Sternstunde für das Very Large Telescope

Künstlicher Laserleitstern über dem VLT ermöglicht noch schärfere Aufnahmen ferner Galaxien

14. Juni 2007

Die Erdatmosphäre stört, wenn es darum geht, mit einem Teleskop scharfe Aufnahmen unseres Universums zu machen. Sie ist voll von Turbulenzen, welche die Auflösung bodengebundener Teleskope begrenzen. Wissenschaftler um Richard Davis vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und Stefan Hippler vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg minimierten nun die störenden Effekte. Das Forscherteam ließ dafür einen Stern über dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte Paranal aufgehen - einen künstlichen Laserleitstern. PARSEC, so der Name des Systems, ermöglicht den mit einer adaptiven Optik ausgestatteten Instrumenten am VLT so scharfe Aufnahmen, als gäbe es keine störende Erdatmosphäre. Die Detailgenauigkeit der Bilder macht selbst dem Weltraumteleskop Hubble Konkurrenz. (Eso 27/07, 13.06.07)

Die Turbulenzen der Erdatmosphäre verwischen die Aufnahmen der bodengebundenen Teleskope. Die Forscher der beiden Max-Planck-Institute haben nun die Technik der adaptiven Optik genutzt, um diesen Nachteil zu beheben. Dabei beobachtet man neben dem eigentlichen untersuchten Objekt einen benachbarten und hinreichend hellen Referenzstern. Das Bild dieses Referenzsternes variiert sehr schnell im Teleskop und wird dadurch verwendet, um die atmosphärischen Störungen laufend zu kompensieren. Mit dieser Technik kann aber man nur wenige Prozent des gesamten Himmels beobachten, da ja immer nur ein geeigneter Referenzstern in der Nähe der untersuchten Objekte stehen kann. Die Wissenschaftler umgingen diese Einschränkung mit einem Trick. "Wir erzeugen wo immer wir ihn brauchen einen künstlichen Stern mit Hilfe eines Lasers", sagt der Projektleiter Davies: "Wir schießen einen Laserstrahl in den Himmel, der im kleinen Maßstab die Natriumatome in der irdischen Hochatmosphäre in etwa 90 Kilometern Höhe zum Leuchten anregt. Wir nutzen diesen nahezu punktförmigen Lichtfleck, um die störenden Einflüsse der Erdatmosphäre zu korrigieren, je nachdem wo wir gerade hingucken."

Dieser Laserstern ist nicht mit bloßem Auge sichtbar, da er etwa 20-mal schwächer ist als die schwächsten sichtbaren Sterne. Dennoch reicht seine Helligkeit aus, um als Referenzstern zu dienen und die Unschärfe zu beseitigen. Mit Hilfe dieses beliebig positionierbaren Lasersterns können die Forscher feinere Details astronomischer Objekte studieren, aber auch schwächere Objekte, die meist weit entfernt sind, besser sehen. Die Wissenschaftler untersuchten zum Beispiel Galaxien zu einem Zeitpunkt, an dem das Universum noch sehr jung war.

Zuerst machten sie Aufnahmen von Galaxienpaaren, die sich aufgrund ihrer Schwerkraft gegenseitig beeinflussen. Die gewonnenen Aufnahmen der verschmelzenden Galaxien haben eine vergleichbare Bildschärfe wie das Weltraumteleskop Hubble. Da das VLT eine viel größere Spiegelsammelfläche hat und damit mehr Licht einfangen kann, können die Astronomen jetzt noch viel lichtschwächere Objekte beobachten.

"So war es uns zum Beispiel möglich, die Bewegung der Sterne in zwei miteinander verschmelzenden Galaxien zu messen und zu zeigen, dass sich diese in zwei entgegengesetzt zueinander rotierenden Scheiben befinden", so Davis.

Diese Erkenntnisse gewannen die Wissenschaftler, indem sie das verschmelzende System Arp 220 untersuchten. Das Forscherteam löste erstmals den bis dahin strukturlos erscheinenden Sternenhaufen im Zentrum in viele einzelne Sterne auf. Ihre Bilder zeigen, dass sich im inneren der Galaxie offenbar Sterne in diesen rotierenden Scheiben befinden und sich das Gas in einem großen Bogen um die Mitte bewegt. Die Forscher sammelten weitere Hinweise dafür, dass das System aus einer Kollision von zwei Galaxien entstand. Bei der Kollision zweier Galaxien stoßen die einzelnen Sterne aufgrund ihres enormen Abstandes zueinander nicht zusammen, sammeln sich dann aber in einem großen Bereich in der Mitte. Die Gasteilchen hingegen kollidieren und werden förmlich herausgefegt. Das herausgeschleuderte Gas bildet damit den sogenannten Gezeitenschweif.

Diesen Effekt beobachteten die Forscher auch in der Galaxie mit dem Namen K20-ID5, die mehr als 10,5 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt ist. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Universum weniger als ein Drittel seines jetzigen Alters. Die Aufnahmen der Wissenschaftler zeigen, dass sich die Sterne kompakt im Zentrum der Galaxie ansammeln, wohingegen sich das Gas als Gezeitenschweif stark ausbreitet. Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass auch diese Galaxie aus einer galaktischen Kollision entstanden ist. Bisher hatte man aber noch nie Systeme entdeckt, die so "kurz" nach dem Urknall kollidiert waren.

Die aktive Galaxie mit der Katalognummer NGC 4945 befindet sich in der Nähe unseres Milchstraßensystems. In der Mitte von NGC 4945, einem sogenannten Quasar, befindet sich offenbar ein supermassereiches Schwarzes Loch. In einem Schwarzen Loch wirken so starke Gravitationskräfte, dass nicht einmal Licht entkommen kann. Wenn ein Stern in seine Nähe gerät, wird er von den hohen Gezeitenkräften zerrissen. Übrig bleibt nur Gas, das eine flache Scheibe (Akkretionsscheibe) um das Schwarze Loch bildet. Kurz bevor es in das Schwarze Loch stürzt sendet diese Gasscheibe enegiereiche Strahlung aus. Senkrecht auf der Akkretionsscheibe bilden sich dann Materiestrahlen (Jets), in denen Plasma mit sehr hoher Geschwindigkeit vom Schwarzen Loch wegströmt. Diese leuchtenden Gasstrahlen sieht man auch auf den Aufnahmen von NGC 4945, die diese Vorgänge mit nie dagewesener Genauigkeit zeigen. "Dadurch können wir nun anfangen die Puzzleteile zusammensetzen, wie sich ein Gas in supermassiven Schwarzen Löchern verdichtet und wir beginnen zu verstehen, wie und wann diese Schwarzen Löcher so hell leuchten", sagt Davies: "Denn auch unser Milchstraßensystem hat vermutlich ein schwarzes Loch als Zentrum, das allerdings nicht mehr gefüttert wird."

Die neue Technik ermöglicht es, von der Erde aus die Verteilung von Gas und Sternen in weit entfernten Galaxien mit neuer Detailgenauigkeit zu vermessen. Sie kann aber auch für Objekte vor unserer Haustür, etwa Asteroiden, Satelliten, oder einzelne Regionen der Riesenplaneten, wie deren Polarregionen mit ihren Nordlichtern, angewandt werden.

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