Wasserbad als Ordnungshilfe

Winzige Kunststoffkügelchen sortieren sich eigenständig zu einer regelmäßig strukturierten Schicht

23. Januar 2009

Wenn Ordnung schaffen immer so einfach wäre: Nanokugeln ordnen sich von selbst, wenn sie nach einer Methode behandelt werden, die Forscher des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung jetzt entwickelt haben. Sie produzieren die winzigen Kunststoffkügelchen zunächst in einer Emulsion aus Wasser und Styrol und trocknen sie, nur um sie anschließend wieder ins Wasser zu werfen. Dann schwimmen die Kügelchen an der Oberfläche und ordnen sich sauber. Da sie dabei fest aneinander haften, können die Forscher sie einfach als kristalline Schicht auf einem beliebigen Gegenstand abscheiden. Auf diese Weise hergestellte Kugelschichten könnten etwa als nicht-reflektierende Schutzschicht auf Bildschirmen und Bilderrahmen dienen oder auf Membranen aufgetragen werden, um Filter mit genau festgelegten Porengrößen herzustellen. (Macromulecular Chemistry and Physics 2009, 210, DOI:10.1002/macp200800484)

Polystyrol taucht in vielfältiger Form im Alltag auf. CD-Verpackungen, Joghurtbecher und Materialien zur Wärmedämmung sind nur einige der Dinge, die aus dem Kunststoff bestehen. Auch in der Nanowelt verwenden Forscher gerne Polystyrol, und zwar meist in Form winziger Kügelchen. Zum einen weil sie damit leicht grundlegende Phänomene untersuchen können, zum anderen, weil sich die Partikel auch für manche Anwendung eignen: So lassen sich damit Oberflächen für Datenspeicher oder Biosensoren strukturieren. Dafür aber müssen die Kügelchen geordnete Schichten bilden.

Wie Ulrich Jonas und seine Kollegen am Max-Planck-Institut für Polymerforschung nun untersucht haben, ist es gar nicht schwer, Kügelchen, die kleiner als ein Mikrometer sind, diese Ordnung beizubringen: Sie wachsen zunächst in einem Gemisch aus Styrol und Wasser, in dem die Styroltröpfchen ähnlich wie Öltropfen fein im Wasser verteilt sind. Ein Salz führt dazu, dass sich das Styrol verändert: Aus den Tröpfchen werden kleine Kugeln, die Polystyrolkugeln. Trocknen die Forscher sie, um sie anschließend wieder einzuweichen, gehen die Kügelchen nicht mehr unter, sondern schwimmen geordnet obenauf. Das verblüffende Verhalten der Polymere ist den Chemikern seit Längerem bekannt, die Ursache noch ungeklärt. Sie könnte darin liegen, dass die wasserliebenden Teile des Kunststoffs beim Trocknen in das Innere des Kügelchens wandern, die wasserabweisenden Teile nach außen.

Um dünne Kunststoffschichten herzustellen, nutzen die Wissenschaftler diesen wandelbaren Charakter der Polymere. Allerdings müssen sie die Kügelchen zum Trocknen großzügig auf einer Oberfläche verteilen. Denn nur wenn die Teilchen sich dabei nicht berühren, bilden sie später eine perfekt geordnete Schicht.

Sobald die Kügelchen das zweite Bad nehmen, rücken sie so dicht zusammen, dass jede Kugel von sechs Nachbarn umringt ist. Das ist platzsparend und sorgt für starke Haftung - so stark, dass die Forscher den dünnen Film leicht von der Wasseroberfläche auf eine feste Unterlage übertragen können. Dazu tauchen sie den Gegenstand, den sie beschichten wollen, unter die schwimmenden Kugeln und ziehen ihn mit diesen wieder aus dem Wasser. Auf diese Weise lässt sich der Kunststofffilm sogar auf gekrümmten Oberflächen platzieren.

So können die Wissenschaftler nicht nur einfach großflächige streng geordnete Schichten herstellen, sondern auch mehrere Schichten wie Holzbretter übereinanderstapeln. "Mit der Größe der Polymerpartikel lassen sich die Eigenschaften der Kugelmonoschichten steuern", erklärt Jonas. Schichten aus kleineren Teilchen etwa eignen sich zum Entspiegeln von Oberflächen. Schichten aus größeren Teilchen zeigen den Lotus-Effekt: Wassertropfen perlen an ihnen ab und reinigen dabei die Oberfläche. Auch als Bedampfungsmaske setzen die Forscher eine Lage der Plastikkügelchen ein. Auf diese Weise können sie nanoskopische optoelektronische Bauelemente strukturieren.

Das Besondere der Schichten sind ihre winzigen Löcher, die entstehen, weil sich Kugeln aufgrund ihrer Form nicht lückenlos aneinanderfügen lassen, selbst wenn sie noch so eng zusammenrücken. "Dünne Filme aus Kunststoff lassen sich mit anderen Verfahren leicht herstellen", sagt Jonas. "Eine solche Fläche dann aber gleichmäßig zu durchlöchern, ist schwierig." Das neue Verfahren der Max-Planck-Forscher liefert die Poren auf einfache Weise mit - quasi als Nebeneffekt der dichten Ordnung.

Neben Kügelchen aus Polystyrol haben die Wissenschaftler auch solche aus Plexiglas verwendet, um nach der neuen Methode dünne Kunststoffschichten zu produzieren. "Unser Verfahren eröffnet Wege, nanostrukturierte Materialien mit neuen Eigenschaften maßzuschneidern", erläutert Jonas. Derzeit experimentiert sein Team an Schichten, die in einer Lage aus Bereichen verschiedener großer Kugeln bestehen sollen.

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