Planet oder gescheiterter Stern?

Fragliches bei der Entdeckung eines der bisher masseärmsten Begleiter eines normalen Sterns

13. September 2006

Einen der masseärmsten Begleiter eines normalen Sterns haben Astronomen in einem internationalen Projekt mit Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg auf einer Aufnahme mit dem Weltraumteleskop HUBBLE entdeckt. Die Masse des Sterns beträgt 0.35 Sonnenmassen, die Masse des Begleiters nur etwa zwölf Jupitermassen (das sind 0.01 Sonnenmassen), sein Abstand zum Zentralstern ist aber 200 Mal so groß wie der Abstand der Erde zur Sonne. Ist der Begleiter nun ein Planet oder ein gescheiterter Stern? Die Wissenschaftler plädieren für einen "gescheiterten Stern" (Astrophysical Journal, 20. September 2006).

Das neu entdeckte Objekt umkreist den normalen, sonnenähnlichen Stern CHRX 73 und wird deshalb als CHRX 73B bezeichnet. Mit einem Alter von nur zwei Millionen Jahren sind die beiden Objekte sehr jung. Zum Vergleich: Das Sonnensystem ist 4.6 Milliarden Jahre alt.

Das Objekt wurde im Rahmen einer Suche nach Braunen Zwergen mit der "Advanced Camera for Surveys" des Weltraumteleskops HUBBLE gefunden. In den elf Jahren seit der Entdeckung des ersten Braunen Zwerges haben Astronomen einige hundert Objekte dieser Art gefunden. Die meisten von ihnen sind isoliert, und nur wenige - wie auch CHRX 73 B - sind Begleiter eines normalen Sterns.

Doch als was ist CHRX 73B nun zu bezeichnen - als Planet, als Brauner Zwerg oder als gescheiterter Stern?

Nach seiner Masse beurteilt: ein Planet
Braune Zwerge unterscheiden sich von normalen Sternen darin, dass in ihrem Inneren zwar kein Wasserstoffbrennen ablaufen kann, dazu sind Druck und Temperatur zu niedrig, wohl aber noch Lithium- und Deuteriumbrennen; dagegen läuft im Inneren der Planeten keinerlei Kernreaktion ab. Diese Definition begrenzt die Masse der Braunen Zwerge nach oben - gegenüber den normalen, Wasserstoff-brennenden Sternen - bei etwa 75 Jupitermassen und nach unten - gegenüber den Planeten - bei etwa 13 Jupitermassen. Mit seinen zwölf Jupitermassen wäre CHRX 73B demnach ein Planet.

Nach seiner Entstehung beurteilt: ein gescheiterter Stern
Aber neben der Masse, von deren Wert es abhängt, ob bestimmte Kernreaktionen im Inneren der Körper ablaufen können, besteht ein zweites, wichtiges Unterscheidungskriterium zwischen Sternen oder auch Braunen Zwergen und Planeten: ihr Entstehungsprozess.

Ein Stern entsteht direkt aus dem Kollaps einer kalten interstellaren Wolke aus Staub und Gas. Die Wolke fällt unter der Last ihrer äußeren Schichten in sich zusammen, und in ihrem Inneren bildet sich eine zentrale Verdichtung - der neue Stern.

Weil die Wolke ursprünglich rotiert, führen die beim Kollaps verstärkt auftretenden Zentrifugalkräfte dazu, dass sich um den neu entstehenden Stern eine dichte rotierende Scheibe aus Staub und Gas ausbildet. In dieser Scheibe kommt es schnell zur Bildung von Klumpen, die dann immer mehr Scheibenmaterial aufsammeln und schließlich zu größeren Körpern anwachsen, die den Zentralkörper umkreisen. Diese im sekundären Wachstumsprozess innerhalb der Scheibe entstandenen Körper gelten nach dem zweiten Kriterium als Planeten.

