Eine Backstube für Kometenkristalle

13. Mai 2009

Es war lange ein Rätsel der Wissenschaft, wie kleine Silikatkristalle, deren Bildung eine brennend heiße Umgebung erfordert, ihren Weg ins Innere von eiskalten Kometen gefunden haben. Wie konnten sie weit draußen in den tiefgekühlten Außenbereichen des Sonnensystems entstehen? Ursprünglich existierten diese Silikatteilchen als Festkörper ohne regelmäßiges Kristallgitter in der dichten Wolke aus Gas und Staub, aus der später das Sonnensystem entstanden ist. Woher kam die notwendige Energie, die es den Silikaten ermöglichte diese geordnete Struktur anzunehmen? Diese Fragen haben die Astronomen aus Heidelberg, Budapest und Leiden jetzt beantwortet. (Nature, 14. Mai 2009)

EX Lupi ist ein junger Stern, der unserer Sonne in ihrem Zustand vor viereinhalb Milliarden Jahre sehr ähnlich sieht. Er weist zwei wesentliche Merkmale auf, die für sehr junge Sterne typisch sind: Zum einen ist er von einer dichten Scheibe aus Staub und Gas umgeben, die in den Außenregionen sehr kalt ist. Zum anderen zeigt er etwa alle vier bis fünf Jahre einen einige Monate andauernden Helligkeitsausbruch, bei dem seine Leuchtkraft um das Fünf- bis Zehnfache ansteigen kann. Solche Ausbrüche werden dadurch ausgelöst, dass die Gasscheibe, die sich in der Umgebung des Sterns befindet, instabil wird und aus ihr größere Mengen Materie auf den Stern einstürzen.

"Etwa alle 50 Jahre kommt es zu einem besonders starken Ausbruch. Auch die Sonne hat wahrscheinlich in ihrer frühesten Kindheit eine solche aktive Phase mit unregelmäßigen Helligkeitsausbrüchen und wechselhafter Helligkeit durchlaufen", so Péter Ábrahám vom Konkoly-Observatorium in Budapest und Erstautor der Studie. Die Astronomen hatten mit dem Spitzer-Weltraumteleskop bereits 2005 ein Infrarotspektrum von EX Lupi aufgenommen, während der Stern in seinem ruhigen Zustand verweilte. Dieses Spektrum enthielt keinerlei Hinweise auf die Anwesenheit kristalliner Silikate. Aber im April 2008 erwischten sie den Stern während eines seiner Helligkeitsausbrüche: Zwar hatte der damalige Ausbruch sein Maximum bereits überschritten, aber der Stern war immer noch 30-mal so hell wie im Ruhezustand.

Das neue Spektrum unterschied sich deutlich vom alten und zeigte nun, dass zusätzlich zu den amorphen Silikaten auch eine kristalline Form vorhanden war: Forsterit, ein Mineral, das sowohl in den Gasscheiben in der Nähe junger Sterne, als auch in Kometen in unserem Sonnensystem beobachtet wird. Die Temperatur der Kristalle zum Zeitpunkt der Beobachtung war wesentlich höher als die Temperatur der Scheibe im Ruhezustand des Sterns.

"Wir sind vermutlich erstmals Zeugen des Kristallisationsprozesses geworden", sagte Attila Juhász vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, einer der Mitautoren der Arbeit. "Offenbar entstehen die Kristalle während der Helligkeitsausbrüche durch das Aufheizen und Ausglühen der Silikatteilchen nahe der Oberfläche der inneren, dicken Staub- und Gasscheibe: Beim Ausglühen wird das Material auf eine Temperatur erhitzt, bei der seine chemischen Bindungen aufgebrochen werden und neue, andersartige entstehen: Dadurch verändert sich auch die äußerlich sichtbare Struktur der Teilchen."

Dieses Ergebnis bietet einen völlig neuen Ansatz zum Verständnis der Entstehung der Kometenkristalle. Unmittelbar nach der Entstehung sind die Kristalle in der Scheibe noch an deren Oberfläche konzentriert und prägen dem beobachteten Spektrum ihr charakteristisches Merkmal auf. Später vermischen sie sich mit dem weiter innen liegenden Material und reichern es auf diese Weise bei jedem Ausbruch des Zentralsterns etwas stärker mit kristallinen Silikaten an. "Solange das System noch sehr jung ist, sind die kristallinen Silikate nur während der Ausbrüche beobachtbar, wenn sie an der Oberfläche der Scheibe konzentriert sind", erklärt Jakob Staude vom Max-Planck-Institut für Astronomie.

Bisher hatten die Forscher zwei andere Möglichkeiten in Betracht gezogen, die erklären, wie die kristallinen Silikate in Kometen und zirkumstellaren Scheiben durch Ausglühen erzeugt werden: Entweder das Material im innersten Bereich der Scheibe wird durch die Strahlung des jungen Sterns über längere Zeit erhitzt. Aber dies widerspricht dem Befund, dass das im Normalzustand des Sterns aufgenommene Spektrum keinen Hinweis auf kristalline Silikate enthält. Oder ein größerer Körper, etwa ein heranwachsender Planet, löst innerhalb der Scheibe eine Schockwelle aus, welche auf die Staubteilchen kurzzeitig viel Energie überträgt. Dadurch werden sie plötzlich auf die zur Kristallisation erforderliche Temperatur erhitzt und kühlen anschließend ähnlich schnell wieder ab. Aber die hohe Temperatur der während des Ausbruchs beobachteten Kristalle steht im Widerspruch zu diesem zweiten Modell, denn man würde erwarten, dass die Temperatur der Silikatteilchen unmittelbar nach dem Schock auf ihren Normalwert zurückfällt.

Die Beobachtungen von Juhász und Kollegen passen also zu keinem der beiden bisherigen Szenarien. "Wir kamen deshalb zu dem Ergebnis, dass ein dritter, bisher noch nicht in Betracht gezogener Prozess die Kristallisation durch Ausglühen bewirkt - nämlich die Aufheizung der amorphen Silikate durch den Helligkeitsausbruch des Zentralsterns", sagt Péter Ábrahám. Während der aktiven, durch zahlreiche Ausbrüche gekennzeichneten Phase der jungen Sterne reichern sich die kristallinen Silikate in deren zirkumstellarer Scheibe an und wandern dann in die sich bildenden Kometenkerne ein.

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