Körber-Preis für Ulrich Hartl

Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie erhält hoch dotierten europäischen Wissenschaftspreis

5. September 2006

Für seine ambitionierte Forschungsarbeit zur zellulären Proteinfaltung wird Prof. Ulrich Hartl, Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, mit dem "Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft 2006" geehrt. Mit dem Preisgeld in Höhe von 750.000 Euro fördert die Körber-Stiftung auch Hartls Forschungsprojekt "Chaperone der Proteinfaltung in Biotechnologie und Medizin". Chaperone helfen Proteinen bei der korrekten Faltung in ihre dreidimensionale Struktur - die entscheidende Voraussetzung dafür, dass sie ihre Funktionen erfüllen. Hartl wird der Preis bei einem Festakt am 7. September 2006 im Hamburger Rathaus verliehen.

Die Form muss stimmen, damit Proteine ihre Aufgaben erfüllen. Da ihre Lebensdauer begrenzt ist, müssen sie in den Zellen stets neu gebildet werden. Dabei ist viel Präzision gefragt: Denn Proteine bestehen aus bis zu mehreren tausend einzelnen Bausteinen, den Aminosäuren, die sich miteinander zu einem Strang verknüpfen. Diese Polypeptidkette ist die Grundstruktur jedes Proteins - das allerdings nur dann biologisch aktiv wird, wenn sich die neu produzierte Polypeptidkette durch Schleifen und Faltungen zu einem dreidimensionalen Molekül aufbaut.

Dabei helfen Chaperone, wie Prof. Ulrich Hartl - heute Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried - bereits 1989 erstmals nachgewiesen hat. Diese Helferproteine fangen neu synthetisierte Polypeptidketten ein und schirmen sie während des Faltungsprozesses ab, sodass sie ihre vorgesehene Form einnehmen. Damit verhindern die Chaperone, dass sich Polypeptidketten miteinander verklumpen oder fehlgefaltete Proteine in den Zellen ansammeln - eine solche Aggregation löst schlimmstenfalls neurodegenerative Erkrankungen, etwa Alzheimer oder Chorea Huntington, aus.

In seinem Projekt "Chaperone der Proteinfaltung in Biotechnologie und Medizin" untersucht Hartl diese zellulären Prozesse. Am Beispiel von Chorea Huntington hat der Max-Planck-Wissenschaftler bei Experimenten an Zellkulturen gezeigt, dass die Zellen bei Ausbruch der Krankheit nicht ausreichend mit Chaperonen versorgt waren. Deshalb verklumpten die Polypeptidketten. Die Folge: eine Vergiftung der Zellen, im Falle Chorea Huntington Ursache für die Krankheitssymptome Bewegungsstörungen und Gedächtnisverlust. Hartl erforscht die Arbeitsmechanismen der Chaperone. Gemeinsam mit Erich Wanker vom Max Delbrueck Centrum in Berlin gelang es dem Forscher mittlerweile, die Produktion der Chaperone medikamentös zu steigern. In seinen Experimenten zu Chorea Huntington konnte er damit die Aggregation der schädlichen Proteinablagerungen und damit auch die Vergiftung der Zellen unterdrücken.

Mit steigendem Alter nimmt die Produktion der Chaperone in menschlichen Zellen jedoch generell ab. Die Folge: ein Ungleichgewicht zwischen der Produktion fehlgefalteter Proteine und den zellulären Abwehrmechanismen. "Das würde erklären, warum neurodegenerative Krankheiten in der Regel erst in höherem Alter ausbrechen, obwohl der Mensch die Krankheitsproteine sein ganzes Leben lang in sich trägt", sagt Hartl. Seine Forschungsgruppe sucht nun nach Methoden, um die Entstehung der Chaperone im Alter wieder zu steigern.

Doch Chaperone sind nicht gleich Chaperone: In Bakterienzellen und menschlichen Zellen arbeiten diese molekularen Helferproteine unterschiedlich. Wird etwa ein menschliches Protein in Bakterien künstlich erzeugt, kann es passieren, dass sich das Protein dort nicht korrekt faltet. "Wir möchten die Chaperon-Ausstattung bei Bakterienzellen deshalb soweit verbessern, dass sie auch komplexe menschliche Proteine produzieren und falten können", sagt Hartl - das wäre eine wichtige Anwendung in der Biotechnologie.

Weitere Erkenntnisse dieser zellbiologischen Grundlagenforschung könnten in Zukunft die Behandlung schwerwiegender degenerativer Erkrankungen ermöglichen. "Mit dem Körber-Preis wird unsere Forschung maßgeblich unterstützt", sagt Hartl. "Die Fördermittel ermöglichen uns, gleich mehrere Forschungsansätze parallel zu verfolgen." Neben kostenintensiven genetischen Screens sei auch eine intensive Suche in Substanzbibliotheken nach Wirkstoffen geplant, welche die Chaperone wieder aktivieren.

Für seine Forschungsleistungen im Bereich der zellulären Proteinfaltung wurde Hartl bereits 2002 mit dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis, dem höchsten deutschen Wissenschaftspreis, geehrt. Im Jahr 2004 erhielt er den angesehenen kanadischen "International Gairdner Award". Darüber hinaus ist Hartl Träger des Lipman-Preises der Amerikanischen Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie.

Ulrich Hartl wurde 1957 geboren und studierte Medizin an der Universität Heidelberg, wo er anschließend auch promovierte. Als wissenschaftlicher Assistent wechselte er dann zu Walter Neupert an die Ludwig-Maximilians-Universität München. Ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglichte ihm einen ersten Forschungsaufhalt an der University of California, Los Angeles. Als Professor und Investigator des Howard Hugh Medical Institute war er dann am Sloan-Kettering Institute und an der Cornell University in New York tätig. Im Jahr 1997 gelang es der Max-Planck-Gesellschaft den hochrangigen Wissenschaftler wieder nach Deutschland zurückzuholen, wo er nun seit neun Jahren die Abteilung Zelluläre Biochemie leitet.

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