Die Venus - eine ungleiche Schwester der Erde

In der Atmosphäre des Nachbarplaneten toben Stürme mit doppelter Orkanstärke und Wasser entweicht in den Weltraum

28. November 2007

Die europäische Raumsonde Venus Express beobachtet aus einer elliptischen Umlaufbahn den Nachbarplaneten der Erde. Die wissenschaftlichen Instrumente an Bord blicken unter den dichten Schleier aus Kohlendioxid und Stickstoff, mit dem die Venus ihr Antlitz verbirgt. Forscher am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung sitzen dabei in der ersten Reihe. Sie sind am Kamerasystem VMC und am Plasmainstrument ASPERA-4 maßgeblich beteiligt. Die VMC-Aufnahmen zeigen eine ungewöhnlich dynamische Atmosphäre, während ASPERA-4 erstmals beoachtet hat, wie Wasser vom Planeten in den Weltraum entweicht. (Nature, 29. November 2007)

"Die Raumsonde Venus Express hat bereits jetzt wesentlich zum besseren Verständnis der Venus beigetragen", sagt Dimitri Titov vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, der die Mission vorgeschlagen hat und wissenschaftlich koordiniert. "Wir sind aber erst am Anfang der Datenauswertung und wissen nicht, welche Überraschungen noch auf uns warten." Die ersten Ergebnisse erscheinen vielversprechend. Die Kamera VMC etwa hat erstmals sowohl globale, als auch kleinskalige Veränderungen in der dichten Venusatmosphäre beobachtet. Vor allem detaillierte Aufnahmen der Südpolregion des Planeten erregten Aufsehen. Gigantische, schnell wechselnde Wolkenwirbel treiben die Bewegung der unterschiedlichen Schichten an (Abb. 1).

Aus den Veränderungen, die aufeinander folgende Bilder zeigen, lassen sich zudem die Windgeschwindigkeiten bei verschiedenen Breiten in der Venusatmosphäre detailliert bestimmen. Sie betragen bis zu Breiten von 40 Grad maximal 400 Kilometer pro Stunde. Zu den Polargebieten hin wird es ruhiger, das heißt, die Windgeschwindigkeiten nehmen ab. Weiterhin identifizierten die Wissenschaftler kleinskalige Wellenphänomene in den Wolkenschichten, die dem besseren Verständnis der globalen Wolkenbewegung dienen.

Seit langer Zeit rätseln die Forscher, warum sich die Atmosphären von Erde, Mars und Venus so deutlich voneinander unterscheiden. Insbesondere war es nicht klar, wie ein Planet mit einem Schwerefeld ähnlich dem der Erde einen großen Teil seines Oberflächenwassers verlieren konnte. Nun geben Messungen des ASPERA-4 Instruments an Bord von Venus Express erstmals Hinweise auf eine Lösung dieses Problems.

Alle Planeten mit Atmosphäre sind von einer Wolke aus elektrisch geladenen Teilchen (Ionen) umgeben, da die ultraviolette Strahlung der Sonne die äußeren Gasschichten ionisiert, also aus den Atomverbänden die Elektronen herausschlägt. Die Gesetze der Photochemie bestimmen, dass die äußere Ionosphäre hauptsächlich aus Wasserstoff- und Sauerstoffionen besteht, da nur diese genügend Energie aufweisen, um gegen die Schwerkraftfesseln der Venus eine größere Entfernung von deren Oberfläche zu erreichen.

Die Sonne sendet einen stetigen Strom heißer Protonen und Heliumkerne in den interplanetaren Raum - den Sonnenwind. Im Gegensatz zur Erde ist die obere Atmosphäre der Venus nicht gegen diesen Ionenfluss durch ein Magnetfeld geschützt. Allerdings trägt der Sonnenwind selbst das Magnetfeld der Sonnenoberfläche mit sich, das sich wie ein Mantel um die Ionosphäre der Venus legt. Dieser Mantel bildet einerseits eine Barriere für den Sonnenwind, gleichzeitig aber auch eine Grenzschicht für den Abfluss planetarer Ionen. Daher war es bisher nicht klar, wie der Planet einen beträchtlichen Teil seiner Ionen verlieren konnte.

Das ASPERA-4 Experiment auf der Raumsonde Venus Express soll den Abfluss planetarer Ionen entlang der Umlaufbahn messen, während diese mit einer Periode von 24 Stunden einmal um den Planeten wandert (Abb. 2). Während des ersten Beobachtungsjahrs konnte nun der Ionenabfluss in großen Teilen der Umgebung des Planeten bestimmt werden. Das Ergebnis: Tatsächlich gibt es einen signifikanten Verlust von Sauerstoff-, Wasserstoff- und auch Heliumionen im Plasmaschweif, der sich hinter dem Planeten durch die Ablenkung des Sonnenwinds bildet.

Wie oben erwähnt, trägt der Sonnenwind das solare Magnetfeld mit sich, strömt dabei mit der sehr hohen Geschwindigkeit von 500 Kilometern pro Sekunde um den Planeten und induziert ein starkes elektrisches Feld in der Ionosphäre der Venus. Abbildung 3 zeigt die Messungen des ASPERA-4 Experiments in einer Koordinatenebene, die entlang dieses induzierten Feldes orientiert ist. Man erkennt, dass sich der Ionenabfluss in einer schmalen Region bündelt, die von einem positiven elektrischen Feld bestimmt wird. Das deutet darauf hin, dass das induzierte elektrische Feld stark genug ist, um Ionen aus der Ionosphäre zu ziehen. Das Verhältnis zwischen Sauerstoff- und Wasserstoffabfluss liegt ungefähr bei 1:2. Offenbar, so die Schlussfolgerung der Forscher, sind Wassermoleküle die ursprüngliche Quelle der Ionen. Denn in Wasser entspricht das Verhältnis von Sauerstoff und Wasserstoff ebenfalls 1:2.

Das VMC-Kamerasystem wurde in Zusammenarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS), dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze (IDA) in Braunschweig konzipiert und gebaut. Darüber hinaus sind weitere Forschungseinrichtungen in Europa und in den USA an dem Projekt beteiligt. Das ASPERA-4 Experiment wurde in einer Kooperation europäischer und amerikanischer Weltrauminstitute, unter anderem vom Institut für Weltraumforschung (IRF) im schwedischen Kiruna und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, konzipiert. Wissenschaftler dieser Institute sind nun mit der Bestimmung der Gesamtstärke des Ionenabflusses beschäftigt, um die Bedeutung dieses Prozesses für die Klimaentwicklung abzuschätzen.

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