H.E.S.S. Teleskop entdeckt erste kosmische Gammastrahlen-Uhr

Internationales Astronomenteam identifiziert erstmals eine regelmäßig pulsierende Gammastrahlen-Quelle in der Milchstraße

17. November 2006

Astrophysiker des H.E.S.S. Teleskop-Systems in Namibia haben erstmals pulsierende höchstenergetische Gammastrahlung in unserer Galaxis nachgewiesen. Bisherige Beobachtungen pulsierender Quellen waren auf 100.000 Mal kleinere Energien beschränkt. Quelle der Strahlung ist ein Doppelsternsystem mit dem Katalognamen LS 5039, in dem ein kompakter Körper - ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch - in nur vier Tagen auf einer exzentrischen Bahn um einen blauen Riesenstern rast. Der blaue Stern ist 20 Mal so schwer wie die Sonne, sein Begleiter "wiegt" einige Sonnenmassen. Die Intensität der Gammastrahlung pulsiert mit einer Periode von vier Tagen, entsprechend der Umlaufzeit des Begleitsterns. Mit dem Abstand der beiden Sterne ändern sich offensichtlich auch die Bedingungen für die Beschleunigung hochenergetischer Teilchen und für die Abstrahlung von Gamma-Quanten. Je nach Orientierung der beiden Sterne kann die Gammastrahlung auch in dem intensiven Licht des blauen Riesensterns "stecken bleiben". Diese Entdeckung zeigt, dass der kosmische Teilchenbeschleuniger in LS 5039 für astronomische Maßstäbe sehr kompakt gebaut ist - er kann nicht viel größer sein als der Abstand Sonne-Erde und erlaubt neue Einsichten in die Prozesse in solch extremen Regionen der Milchstraße (Astronomy & Astrophysics, 24. November 2006).

Viele Sterne in unserer Galaxis bilden Doppelsternsysteme; Einzelsterne wie unsere Sonne sind eher eine Ausnahme. Aber selten kommen sich Doppelsterne so nahe wie in LS 5039: Der Abstand der beiden Sterne beträgt nur einen Bruchteil des Abstands zwischen Erde und Sonne und der kleinste Abstand auf der exzentrischen Bahn des Begleiters entspricht der doppelten Größe des blauen Sterns. Eine Umkreisung des Riesensterns dauert nur knapp vier Tage.

LS 5039 wurde erst 2005 als Quelle hochenergetischer Gammastrahlung entdeckt; das H.E.S.S.-Team hatte darüber in der Zeitschrift "Science" berichtet [1]. In neueren umfangreichen Beobachtungen haben die H.E.S.S.-Astrophysiker jetzt eine zyklische Veränderung der Intensität der Gammastrahlung entlang der Bahn des Begleitsterns nachgewiesen; LS 5039 ist damit die erste "Uhr" am Gammastrahlen-Himmel.

Die Gammastrahlung dieser Quelle ist am stärksten, wenn der kompakte Begleitstern von der Erde aus gesehen "vor", und am schwächsten, wenn er "hinter" dem blauen Stern steht. Da die Bahnebene aber gegen die Sichtlinie gekippt ist, kann es sich dabei nicht um einen reinen Abschattungseffekt handeln. "Dazu kommt, dass sich auch das Spektrum der Gammastrahlen entlang des Orbits ändert: Vor dem blauen Stern ist die Strahlung sehr viel härter, also energiereicher", bemerkt Gavin Rowell vom Max-Planck-Institut für Kernphysik.

Diese Gammastrahlung entsteht vermutlich, wenn der Sternenwind des blauen Riesensterns auf seinen Begleitstern trifft. Dieser Sternenwind entspricht unserem "Sonnenwind", der zum Beispiel die Nordlichter verursacht, ist aber wegen der heißen Atmosphäre des blauen Sterns sehr viel intensiver. In der turbulenten Kollisionszone können Elementarteilchen auf höchste Energien beschleunigt werden, die ihrerseits dann die beobachteten Gammaquanten abstrahlen. Taucht der Begleitstern entlang seiner exzentrischen Bahn immer tiefer in den Sternenwind und in das intensive Licht des blauen Sterns ein, ändern sich die "Arbeitsbedingungen" für den kosmischen Beschleuniger und damit auch Intensität und Energiespektrum der Gammastrahlung. Der Begleitstern dient auf diese Weise quasi als Messinstrument für jene extremen Naturprozesse, die sich in der Nähe des blauen Sterns abspielen.

Zur Modulation der Gammastrahlung trägt auch noch ein anderer geometrischer Effekt bei: Seit Einsteins berühmter Gleichung E=mc² wissen wir, dass Strahlung und Materie ineinander umgewandelt werden können. Genau dies passiert, wenn ein Gammaquant auf Licht des blauen Sterns trifft und ein Elektron-Positron-Paar entsteht. Das Sternenlicht stellt daher eine Art Nebel dar, durch den die Gammastrahlung hindurch muss, wenn der Begleitstern hinter dem blauen Riesenstern steht. "Diese periodische Abschwächung der Gammastrahlung ist ein schönes Beispiel für die Erzeugung von Materie durch Strahlung, aber andererseits macht der Effekt es schwieriger für uns, den Teilchenbeschleuniger direkt zu sehen", so Guillaume Dubus vom Observatorium Grenoble, LAOG.

Die vom H.E.S.S.-Team beobachtete Modulation der Strahlung ist daher vermutlich eine Kombination zweier Effekte, nämlich aus der Änderung der Bedingungen für die Teilchenbeschleunigung entlang der Bahn des Begleitsterns und dem "Nebel", den das intensive Sternenlicht für die Gammastrahlung darstellt. "Zum ersten Mal in der Geschichte der Gamma-Astronomie bei höchsten Energien können wir mit einem kosmischen Beschleuniger quasi experimentieren und sehen, wie er auf die sich periodisch verändernde Umgebung reagiert", sagt Mathieu de Naurois vom Institut für Kern- und Hochenergiephysik LPNHE in Paris.

Die neue Entdeckung und die genauen Messungen des H.E.S.S.-Teams helfen, jene Prozesse besser zu verstehen, die sich in der Umgebung stellarer Schwarzer Löchern und Neutronensterne abspielen und zu einem kosmischen Teilchenbeschleuniger führen.

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