Spermien auf Spiralkurs

Max-Planck-Forscher beschreiben erstmals mit einem Modell, wie Seeigel-Spermien ihren Weg zur Eizelle finden

3. August 2007

Die Befruchtung einer Eizelle gleicht einem Rennen auf einer ungewissen Bahn - vor allem beim Seeigel, deren Spermien die Eizelle im offenen Meer finden müssen. Orientieren können sie sich nur an chemischen Botenstoffen, die die Eizelle abgibt. Auf spiralförmigen Bahnen folgen die Spermien dieser chemischen Spur zu ihrem Ziel. Diese Chemotaxis haben Forscher vom Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden jetzt erstmals mathematisch beschrieben. Demnach können die Spermien ihr Ziel auch dann finden, wenn die Strömung des offenen Wassers die Fährte der Botenstoffe verwirbelt hat. Für eine erfolgreiche Navigation muß das Timing stimmen: Die Signalverarbeitung im Spermium muß auf die Periode ihrer Kreisbewegung abgestimmt sein. (PNAS, 30. August 2007, doi: 10.1073/pnas.0703530104)

Damit die Befruchtung der Eizelle auch im offenen Wasser gelingt, wenden Seeigel gleich mehrere Tricks an: Die Weibchen setzen Eizellen frei, die 0,3 Millimeter und damit fast doppelt so groß wie menschliche Eizellen groß sind. Die männlichen Krustentiere schleusen 10 Milliarden Spermien ins Wasser - das sind 100-mal mehr als ein Mensch los schickt. Und schließlich soll eine chemische Spur die Spermien zum Ziel führen. Wie sie das macht, haben die Dresdener Forscher nun in einem Modell beschrieben.

Die nur etwa fünf Mikrometer großen Schwimmer nehmen die Fährte auf, indem sie von ihrem Schwanz, dem Flagellum, gesteuert einer Kreisbahn folgen und messen, wo auf dieser Kreisbahn die Konzentration der chemischen Lockstoffe am größten ist. In diese Richtung biegen sie dann ihre Bahn. Allerdings folgt ihr Kurs in einer Ebene auch weiterhin einer Spirale, beziehungsweise im dreidimensionalen Raum einer Helix. Auf diese Weise bekommen die Spermien auch mit, wenn die Botenstoffe der Eizelle plötzlich in eine andere als die ursprünglich eingeschlagene Richtung weisen.

Im dreidimensionalen Raum kann ihre Bahn dabei komplizierte Formen annehmen. "Aber sie führt fast immer zum Ziel", sagt Benjamin Friedrich, der im Rahmen seiner Doktorarbeit an der Simulation tüftelte: "Unser Modell stimmt sehr gut mit experimentellen Beobachtungen überein und beschreibt den Mechanismus der Chemotaxis nun auch im Dreidimensionalen." Also unter realen Bedingungen. Dazu gehört auch, dass eine Strömung die Spur der Botenstoffe verwirbelt haben kann. Das bringt die Spermien nicht von ihrem Ziel ab, sie richten ihre Bahn einfach neu aus.

An der Eizelle vorbei trudeln sie in dem Modell der Dresdener Wissenschaftler nur, wenn ihre biochemische Steuerung zu schnell oder zu langsam auf eine sich ändernde Konzentration der Botenstoffe reagiert, wenn also die Phasenverschiebung zwischen eingehendem Signal und der daraus resultierenden Bewegung nicht stimmt.

Genau die Erkenntnis, welche Rolle die Phasenverschiebung zwischen eingehendem Locksignal und der Bewegung spielt, liefert auch Anhaltspunkte für neue Experimente. "Um die Chemotaxis eingehender zu untersuchen, könnte man in die Signalverarbeitung der Spermien chemisch eingreifen", sagt Friedrich.

Ähnliche Modelle wie das von den Dresdener Forschern entwickelte, könnten auch helfen, die Bewegung der menschlichen Spermien aufzuklären. Auch sie werden chemotaktisch zur Eizelle gesteuert, schwimmen allerdings auf anderen Bahnen. Der Mechanismus ihrer Navigation kann also noch Überraschungen bereithalten.

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