Plasmakristalle im All

Ein Symposium würdigt die zehnjährige deutsch-russische Zusammenarbeit auf der Raumstation ISS

14. November 2008

Am 17. und 18. November veranstaltet das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching ein Symposium anlässlich der zehnjährigen deutsch-russischen Zusammenarbeit auf der Raumstation ISS. Als Gäste sind auch neun Kosmonauten eingeladen. Im Rahmen des Symposiums werden die auf der ISS erarbeiteten Forschungsergebnisse zu komplexen Plasmen vorgestellt und diskutiert.

Begründet wurde die deutsch-russische Kooperation 1998: Damals schlug der russische Forschungsminister Vladimir Fortov während eines Besuchs bei Prof. Gregor Morfill am Garchinger Max-Planck-Institut vor, gemeinsam ein Plasmakristall-Experiment auf der russischen Raumstation MIR vorzunehmen. Finanziert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) wurde das PKE-Nefedov-Labor am Garchinger Max-Planck-Institut gemeinsam mit der Weltraumindustrie gebaut. Doch das Ende von MIR kam noch vor Fertigstellung der Apparatur - und so wurde die Untersuchung komplexer Plasmen zum ersten naturwissenschaftlichen Vorhaben und avancierte zum erfolgreichsten Experiment auf der Raumstation ISS. Ende 2005 löste PK-3 Plus das PKE-Nefedov-Labor ab.

Die besonderen Eigenschaften eines komplexen Plasmas, das neben Elektronen und Ionen aus elektrisch geladenen makroskopischen Partikeln besteht, erlauben Untersuchungen von Festkörpern, Flüssigkeiten und Gasen (Plasmen) als Modellsystem auf dem Niveau einzelner Atome. Dies ermöglicht ganz neue Einblicke in die mikroskopische Physik und macht den interdisziplinären Charakter der Forschung aus. Allerdings lassen sich komplexe Plasmen unter Schwerelosigkeit sehr viel einfacher und ungestörter erforschen als am Erdboden. Das gilt vor allem für die Bildung von Plasmakristallen, in denen sich die geladenen Teilchen zu geordneten, gitterartigen Strukturen fügen: ein Vorgang, der sich unter dem störenden Einfluss der Gravitation nur unter bestimmten Bedingungen beobachten lässt.

Deshalb wurden von russischer Seite Experimente mit komplexen Plasmen in das wissenschaftliche Programm an Bord der ISS aufgenommen. Und der Erfolg blieb nicht aus: Mittlerweile wurden die im All erarbeiteten neuen Erkenntnisse in 40 wissenschaftlichen Publikationen präsentiert - und sollen nun auch auf dem zweitägigen Symposium in Garching vorgestellt und gefeiert werden. "Wir erhoffen uns eine interessante Diskussion, in der die Projekte aus allen Blickwinkeln beleuchtet werden. So werden wir die Technologie diskutieren und unsere Erfahrungen im Umgang mit komplexen Plasmen unter Schwerelosigkeit vorstellen. Als einer der Höhepunkte wird am Montagmorgen der Kosmonaut Pavel Vinogradov über seine wissenschaftliche Arbeit auf der ISS berichten", sagt Hubertus Thomas, Projektwissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik.

Grund zum Feiern gibt es genug, sind die Forschungen doch nicht nur für die Physik, sondern für breite Bereiche der Technologie und sogar für die Medizin bedeutsam. Denn es hat sich gezeigt, dass sich die Plasmen für die Behandlung schlecht heilender Wunden einsetzen lassen. Ersten Anwendungen zufolge fühlen sich Plasmabehandlungen nur wie ein sanfter Wind auf der Haut an und zeigen bisher keine Nebenwirkungen. Um Plasma-Instrumente für medizinische Anwendungen zu entwickeln, nutzen die Garchinger Forscher die technischen Erfahrungen, die sie bei den physikalischen Experimenten unter anderem auf der ISS gesammelt haben. Diese laufen unaufhaltsam weiter: Von ihnen erhoffen sich die Garchinger Physiker auch künftig weitere Erkenntnisse in der Festkörperforschung, der Flüssigkeitsdynamik und zur weichen Materie, die wie Sand sowohl Eigenschaften einer Flüssigkeit als auch eines Feststoffs vereint.

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