Ein Schneideprotein kann auch kleben

Kölner Max-Planck-Forscher entdecken neue Funktion eines bekannten Enzyms

Enzyme spielen eine wichtige Rolle im Stoffwechsel lebender Organismen: Sie katalysieren biochemische Reaktionen, zersetzen Proteine, kopieren Erbinformation, steuern die Fotosynthese und regulieren viele hoch komplexe Stoffwechselwege. Bei Pflanzen ist die Funktion vieler Enzyme noch weit gehend unbekannt. Durch das so genannte "activity-based protein profiling" (ABPP) kann man Enzyme mitten in der Reaktion quasi erstarren lassen und somit analysieren, mit welcher Aufgabe im Organismus sie gerade beschäftigt waren. Kölner Wissenschaftler haben nun mit Hilfe dieser Technik ein bereits bekanntes Enzym nicht bei seiner eigentlichen, den Forschern bereits bekannten Tätigkeit "erwischt", sondern bei einer neuen Aufgabe: Anstatt Proteine chemisch zu spalten, war das Enzym damit befasst, die Moleküle zusammenzukleben. (Nature Chemical Biology, Online-Ausgabe 27. Juli 2008).

Die Funktionsweise von Enzymen beruht auf chemischen Interaktionen. Der wichtigste Teil des Enzyms ist das aktive Zentrum. Hier docken die Substrate an, auf die das Enzym Einfluss nehmen soll, und bilden den sogenannten Enzym-Substrat-Komplex. Weil die Andockstelle sehr spezifisch ist, können nur bestimmte Substrate mit entsprechenden Enzymen diesen Komplex bilden. Die Wechselwirkung erfolgt nach dem "Schlüssel-Schloss-Prinzip".

Bei sehr vielen Enzymen weiß man noch nicht, welche Funktionen sie in der Zelle erfüllen. Forscher um Renier van der Hoorn am Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung setzten ein spezielles Verfahren ein, das als "activity-based protein profiling" (ABPP) bezeichnet wird, um Enzyme im Moment der Aktion quasi festzuhalten. Dabei binden die Enzyme, die aus Blattextrakten der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) gewonnen werden, an spezielle Inhibitoren. Bei der Aufklärung der verschiedenen Aufgaben eines Enzyms liefern diese Informationen für die Wissenschaftler wichtige Puzzlesteine.

Das Enzym RD21 spaltet eigentlich Proteine. In ihren Experimenten entdeckten die Forscher nun eine ganz neue Fähigkeit: RD21 zerschnitt nämlich nicht - wie erwartet - das hinzugefügte Protein, sondern heftete andere Proteine an das Stickstoff-Ende an. Es kann demzufolge auch Peptide biochemisch zusammen fügen. "Als wir das Enzym plötzlich an einer ganz unerwarteten Stelle in einer unerwarteten Bindung fanden, dachten wir zunächst, dass es sich um einen Artefakt handelt", so Renier van der Hoorn. "Aber unser Forscherdrang veranlasste uns, der Sache auf den Grund zu gehen und führte uns in ein molekulares Gebiet, an das wir niemals gedacht hatten."

Denn was zunächst recht unspektakulär klingt, bedeutet für die Forscher einen großen Gewinn, erweitert es doch ihren molekularen Werkzeugkasten. Sie können nun mit Hilfe des RD21-Enzyms die verschiedenen Proteine sowie Proteinbausteine markieren und die Forschung damit effizienter gestalten und erleichtern.

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