Schalter im Hirn

Max-Planck-Wissenschaftler entwickeln Experimentalsystem weiter, um Gene im Gehirn an- und abzuschalten

20. Juni 2007

Die Nervenzellen in unserem Gehirn reagieren auf Stress, Krankheit oder auch Lernvorgänge durch Änderungen ihres Musters in der Genaktivität. Dabei wird nicht die Gensequenz an sich, aber der Zugriff darauf verändert. Um die Mechanismen besser zu verstehen, die die Genregulation im Gehirn steuern, hätten Neurobiologen gerne einen Schalter, mit dem sie Gene gezielt an- und abschalten können. Das bereits in den 1990er-Jahren beschriebene Tetracyclin-abhängige Genexpressionsystem (Tet-System) erlaubt es, die Genexpression durch Zugabe bestimmter Substanzen von außen zu regulieren. Die Resultate beim Einsatz des Tet-Systems waren bisher jedoch äußerst widersprüchlich. Mazahir T. Hasan und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg haben daher die individuellen Komponenten des Tet-Systems systematisch untersucht und die notwendigen Voraussetzungen für eine reversible Kontrolle der Genexpression in Nervenzellen herausgefunden (PLoS One, 20. Juni 2007).

Unser Gehirn besitzt Milliarden von Nervenzellen. Jedes Mal, wenn wir denken oder beispielsweise eine Berührung, einen Geruch erfahren, werden Millionen von ihnen aktiv. Nervenzellen kommunizieren dabei über chemische und elektrische Impulse, um die eingehenden Sinnesinformationen zu verarbeiten und über verschiedene Hirnregionen zu integrieren. 20.000 bis 25.000 Gene besitzt das menschliche Genom, die meisten davon werden auch in Nervenzellen exprimiert, d.h. abgelesen und dann in entsprechende Proteine umgesetzt. Von daher besteht kein Zweifel, dass Nervenzellen auf Veränderungen in ihrer Umgebung auch mit Veränderungen in der Genexpression reagieren. Stress, Sucht, Lernen und Krankheit - all dies verursacht vermutlich Änderungen in der neuronalen Genaktivität und zwar über Mechanismen, die den Zugriff auf die Gene, nicht aber die DNA-Sequenz verändern. Man bezeichnet das als Epigenetik.

Das experimentelle An- und Abschalten der Genexpression ist von enormer Bedeutung, will man die Funktion der Gene im Nervensystem des erwachsenen Organismus verstehen. Das bereits in den 1990er-Jahren beschriebene Tetracyclin-abhängige Genexpressionsystem (Tet-System) erlaubt es, die Genexpression durch Zugabe bestimmter Substanzen von außen zu regulieren und damit beispielsweise die Beteiligung bestimmter Gene in Kognitionsprozessen bei der Maus zu untersuchen. Obwohl einige Versuche tatsächlich sehr erfolgreich verliefen, stießen andere auf erhebliche Probleme. So ließ sich beispielsweise die durch Tet regulierte Genaktivität nicht wieder vollständig herstellen. Mazahir T. Hasan und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg haben daher systematisch die individuellen Komponenten des Tet-Systems untersucht und dabei die notwendigen Voraussetzungen für eine reversible Kontrolle der Genexpression in Nervenzellen herausgefunden.

In der aktuellen Ausgabe von PLoS One berichten die Forscher, dass Gene, die in Nervenzellen beim Mausembryo inaktiv sind, im erwachsenen Maushirn funktional stumm geschaltet sind. Sie fanden heraus, dass diese Stummschaltung verhindert werden kann, wenn man die Nervenzellen dazu bringt, hohe Konzentrationen eines Gen-spezifischen Aktivators zu produzieren (Abb.1). Diese Ergebnisse sind für Neurobiologen von Bedeutung, die entsprechende Werkzeuge benötigen, um Gene an- und abzuschalten und damit den Zusammenhang von Ursache und Wirkung zwischen Genaktivität, Neurophysiologie und Verhalten zu untersuchen. "Das ist ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung von Gen-Schaltern, die sich experimentell verlässlich handhaben lassen", sagt Mazahir T. Hasan. "Er wird es uns ermöglichen, die Mechanismen besser zu verstehen, die die Genregulation im Gehirn steuern."

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