Mit "fließenden" Füßen der Schwerkraft trotzen

Forscher beobachten Insektenfüße im Röntgenmikroskop und entdecken Erstaunliches

4. Juni 2008

"Fließende" Härchen an den Füßen ermöglichen es Käfern, an der Decke zu laufen. Das haben Stanislav N. Gorb vom Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart und seine Kollegen Thomas Eimüller von der Ruhr-Universität Bochum und Peter Guttmann vom Synchrotronstrahlungslabor BESSY II in Berlin mittels Röntgenmikroskopie erstmals beobachten können. Die Forscher stellten fest, dass sich die flachen Enden der vielen Tausend winzigen Härchen, aus denen das Insektenbein besteht, beim Kontakt mit der Oberfläche wie eine zähe Flüssigkeit verhalten. Dieses viskoelastische Fließen vergrößert die wirksame Kontaktfläche und trägt zu der hohen Haltekraft bei, die das Körpergewicht des Käfers übertrifft und ihn an der Decke hält. (Journal of Experimental Biology, 1. Juni 2008)

Schon Aristoteles wunderte sich über die Fähigkeit von Insekten, an der Decke zu laufen. Haken, Saugnäpfe oder klebrige Flüssigkeiten wurden lange Zeit als Ursache vermutet. Doch systematische Untersuchungen in jüngerer Zeit widerlegten diese Hypothesen. Es zeigte sich vielmehr, dass ein Insektenfuß aus tausenden von feinen, mikrometerkleinen Härchen besteht, die über Adhäsionskräfte an der Oberfläche haften. Das Unterteilen der Kontaktfläche in sehr viele Einzelkontakte ist dabei ein wirksames Prinzip zum Erreichen hoher Haltekräfte. Je schwerer das Tier, desto zahlreicher und feiner sind die Haare. Während eine Fliege etwas mehr als 5000 Hafthärchen besitzt, verfügen Geckos schon über etwa 500 000 feinste Härchen - wobei das einzelne Härchen nur 0.2 bis 0.5 Mikrometer misst.

Die feinen Hafthaare im frischen Kontakt mit dem Untergrund zu studieren, war mit bisherigen Techniken wie der Elektronenmikroskopie allerdings nicht möglich; denn dann muss man die Proben trocknen und im Vakuum untersuchen. Der Biologe Stanislav N. Gorb, Leiter der Forschungsgruppe "Evolutionary Biomaterials" am Max-Planck-Institut für Metallforschung, suchte deshalb Unterstützung bei den beiden Physikern Thomas Eimüller, Nachwuchsgruppenleiter an der Ruhr Universität Bochum, und Peter Guttmann vom Synchrotronstrahlungslabor BESSY II in Berlin.

Die drei Forscher setzten eine ganz neue Abbildungstechnik für Insektenfüße ein: Mit einem Röntgenmikroskop des Synchrotronstrahlungslabors gelang es ihnen, Insektenhaare in Kontakt mit einer Oberfläche zu studieren. Als Kontaktfläche diente eine sehr dünne Folie, die für Röntgenstrahlung durchlässig ist. "Diese Methode ermöglicht es, Materialdicken nanometergenau zu vermessen", so Peter Guttmann. "Wir konnten die Insektenhärchen mit einer Auflösung von zirka 30 Nanometern untersuchen", ergänzt Thomas Eimüller.

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