Die neulich für die Planeten des Sonnensystems festgelegte Definition verlangt zusätzlich, dass die Körper eine runde Form haben, und dass sie ihre Umlaufbahn um den Zentralstern von anderen Körpern frei halten. Pluto, dessen Masse nur knapp ein Hunderttausendstel der Jupitermasse beträgt, ist demnach kein Planet, denn er ist zwar rund und in der die junge Sonne umgebenden Scheibe entstanden, aber er ist zu klein, um auf seiner Umlaufbahn der gravitative Alleinherrscher zu sein. Solche Körper werden dann als Zwergplaneten bezeichnet.

Nach diesem zweiten Kriterium ist nun der neu entdeckte CHRX 73B kein Planet. Denn seine Entfernung vom Zentralstern ist 200-mal so groß wie der Abstand der Erde von der Sonne (dieser Abstand beträgt 150 Millionen Kilometer und wird als Astronomische Einheit bezeichnet) und etwa siebenmal so groß wie der Sonnenabstand Neptuns: Nach allem, was die Astronomen heute wissen, können Planeten der Größe Jupiters und größer nicht weiter als etwa 30 Astronomische Einheiten von ihrem Zentralstern entstehen, weil die ursprüngliche zirkumstellare Scheibe dort draußen nicht mehr genügend viel Baumaterial enthält.

Demnach wäre CHRX 73 B, dessen Abstand zu seinem Zentralstern 200 Astronomische Einheiten beträgt, nicht in einer zirkumstellaren Scheibe um CHRX 73 sondern direkt aus dem Kollaps einer recht kleinen interstellaren Wolke aus Gas und Staub entstanden. Er wäre seiner Entstehung nach ein Stern oder Brauner Zwerg, dessen Masse jedoch zum Zünden von Kernreaktionen im Inneren nicht ausreicht - also sozusagen ein "gescheiterter Stern", der mit CHRX 73 ein gravitativ gebundenes, ungleiches Paar bildet.

Einsame Winzlinge
Völlig isolierte Objekte mit planetarer Masse, die an keinen Zentralstern gebunden sind, sondern einsam durch den Raum vagabundieren, sind bereits bekannt: Sie können keinesfalls in zirkumstellaren Scheiben entstanden sein, müssen sich also wie Sterne direkt aus dem Kollaps interstellarer Wolken gebildet haben, und gelten mit vollem Recht als "gescheiterte Sterne".

Ein wichtiges Indiz für die Herkunft von CHRX 73 B direkt aus dem Kollaps einer interstellaren Gas- und Staubwolke wäre das Vorhandensein einer eigenen Staubscheibe. Auch viele junge Braune Zwerge scheinen von kompakten Scheiben mit Durchmessern von bis zu 20 Astronomischen Einheiten umgeben zu sein. Diese kompakten Scheiben lassen sich zur Zeit weder mit dem Weltraumteleskop HUBBLE noch mit bodengebundenen 8- bis 10-Meter-Teleskopen direkt abbilden. Aber das Infrarotweltraumteleskop SPITZER hat die Wärmestrahlung von Scheiben um isolierte Braune Zwerge nachgewiesen, es besitzt allerdings nicht das räumliche Auflösungsvermögen, um CHRX 73 und seinen Begleiter getrennt abbilden zu können.

Der nächste Schritt
Die Astronomen müssen somit auf zukünftige Beobachtungsmöglichkeiten hoffen, mit denen sich kompakte Staubscheiben um Braune Zwerge nachweisen und räumlich auflösen lassen werden. Solche Möglichkeiten werden bodengebundene Teleskope bieten, die mit adaptiver Optik und interferometrischen Verfahren arbeiten, oder aber das "James Webb Space Telescope", HUBBLEs Nachfolger, dessen Start für das Jahr 2013 geplant ist.

An dem Projekt beteiligt waren Kevin Luhman (Penn State University, University Park, USA), John Wilson (University of Virginia, Charlottesville, USA), Wolfgang Brandner (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg), Michael Skrutskie (University of Virginia, Charlottesville, USA), Mike Nelson (University of Virginia, Charlottesville, USA), John D. Smith (University of Arizona, Tucson, USA) Deane Peterson (University of Virginia, Charlottesville, USA), Mike Cushing (University of Arizona, Tucson, USA) und Eric Young (University of Arizona, Tucson, USA).

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