frauen müssen endlich angemessen beteiligt werden, und zwar auch in den Spitzenpositionen. Wir verschenken wertvolle Potenziale, wenn Frauen weiterhin deutlich schlechtere Chancen haben als Männer. Nur: was ist der richtige Weg? Wie kommen wir zu einer angemessenen Repräsentanz von Frauen in Führungspositionen – auch in der Max-Planck-Gesellschaft?
Nach wie vor öffnet sich die Schere zwischen Männern und Frauen in der Wissenschaft von Karrierestufe zu Karrierestufe: Während etwas mehr Frauen als Männer ein Studium abschließen, liegt das Verhältnis bei den Promotionen bei etwa 45 zu 55 zugunsten der Männer. Unter den Postdocs und auf den W2-Stellen finden sich nur mehr knapp 30 Prozent Frauen. Bei den Habilitierten liegt der Anteil der Frauen dann nur noch bei rund 25 Prozent. Und von den W3-Stellen sind am Ende weniger als 10 Prozent von Frauen besetzt – eine ernüchternde Bilanz. Aber wo liegen die Ursachen?
Ich möchte drei Faktoren herausgreifen, die Frauen eine wissenschaftliche Laufbahn erschweren: die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Unsicherheit der wissenschaftlichen Karriereplanung – vor allem durch Zeitverträge – und die Tatsache, dass die Überzahl an Männern in der Wissenschaft Forscherinnen oft zu wenig beachtet.
Besonders schwer haben es tatsächlich Wissenschaftlerinnen mit Kindern. Denn Betreuungsangebote sind nach wie vor rar. Mit diesem Problem stehen wir in der Wissenschaft nicht allein, aber es wirkt sich bei uns besonders gravierend aus. Denn Wissenschaftlerinnen können es sich nicht leisten, über längere Zeit aus ihrem Beruf auszusteigen – dafür ist der wissenschaftliche Fortschritt zu schnell. In der Max-Planck-Gesellschaft versuchen wir, Beschäftigte mit Familie besonders zu unterstützen. So haben wir die Zahl der Kinderbetreuungseinrichtungen deutlich ausgebaut: 47 unserer Institute haben mittlerweile Kooperationsvereinbarungen mit externen Trägern von Kitas, sechs neue sind in Planung. Das audit berufundfamilie der Hertie-Stiftung, dem wir uns seit 2006 unterziehen, fördert zusätzlich eine familienfreundliche Personalpolitik. Mithilfe der Zertifizierung können wir unsere Ziele und Maßnahmen für Bewerberinnen transparent zu machen. Allerdings sind wir auch auf die Politik angewiesen: Die Max-Planck-Gesellschaft kann nur versuchen, Plätze in Kitas für ihre Mitarbeiter sichern. Generell ist sie dabei von einem großflächigen und gut ausgebauten Betreuungsangebot abhängig.
Die Unsicherheit bei der Karriereplanung ist dagegen ein wissenschaftsimmanentes Phänomen. Eine wissenschaftliche Karriere kann nicht so verlaufen wie eine Verwaltungslaufbahn. Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen Auslandserfahrung sammeln und sollten verschiedene Einrichtungen kennenlernen. Daher muss ein gewisser Anteil von Stellen in der Wissenschaft befristet sein – und zwar nicht nur bei uns zu, sondern auch in anderen wichtigen Forschungsnationen. Und das trifft nicht nur Frauen, sondern auch Männer. Wir sollten allerdings darauf achten, dass Frauen nicht öfter als Männer Zeitverträge bekommen. Und wir müssen neue Karrierewege aufmachen, indem wir beispielsweise verstärkt Tenure Track anbieten. Die Chance, nach einer befristeten Bewährungszeit eine dauerhafte Leitungsstelle zu bekommen, verringert die Unsicherheit.
Die dritte Ursache ist besonders heikel. Es ist durch Studien belegt, dass männliche Wissenschaftler in der Regel Männer bevorzugen. Hier werden unbewusste Rollenbilder wirksam. Gleichzeitig haben viele Frauen eine geringere Motivation als Männer, Top-Positionen anzustreben, wie eine aktuelle Umfrage des Centrums für Hochschulentwicklung bestätigt. Das hängt vermutlich mit der Bewertung durch Vorgesetzte und Kollegen zusammen.
