Atom oder Molekül? Beides!

Forscher am Max-Planck-Institut für Quantenoptik beobachten erstmals in Reinform Teilchen, die Atome und Molekül zugleich sind

19. Juli 2007

Gleichzeitig schwarz und weiß, aufwärts und abwärts gerichtet - nur Quantenteilchen kön-nen zwei Eigenschaften miteinander vereinbaren, die einander in der klassischen Physik ausschließen. Forschern um Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik gelang es jetzt erstmals, einen Überlagerungszustand aus Atom und Molekül in reiner Form zu beobachten. Die Wissenschaftler haben in ihren Experimenten Paare aus je zwei Rubidiumatomen beobachtet, die sich nicht entscheiden können, ob sie miteinander eine Molekülbindung eingehen oder atomare Singles bleiben sollen. Stattdessen schwingen sie zwischen beiden Zuständen hin und her. Dazwischen nehmen die Rubidium-Pärchen einen Zustand ein, in dem sie beides, Moleküle und Atome, zugleich sind. Solche Quantenteilchen sind die idealen Kandidaten für Speichereinheiten - Quantenbits - in Quantencomputern. Künftige noch präzisere Messungen der Schwingungsfrequenz könnten Schlüsse auf mög-liche Veränderungen der Fundamentalkonstanten zulassen. (Physical Review Letters, 19. Juli 2007)

Entweder gebunden oder nicht. Zwei Atome können nicht beides sein - oder doch? Ein For-scherteam um Gerhard Rempe, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik hat nun Rubi-diumpaare in einem Bose-Einstein-Kondensat zwischen gebundenem und ungebundenem Zu-stand hin und her schwingen lassen. Während eines Schwingungszyklus durchlaufen sie zudem einen Zustand, in dem sie sowohl Atom als auch Molekül sind. "Ein solcher kohärenter Überla-gerungszustand wurde bisher noch nicht in dieser Reinform beobachtet", sagt Gerhard Rempe.
Die Forscher haben dafür zunächst eine Wolke von Rubidiumatomen in einer optischen Falle eingefangen und auf wenige Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Hier bilden die etwa 60 000 Rubidiumatome ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat, einen Zu-stand, indem alle Teilchen identisch werden und sich praktisch nicht mehr bewegen. Mit Hilfe eines optischen Gitters werden die Atome dann in einer regelmäßigen Struktur angeordnet. Dazu erzeugen stehende Lichtwellen aus drei verschiedenen Raumrichtungen ein Laserlichtfeld, des-sen Form an gestapelte Eierkartons erinnert. Die Vertiefungen in diesem winzigen Gitter aus Licht entsprechen energetisch besonders günstigen Zuständen, in denen sich die Rubidiumatome daher gerne niederlassen.

Der Gitterabstand zwischen den Atomen ist durch die Lichtwellenlänge bestimmt. Er beträgt hier einige hundert Nanometer, das ist der Millionstel Teil eines Stecknadelkopfes, und ist etwa 1000-mal größer als in einem Festkörperkristall. Daher stellt diese Struktur aus Licht und Ato-men auch ein ideales System dar, um komplexe Probleme der Festkörperphysik zu modellieren. Die Tiefe der Mulde hängt von der Laserleistung ab. Die Wissenschaftler haben sie so gewählt, dass die Atome darin gefangen sind. Dieser hochgradig geordnete Zustand wird Mott-Isolator genannt. Über die Gesamtzahl der Atome im optischen Gitter können die Physiker die Zahl der Atome pro Gitterplatz so steuern, dass sich im mittleren Bereich des Kristalls genau zwei Atome pro Mulde befinden.
So konnten sie gezielt Atome anregen, damit diese in den molekularen Zustand übergehen. An-schließend haben sie die Anzahl der Moleküle gezählt. In ihrer Gittermulde sind die Atome von ihren Nachbarn isoliert und sehen nur den Partner an ihrem jeweiligen Gitterplatz. Durch die Be-schränkung auf einen winzigen Bereich stehen dem Pärchen nur wenige diskrete Quantenzustän-de zur Verfügung, die es als Molekül einnehmen kann. Das Gitter trennt auch die resultierenden sehr zerbrechlichen Moleküle voneinander, die daher nicht durch zufällige Stöße verloren gehen.

Um die Atome zu bewegen, mit ihrem Partner in der Mulde eine feste Bindung einzugehen, schalten die Wissenschaftler nun abrupt ein Magnetfeld ein. "Bei einem bestimmten Wert des Magnetfeldes wird die Wahrscheinlichkeit für eine molekulare Bindung der Atome durch die Wechselwirkung zwischen Magnetfeld und den magnetischen Momenten genauso groß wie für den atomaren Zustand", sagt Niels Syassen, der die Messungen mit seinen Kollegen zusammen im Rahmen seiner Doktorarbeit vorgenommen hat: "Bei dieser Feshbach-Resonanz schwingen die Atome zwischen Single-Dasein und Partnerschaft hin- und her." Diese Schwingungen wer-den als Rabi-Oszillation bezeichnet. Diesen Oszillationen entsprechend schwankt die Menge von Atomen und Molekülen im optischen Gitter im Laufe eines Zyklus. Die Forscher ermittelten die Zahl der Atome für die unterschiedlich langen Phasen, in denen das Magnetfeld eingeschaltet war. So haben sie die Rabi-Oszillationen über 29 Zyklen beobachtet. "Da Teilchen nun also gleichzeitig zwei Zuständen einnehmen können, verfügen wir über neue Möglichkeiten, Quan-tenregister zu realisieren, in denen verschiedene Informationen auf einem Quantenbit gespeichert werden könnten", so Rempe.

Die Wissenschaftler gingen aber noch weiter. Sie erzeugten zunächst mithilfe der Rabi-Oszillationen zweiatomige Moleküle und hielten sie im optischen Gitter gefangen. Sie veränder-ten das Magnetfeld danach so, dass die Atome eigentlich lieber alleine als gebunden wären. Den-noch geht die Partnerschaft nicht immer auseinander, denn die Moleküle können nur bei be-stimmten, diskreten Magnetfeldwerten zerfallen. Der Grund: In den Zwischenbereichen existie-ren nach den Regeln der Quantenmechanik keine Zustände, die einzelne Atome besetzen dürfen. Durch ihre Messungen haben die Forscher damit gezeigt, dass man mit optischen Gittern gezielt Strukturen schneidern kann, die es erlauben, mit instabilen Molekülen so zu hantieren als wären sie stabil.
Nun wollen die Forscher Atom-Molekül-Oszillationen noch präziser bestimmen. So können sie neue, sehr genaue Aussagen über atomare Eigenschaften erhalten, die wiederum Schlüsse auf möglicherweise extrem geringe Änderungen der Naturkonstanten zulassen.

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