Was bringt biologische Uhren zum Ticken?

Max-Planck-Wissenschaftler entdecken Einfluss des Steroidhormons Cortisol auf die den Zellteilungsrhythmus steuernden Uhren

22. März 2007

Wer die Zeit misst, kann sich besser in seine Umwelt fügen: Das gilt für alle Organismen - für pflanzliche ebenso wie für tierische. Bei einer Vielzahl physiologischer Prozesse spielen Zeitinformationen, die über biologische Uhren vermittelt werden, eine Rolle; so auch bei Zellteilungszyklen. Wenig verstanden sind bisher jedoch die Wechselwirkungen zwischen diesen zellautonomen Mechanismen und den systemischen, also durch Hormone gesteuerten. Durch Untersuchung verschiedener Zebrafisch-Mutanten haben Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und vom European Molecular Biology Laboratory (EMBL) herausgefunden, dass das Hormon Cortisol bei der Etablierung endogener Zellteilungsrhythmen im ganzen Tier eine entscheidende Rolle spielt (PLoS Biology, 19. März 2007).

Physiologische Vorgänge in Pflanzen und Tieren verändern sich im Tag-Nacht-Rhythmus. Diese Rhythmen werden durch biologische Uhren erzeugt, die unter konstanten Bedingungen eine Periodenlänge von ungefähr 24 Stunden (circadian) haben. Bei Wirbeltieren finden sich solche zellautonomen circadianen Uhren in den meisten Zelltypen. Man bezeichnet sie - im Gegensatz zum zentralen Schrittmacher im Gehirn, dem SCN (Suprachiasmatischer Nucleus) - als periphere Uhren. Bestimmte Hauptschritte des Zellteilungszyklus scheinen der Kontrolle solcher peripheren Uhren zu unterliegen. Da eine strenge Kontrolle der Zellteilung lebensnotwendig ist, um normales Wachstum zu sichern und Tumorbildung zu vermeiden, ist ein tiefer gehendes Verständnis jener Mechanismen, die den Zeitpunkt der Zellteilung in normalen Zellen festlegen, von großer medizinischer Bedeutung.

Im Zebrafisch, einem kleinen Süsswasserfisch, der wegen seiner transparenten Larven ein beliebtes Studienobjekt von Entwicklungsbiologen ist, kann man eine deutliche tägliche Rhythmik des Zellwachstums in der Larve beobachten. Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Nicholas Foulkes am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen haben im Rahmen ihrer Arbeiten zur Zellteilungskontrolle Zebrafischlinien untersucht, die verschiedene Defekte in der Hormonproduktion aufwiesen. "Wir konnten zeigen, dass das Steroidhormon Cortisol notwendig für die Ausbildung der täglichen Zellteilungsrhythmen ist", erklärt Thomas Dickmeis. "In Larven mit einer zu niedrigen Cortisolproduktion sind die Rhythmen sehr stark abgeschwächt."

Bemerkenswerterweise hängen die Rhythmen nicht von den 24-stündigen Änderungen des Cortisolspiegels ab, die in normalen Zebrafischen wie in anderen Wirbeltieren vorhanden sind. Vielmehr kann auch eine Behandlung mit über den gesamten Tag gleichbleibenden Konzentrationen eines Cortisol-Ersatzmedikamentes normale Zellteilungsrhythmen in den cortisolarmen Fischen wiederherstellen. Die Zelluhr selbst scheint also den Zeitpunkt für die Zellteilung zu bestimmen, allerdings benötigt sie dazu das Vorhandensein einer ausreichenden Menge an Cortisol. "Die derzeit existierenden Modelle zur Steuerung des circadianen Zellzyklus berücksichtigen nur die Regulation der Genexpression durch die internen Zelluhren. Unsere Arbeit hat aber gezeigt, dass diese bei der Steuerung von biologischen Tag-Nacht-Rhythmen mit Hormonen zusammenwirken können", sagt Nicholas Foulkes. Und fügt hinzu: "Die Modelle müssen also neu bewertet werden."

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