Neuer Tuberkulose-Impfstoff geht in die klinische Prüfung

Gen-Tuning soll Impfwaffe wieder "scharf" machen

11. September 2008

Mit jährlich 2 Millionen Todesfällen und 9 Millionen Neuerkrankungen verursacht die Tuberkulose neben AIDS die meisten Opfer unter den Infektionskrankheiten. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Tuberkulosestämme so resistent sind, dass sie mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr behandelt werden können. Ein neuer Tuberkulose-Impfstoff wird daher dringender denn je benötigt. Nach über 80 Jahren hat in Deutschland zum ersten Mal ein viel versprechender Lebendimpfstoff gegen Tuberkulose den Schritt in die klinische Prüfung geschafft.

Seit Montag dieser Woche wird der neue Impfstoff mit der Bezeichnung "VPM1002" in der klinischen Phase I in Neuss, Deutschland, an freiwilligen Probanden auf seine Sicherheit getestet. VPM1002 basiert auf einer seit 1921 verwendeten Vakzine, die gentechnisch so weiter entwickelt wurde, dass sie wesentlich wirksamer eine Infektion mit Tuberkulose-Bakterien verhindert als ihr Vorgänger.

Die wissenschaftliche Basis dazu hat das Team von Stefan H.E. Kaufmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin, gelegt. "Der von französischen Forschern entwickelte BCG-Impfstoff gegen Tuberkulose ist die weltweit am häufigsten verabreichte Lebendvakzine", erklärt Kaufmann. Doch mittlerweile zeige BCG (Abkürzung für Bakterium Bacillus Calmette-Guérin) häufig keine Wirkung mehr: "Wir wollten die stumpf gewordene Waffe BCG wieder scharf machen", erklärt der Immunologe. "Dazu haben wir den Impfstoff gentechnisch so verändert, dass er sich vor dem menschlichen Immunsystem nicht mehr verstecken kann, sondern es optimal stimuliert."

Hierzu haben die Forscher ein Gen in die Impf-Bakterien eingebaut. Leander Grode, seinerzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Stefan H.E: Kaufmann und heute Projektleiter bei der Vakzine Projekt Management GmbH (VPM), beschreibt das Verfahren: "Die Impfbakterien werden von den sogenannten Fresszellen des menschlichen Immunsystems aufgenommen und landen dort in den Verdauungsbläschen. Dank der gentechnischen Modifikation können sie sich nun aus den Bläschen befreien und so das Immunsystem gegen die Tuberkulose-Erreger wappnen."

Die wissenschaftlichen Arbeiten fanden zunächst am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie statt. 2004 wurde der Impfstoff an die VPM in Hannover lizenziert, welche dann die klinische Studie vorangetrieben hat. Bisher hat sich der neue Impfstoff im Tiermodell als äußerst wirksam und sicher erwiesen. "Diese gute Wirkung muss nun auch am Menschen nachgewiesen werden, damit der Impfstoff reif für die Zulassung wird", erläutert der Geschäftsführer von VPM, Bernd Eisele. Kaufmann mahnt zur Geduld: "Selbst wenn sich der neue Impfstoff verträglich erweist, muss er noch weitere Testphasen auf Wirksamkeit durchlaufen. Das dauert mindestens noch zehn Jahre." Trotzdem - ein hoffnungsvoller neuer Impfansatz besteht.

Das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie wurde 1993 als eines der ersten Institute in den neuen Bundesländern gegründet. Das Institut befindet sich auf dem traditionsreichen Gelände des Campus Charité Mitte, wo vor etwa 100 Jahren bereits Robert Koch und Emil Behring wichtige Entdeckungen zu Infektionskrankheiten gemacht haben. Ausschlaggebend für die Standortwahl war die angestrebte enge Zusammenarbeit mit Universitäten und Kliniken zur Bearbeitung klinisch relevanter Projekte aus dem Bereich der Infektiologie. "Die interdisziplinäre Erforschung der molekularen und zellulären Grundlagen von Infektionen ermöglicht die gezielte Entwicklung neuer therapeutischer und prophylaktischer Maßnahmen. Die grundlegende Erforschung von Infektionsprozessen vermag daher nicht nur grundlegende Fragen der Biomedizin zu erklären, sondern auch ihren Beitrag zu gesundheitspolitisch wichtigen Problemen der Zukunft zu leisten", erklärt Stefan H.E. Kaufmann.

Die VPM wurde vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 2002 gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung im Rahmen von Private-Public-Partnership gegründet. "Wir stellen sicher, dass hervorragende Ergebnisse aus der Grundlagenforschung den Menschen zu Gute kommen und den Weg in die Anwendung finden", sagt Bernd Eisele.

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