Der Schritt vom Wasser ans Land

Vollständig entschlüsseltes Moosgenom gibt die genetischen Veränderungen preis, die eine Landbesiedlung möglich gemacht haben

13. Dezember 2007

Ein internationales Forscherteam aus 70 Wissenschaftlern unter Leitung des Moosgenomkonsortiums und des Joint Genome Institute (JGI) in Walnut Creek, Kalifornien (USA), hat das Erbgut des "Kleinen Blasenmützenmooses" entschlüsselt und damit der Biologie einen weiteren Meilenstein beschert. Durch den Vergleich des Erbguts verschiedener Pflanzen können die Forscher vollkommen neue Einblicke in die Entstehungsgeschichte komplexer Vorgänge der Zellregulation und der Kommunikation zwischen Zellen bekommen. Die Forschungsergebnisse, an denen auch Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung in Köln beteiligt waren, werden in der heutigen Ausgabe der Zeitschrift Science veröffentlicht (ScienceExpress 13.12.2007).

Bisher gibt es noch nicht viele vollständig entschlüsselte Genome von vielzelligen Organismen. Neben dem Menschen, der Maus und dem Fadenwurm haben es auch einige Pflanzen in die Liste der sequenzierten Organismen geschafft. Aufgrund der nach wie vor hohen Kosten der Sequenzierung sind bei Pflanzen derzeit nur wenige vollständige Genomsequenzen vorhanden. Bisher waren vor allem Blütenpflanzen wie die Modellpflanzen Ackerschmalwand und die Pappel oder Nutzpflanzen wie der Reis von Interesse. Aber auch Algen sind vertreten. Diese stehen ganz am Anfang der Entwicklung der Pflanzen, Blütenpflanzen ganz am Ende. Für den entwicklungsgeschichtlich entscheidenden Schritt des Übergangs der Pflanzen vom Wasser auf das Land und der Entwicklung der Mehrzelligkeit vor ca. 450 Millionen Jahren fehlte jedoch ein Vertreter. Mit der Entschlüsselung des Moos-Genoms wurde diese wichtige Lücke jetzt geschlossen.

Moose sind viel komplizierter gebaut als Algen, aber noch nicht so hoch entwickelt wie Blütenpflanzen, die ein ausgeklügeltes Leitbündelsystem und komplex geformte Fortpflanzungsorgane besitzen. Der Übergang vom Wasser zum Land war für die Pflanzen ein großer Schritt, der mit der Anpassung vieler zellulärer Prozesse verbunden war. Diese Veränderungen sind im genetischen Material - also in der nun entschlüsselten Genomsequenz - genau dokumentiert und machen sie zu einer einzigartigen Ressource für zukünftige Forschungen.

Bereits jetzt gab das Moos einige Geheimnisse preis, z.B. wie sich die Toleranz gegen das Austrocknen oder wie sich die Wirkungsweise von Pflanzenhormonen entwickelt haben. Jeder, der schon einmal eine Zimmerpflanze hat vertrocknen lassen, hat quasi den Nachweis erbracht, dass Trockentoleranz - obschon eine wichtige Eigenschaft -, bei den meisten Blütenpflanzen nicht mehr vorhanden ist. Denn die Sequenz des Kleinen Blasenmützenmoos (Physcomitrella patens) zeigt, dass die ursprünglichen Landpflanzen wahrscheinlich noch tolerant gegen Austrocknen waren und dass diese Eigenschaft erst in unseren modernen Pflanzen verlorenging.

Auch bei Pflanzen steuern Hormone entscheidende Schritte in der Entwicklung und beim Wachstum. Doch während es Pflanzenhormone bei Algen offenbar noch nicht gibt, waren sie beim Vorfahr unserer heutigen Landpflanzen bereits erfunden, wie das Genom des Kleinen Blasenmützenmooses belegt. Aus dem Vergleich mit dem Genom der heutigen Pflanzen können die Forscher wichtige Rückschlüsse darauf ziehen, wie sich Pflanzenhormone entwickelt haben.

An der Veröffentlichung in Science waren auch zwei deutsche Forschungseinrichtungen beteiligt, die Universität Freiburg im Breisgau und das Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung. Die Forscher am Kölner Max-Planck-Institut interessierten sich vor allem für die Reparatur von DNA-Schäden in Physcomitrella. Dieser Prozess ist für die Abwehr schädlicher Umwelteinflüsse von Bedeutung und beim Menschen auch in die Entstehung von Krebs und das Altern involviert. "DNA-Schäden werden in Physcomitrella präzise repariert, was unzweifelhaft zu der hohen Stabilität des Physcomitrella-Genoms beiträgt", erläutert Bernd Reiss, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut in Köln die Forschungsergebnisse. "Aus der humanmedizinischen Forschung wissen wir, dass Fehler im Genom zu Krankheiten führen können. Von daher ist es von großem Interesse, die Mechanismen zu verstehen, die zu dieser Genomstabilität führen."

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