Schimpansenweibchen benutzen Kopulationsrufe strategisch

Neueste Beobachtungen von frei lebenden Schimpansen lassen bestimmte Aspekte des Sexualverhaltens in einem anderen Licht erscheinen

18. Juni 2008

Ein internationales Forscherteam der University of St. Andrews (Großbritannien) und des Leipziger Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie hat herausgefunden, dass Schimpansenweibchen Kopulationsrufe strategisch einsetzen, um ihren Anspruch auf Schutz und Unterstützung bei dem potenziellen männlichen Partner einzufordern, insbesondere in Hinblick auf andere Weibchen. (PLoS One, 18. Juni 2008)

Wenn Schimpansen miteinander kopulieren, stoßen die Weibchen immer wieder Kopulationsrufe aus. Bisher hatten die Forscher angenommen, dass Kopulationsrufe an die Männchen gerichtete Signale seien, die den Konkurrenzkampf zwischen diesen steigern sollen. Denn anders als beim Homo sapiens bleiben solche Schäferstündchen nicht ungestört - tatsächlich wird der Geschlechtsakt durch andere Männchen unterbrochen oder diese versuchen ebenfalls mit dem Weibchen zu kopulieren, um auf diese Weise auch ihre Spermien ins Rennen zu schicken. "Sperm competition" nennen die Wissenschaftler das. Schließlich geht es in der Natur schlichtweg nur darum, wer die meisten überlebenstüchtigen Nachkommen zeugt. Die Kopulationsrufe des Weibchens hätten somit einzig das Ziel, den stärksten Partner, der den bestmöglichen Nachwuchs zeugt, für sich zu gewinnen.

Doch diese Theorie erklärt nicht das Verhalten frei lebender Schimpansen, das die Psychologen Simon Townsend und Klaus Zuberbühler sowie der Biologe Tobias Deschner vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie bei ihrer Studie im Budongo Forest (Uganda) nun beobachtet haben. Die Forscher fanden heraus, dass Weibchen häufiger Kopulationsrufe produzierten, wenn sich hochrangige Männchen in Hörweite befanden, ihre sexuellen Aktivitäten jedoch verheimlichten, wenn andere Weibchen mit höherem Rang sich in der Nähe aufhielten. Darüber hinaus zeigten Hormonuntersuchungen, dass die Rufaktivität nicht mit dem Fertilitätsstatus des Weibchens korreliert. "Über den Progesteronspiegel im Urin können wir den Zeitpunkt der Ovulation, also des Eisprungs genau bestimmen", erklärt Tobias Deschner. "Das Verhalten der Schimpansenweibchen, insbesondere die Häufigkeit, mit der sie ihre Kopulationsrufe äußerten, war jedoch auch in dieser Zeit unverändert. Sie zeigten also nicht durch ihr Verhalten an, dass sie empfängnisbereit waren."

Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass Schimpansenweibchen ihre Kopulationsrufe auf sehr taktische Art und Weise benutzen, um die Risiken des Konkurrenzkampfes mit anderen Weibchen einzugrenzen und sich des Schutzes ihrer potenziellen männlichen Partner zu versichern. Der Konkurrenzkampf zwischen Weibchen ist bei frei lebenden Schimpansen nämlich sehr ausgeprägt. Im Budongo Forest in Uganda sind die Aggressionen zwischen den Tieren so stark, dass Forscher sogar Infantizid, also Kindstötung durch andere Weibchen beobachten konnten. "Kopulationsrufe sind möglicherweise eine Strategie, die sich Schimpansenweibchen angeeignet haben, um hochrangigen Männchen ihre Empfängnisbereitschaft anzuzeigen, Verwirrung über die Vaterschaft zu stiften und sich auf diese Weise die Unterstützung sozial wichtiger Individuen zu sichern", sagt Simon Townsend.

Zur Redakteursansicht