Was können wir tun, um diese Klischees zu durchbrechen? Selbsterkenntnis ist sicher auch hier der erste Schritt zur Besserung. Das heißt, wir müssen aktiv Frauen fördern, begleiten und ermutigen. Coaching und Mentoring-Programme haben sich als wirksam erwiesen. Weiblichen Postdocs bieten wir spezielle Führungskräfte-Trainings an. Gleichzeitig ist es wichtig, dass herausragende Wissenschaftlerinnen sichtbarer werden. Datenbanken wie das AcademiaNet der Robert-Bosch-Stiftung sind dafür ein guter Ansatz. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass Frauen eher eine Chance bekommen, wenn sie von Wissenschaftlerinnen beurteilt werden. Daher achten wir darauf, dass in jedem Evaluierungs- und Berufungsgremium mindestens ein Mitglied weiblich ist.
Bei all diesen Aktivitäten lohnt es sich, auch einen Blick ins Ausland zu werfen. Ein interessantes Beispiel sind die USA, wo die Gleichberechtigung von Wissenschaftlerinnen in Führungspositionen bereits seit bald zwanzig Jahren ein zentrales Thema ist. In der vergangenen Dekade haben sich nach Angaben der National Science Foundation die Anteile von Wissenschaftlerinnen in den höchsten Positionen um etwa einen Prozentpunkt jährlich erhöht. So stieg die Frauenquote in der „senior faculty“ von 1997 bis 2008 von 17 auf 27 Prozent. Auffällig ist allerdings, dass auch in Fächern, in denen Frauen traditionell gut vertreten sind, etwa in den Social Sciences und den Life Sciences, der weibliche Anteil weiterhin nicht über einem Drittel liegt.
Insgesamt scheint es schwierig, den Anteil von Frauen in Spitzenpositionen über diese Marke zu heben – und zwar auch außerhalb der Wissenschaft und in einem Umfeld, das Frauen besonders fördert. Das haben kürzlich auch Zahlen aus den Berliner Ministerien deutlich gemacht: Selbst im Bundesfamilienministerium sind nicht mehr als 29,4 % der Staatssekretäre, Abteilungsleiter und Unterabteilungsleiter weiblich.
Der Blick über den Tellerrand zeigt, dass die Max-Planck-Gesellschaft ihre Ziele realistisch steckt. Verglichen mit anderen deutschen Forschungsorganisationen steht sie immer noch gut da. Aber ein Frauenanteil von nicht einmal neun Prozent unter unseren Direktoren kann nicht zufriedenstellend sein. Deshalb hat der Senat in seiner Märzsitzung eine Selbstverpflichtung zur Steigerung von Wissenschaftlerinnen in Führungspositionen beschlossen. Innerhalb der kommenden fünf Jahre soll der Anteil von Frauen in den TVöD-Entgeltgruppen E13 bis E15Ü sowie bei den W2- und W3-Stellen zusammen um jährlich einen Prozentpunkt steigen. 2017 sollte ein Drittel der genannten TVöD-Stellen weiblich besetzt sein, sowie ein Viertel in W2/W3. Schon zwischen 2005 und 2010 haben wir mit einer solchen Selbstverpflichtung gute Erfahrungen gemacht.
Das Ziel wirkt auf den ersten Blick nicht besonders spektakulär. Man muss sich aber vor Augen führen, dass die Fluktuation in einem Fünfjahreszeitraum begrenzt ist. Gerade die Direktorenposten sind langfristig besetzt, sodass wir den Frauenanteil hier nur nach und nach erhöhen können. Dazu kommt: Fünf oder gar acht Prozentpunkte sind in absoluten Zahlen ein merklicher Zuwachs. Die Steigerung der W2- und W3-Frauenanteile von 2005 bis 2010 hatte konkret zur Folge, dass sich die Anzahl der Wissenschaftlerinnen dort mehr als verdoppelt hat. Insgesamt konnten wir die Zahl der Frauen auf den genannten Stellen um 53 Prozent steigern. Auf diese Weise sind Wissenschaftlerinnen an den verantwortlichen Positionen unserer Institute spürbar präsenter geworden. Mit der neuen Selbstverpflichtung haben wir uns vorgenommen, die Zahl der Direktorinnen noch einmal um 60 Prozent zu steigern, die der Forschungsgruppenleiterinnen (W2) und der führenden Wissenschaftlerinnen im TVöD-Bereich um rund ein Fünftel.
Wir können es uns einfach nicht leisten, die Begabung herausragender Wissenschaftlerinnen zu verschenken. Gerade in der Max-Planck-Gesellschaft brauchen wir die Ausnahmetalente, wir brauchen die kreativen Querdenkerinnen.