Zuviel Kontakt

Das Spielen der Jungtiere verursacht bei Schimpansen ein zyklisches Auftreten von Atemwegserkrankung

19. Juni 2008

Ein Forscherteam vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie hat herausgefunden, dass die zyklisch verlaufende Kindersterblichkeit bei jungen Schimpansen im Alter von zwei Jahren stark ansteigt, wenn das soziale Spiel der Jungtiere miteinander seinen Höhepunkt erreicht. Auch bei Menschenkindern wird ein zyklisches Auftreten von Atemwegserkrankungen beobachtet und es wurde lange Zeit mit dem Wirken natürlicher Kreisläufe in Verbindung gebracht. Möglicherweise sind daran aber auch enge soziale Kontakte zwischen Kindern bereits im Vorschulalter beteiligt. (PLoS One, 17. Juni 2008)

Forscher vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie konnten in früheren Arbeiten zeigen, dass im Taï Nationalpark (Elfenbeinküste) lebende Schimpansen durch wiederholt vom Menschen eingeschleppte Atemwegserkrankungen getötet wurden. In einer aktuellen Studie, haben sie Daten zur Kindersterblichkeit in zwei Schimpansengruppen im Taï Nationalpark (Elfenbeinküste) aus über zwei Jahrzehnten ausgewertet. Dabei konnten sie nachweisen, dass die Sterblichkeit in zwei verschiedenen Intervallen verläuft: Im Laufe eines Jahres kommt es zu einem Höhepunkt der Sterbewelle, zu einer Zeit in der es Nahrung im Überfluss gibt und die Schimpansen am geselligsten sind. Die Kindersterblichkeit verläuft dagegen in einem etwa dreijährigen Zyklus.

"Dieser Dreijahreszyklus ist scheinbar selbst organisiert", sagt der Hauptautor der Studie, Hjalmal Kühl. "Das heißt, er wird nicht von äußeren Umweltfaktoren hervorgerufen. Durch El Niño ausgelöste Klimazyklen ermöglichen beispielsweise keine zuverlässige Voraussage für dieses Kindersterblichkeitsmuster. Es müssen also Faktoren sein wie Demografie, Entwicklungsontogenese oder das Sozialverhalten von Schimpansen."

Tatsächlich war die Ontogenese der Verspieltheit von Schimpansenjungen der Schlüssel zu diesem Dreijahreszyklus: Während neugeborene Schimpansen noch nicht sehr sozial sind, werden die Jungtiere mit zunehmendem Alter immer verspielter, wobei der Höhepunkt dieses sozialen Spiels mit etwa zwei Jahren erreicht ist. Jeder Zyklus beginnt nun mit einem Krankheitsausbruch, der eine Gruppe von Jungtieren tötet und dadurch gleichzeitig den Reproduktionszyklus der Mütter synchronisiert. Ein Jahr später gibt es dann einen geburtenstarken Jahrgang, der zwei Jahre später zum Höhepunkt des Spielalters herangewachsen ist.

"Diese sehr verspielten Jungtiere bilden eine soziale Brücke zwischen Gruppenmitgliedern, die sonst wenig direkte Interaktion betrieben hätten und schaffen somit ideale Bedingungen für einen erneuten Ausbruch in der gesamten Gruppe", sagt Yasmin Möbius, die die Spielontogenese analysierte. "Die Studie liefert eine interessante Verbindung zwischen Populationsdynamik und dem Verhalten, wie es traditionell von Primatologen erforscht wird."

Darüber hinaus ergeben sich aus der Studie aber auch wichtige Hinweise für die Erhaltung der Schimpansen, die von der Internationalen Naturschutzunion (World Conservation Union) als stark gefährdet eingestuft werden (ebenso wie die vom Aussterben bedrohten Gorillas). Affentourismus wird als eine Möglichkeit der Einnahmequelle für Regierungen und örtliche Gemeinden propagiert. Das nahe Heranführen von Touristen in die Lebensräume von Gorillas und Schimpansen stellt jedoch ein ernstzunehmendes Risiko der Krankheitsübertragung dar. "Aus unserer Analyse können wir nicht nur schließen, dass Krankheitsübertragung durch Touristen und Forscher ein größeres Problem ist," erläutert Peter Walsh, einer der Koautoren der Studie, "sondern auch, zu welchem Zeitpunkt das Risiko am größten ist und wann es folglich am effektivsten wäre, Maßnahmen, wie beispielsweise Impfungen, durchzuführen." Und Christophe Boesch, der Initiator des 1979 angelaufenen Taï Chimpanzee Projektes und Koautor der Studie ergänzt: "Wir müssen mehr Initiative zeigen und Schritte einleiten, um das Risiko der Krankheitsübertragung durch Tourismus und Forschung so gering wie möglich zu halten."

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