Räumliche Entfernung führt bei Mikroben zu genetischer Vielfalt

Beim Bodenbakterium Myxococcus xanthus konnten Max-Planck-Wissenschaftler zum ersten Mal belegen, dass auch bei Mikroben genetische Diversität durch räumliche Entfernung entsteht. Bislang war dies nur bei höheren Organismen als Tatsache akzeptiert

12. März 2008

1934 wurde von dem niederländischen Wissenschaftler Baas Becking in einem Essay zur Bio-Geographie von Mikroben folgende These verfasst: "Alle (alle Mikroben) sind überall, jedoch selektiert die Umgebung". Der Forscher ging davon aus, dass es für Mikroorganismen keine geographischen Barrieren gibt, die ihre weltweite Verbreitung verhindern könnten. Nur ökologische Bedingungen in einer Nische würden darüber entscheiden, ob ein Mikroorganismus darin überleben kann oder nicht. Diese These wurde jetzt durch Arbeiten von Gregory Velicer und Michiel Vos, die am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen entstanden, widerlegt (Current Biology, 11. März 2008).

Der Begriff Diversität ist in der Biologie ein Maß für die Vielfalt der Arten, aber auch für die der genetischen Informationen und die der Proteine, die von Lebewesen gebildet werden. Genutzt wird er meist von Ökologen innerhalb der Biologie, deren Ziel es ist, mithilfe von Formeln die Artenvielfalt von Lebensgemeinschaften innerhalb eines Ökosystems zu bestimmen. Um diese Vielfalt beschreiben zu können, ist es notwendig, die einzelnen Arten zu identifizieren. Die einfachste Methode ist es dabei meist, die verschiedenen Arten zu erfassen, das heißt sie zu zählen. Mit dieser Methode erfassen Biologen dann allerdings nur die Artenzahl und nicht die Individuenanzahl einer Art. Die Diversität hingegen wird durch zwei Parameter bestimmt: die Artenzahl und die Gleichmäßigkeit der Verteilung der Arten, beziehungsweise Individuen.

Von höheren Organismen ist seit längerem bekannt, dass die Diversität der Arten mit der räumlichen Entfernung voneinander zunimmt. Aber gilt dies auch für Mikroorganismen? Am Beispiel des Bodenbakteriums Myxococcus xanthus haben Max-Planck-Wissenschaftler jetzt zum ersten Mal gezeigt, dass bei Mikroben die genetische Diversität abhängig von der räumlichen Entfernung verschiedener Isolate ist. Dazu verglichen sie 145 Myxococcus-Isoloate unterschiedlicher Fundorte auf ihre genetischen Unterschiede. Im Visier der Forscher stand dabei der Austausch von einzelnen Basen im genetischen Code (SNPs) der in den Genen clpX, csgA, fibA, icd und sglK auftrat. Dabei stellten sie fest, dass sich mit der räumlichen Entfernung auch die Anzahl der genetischen Unterschiede erhöhte.

Während sich die Diversität der Isolate in einer Entfernung zwischen 100 und 1000 Kilometern zufällig verhielt, nahm sie bei weiteren Entfernungen signifikant zu. Nach der Meinung von Gregory Velicer, der jetzt an der Universität in Indiana (USA) arbeitet, und Michiel Vos von der Universität in Oxford kann dieser Anstieg der Diversität in größeren Entfernungen entweder durch genetischen Drift oder durch die lokale Adaption an bestimmte Nischen erklärt werden. Der genetische Drift bezeichnet die zufällige Veränderung der Gen- oder Allelhäufigkeit in einer Population und ist vor allem in kleineren Populationen ein wichtiger Evolutionsfaktor. Adaption ist der wissenschaftliche Fachbegriff für Anpassung, zum Bespiel an einen speziellen Lebensraum.

Um ihre Hypothese zu untersuchen, konzentrierten sich Vos und Velicer auf das Gen pilA beim Bodenbakterium Myxococcus xanthus, von dem bereits bekannt war, dass es adaptive Diversität unter Selektionsdruck in Nischen zeigt. Dieses Gen enthält synonyme pilA-Sites, welche nicht durch Selektionsdruck verändert werden und nicht-synonyme pilA-Sites, die auf Selektionsdruck mit genetischen Veränderungen reagieren. Die Forschungsergebnisse der ehemaligen Max-Planck-Wissenschaftler zeigten, dass die Anzahl der genetischen Unterschiede von synonymen und nicht-synonymen pilA-Sites nicht signifikant veränderten. "Damit scheint für Mikroben zu gelten, was bislang lediglich bei höheren Organismen akzeptiert war", sagt Michiel Vos. "Nur wenn Populationen genügend isoliert sind, können sie sich genetisch differenzieren." Die These von Baas Becking scheint zumindest für Myxococus xanthus widerlegt zu sein: Auch bei Mikroben entsteht genetische Diversität durch räumliche Entfernung.

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