Goldene Kraepelin-Medaille geht an Detlev von Zerssen

International renommierte Auszeichnung für grundlegende Beiträge zur Entwicklung der quantitativen Psychopathometrie

25. Oktober 2006

Im Jubiläumsjahr zum 150. Geburtstag von Institutsgründer Emil Kraepelin ehrt die Stiftung Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie (Max-Planck-Institut für Psychiatrie) Professor Dr. Detlev von Zerssen für seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen in der Psychiatrie. Als klinisch verantwortlicher Arzt und Psychologe hat Detlev von Zerssen Grundlegendes in der Etablierung der quantitativen Psychopathologie geleistet. Im Rahmen einer akademischen Feierstunde am 2. November 2006 in München wird die Goldene Kraepelin-Medaille an Prof. von Zerssen verliehen.

Detlev von Zerssens wissenschaftliches Wirken konzentrierte sich stets auf die Ursachenklärung psychischer Erkrankungen. Er gilt als einer der Wegbereiter der psychiatrischen Schlafforschung, der Chronobiologie, der Therapieevaluation und der psychiatrischen Neuroendokrinologie.

In überzeugender Weise verband Detlev von Zerssen in seiner klinischen wie wissenschaftlichen Arbeit Psychiatrie und Psychologie, wobei er sich niemals scheute, die vorherrschenden Ansichten seines Faches kritisch zu hinterfragen. So widerlegte er 1966 mit seiner Habilitationsschrift zum Thema "Körperbau, Persönlichkeit und seelisches Kranksein. Beiträge zur Analyse psycho-physiologischer Habitusbeziehungen" die damals noch weit verbreitete Körperbaulehre des Psychiaters Ernst Kretschmer. Nach seiner Auffassung bestand ein Zusammenhang zwischen dem Körperbau und der Entwicklung psychischer Erkrankungen. Depressivität sollte etwa bei rundlichen Menschen mit reichlich Körperbehaarung auftreten, Schizophrenie eher bei schlanken, unbehaarten, hoch gewachsenen Menschen. Detlev von Zerssen zeigte nicht nur die methodisch-statistischen Mängel in Kretschmers Untersuchungen auf, sondern führte empirische Studien und objektivierbare Messmethoden in der Psychiatrie ein.

Detlev von Zerssens herausragende Leistung besteht in der Entwicklung der quantitativen Psychopathometrie. Durch die Etablierung der so genannten "Befindlichkeitsskalen" ermöglichte er eine standardisierte psychiatrische Diagnostik. Erst auf dieser methodischen Grundlage konnte eine kriteriengeleitete Klassifikation psychischer Erkrankungen und ihrer Verlaufsformen erfolgen. Die einheitliche psychopathologische Charakterisierung und die quantitative Bestimmung von Behandlungserfolgen stellen darüber hinaus die Voraussetzung von klinisch-psychopharmakologischen Prüfverfahren dar.

Detlev von Zerssen wurde im Oktober 1926 in Altona geboren und studierte Medizin und Psychologie in Hamburg und Tübingen. 1952 legte er zunächst die psychologische Diplomprüfung, 1953 das medizinische Staatsexamen und 1954 seine Promotion in Medizin ab. Seine berufliche Tätigkeit begann er an der II. Medizinischen Universitätsklinik Hamburg. Von 1960 bis 1966 setzte er seine psychiatrisch-neurologische Weiterbildung sowie die parallele psychotherapeutische Ausbildung an den Universitätskliniken Hamburg, Heidelberg und Zürich fort. Nach der Habilitation 1966 in Heidelberg übernahm Detlev von Zerssen die Leitung der Abteilung Psychiatrie des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München. 1973 erfolgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor der Ludwig-Maximilians-Universität. Als Mitglied der Sachverständigenkommission zur Lage der Psychiatrie des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit ("Enquete-Kommission") leistete Detlev von Zerssen in den 1970er Jahren einen bedeutsamen Beitrag zum gesellschaftlichen Selbstverständnis und der Entwicklung der Psychiatrie in Deutschland.

Im Rahmen einer akademischen Feierstunde anlässlich des 150. Geburtstages des Institutsgründers Emil Kraepelin (1856 - 1926) wird Detlev von Zerssen die Goldene Kraepelin-Medaille verliehen. Die Laudatio hält Florian Holsboer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie. Detlev von Zerssen spricht in seinem Festvortrag zum Thema: "Ein halbes Jahrhundert erlebter Psychiatriegeschichte".

Hintergrundinformation zur Goldenen Kraepelin-Medaille

Die Goldene Kraepelin-Medaille wurde 1928 anlässlich der Eröffnung des Institutsgebäudes der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie, dem heutigen Max-Planck-Institut für Psychiatrie, in Erinnerung an Emil Kraepelin gestiftet. Die Auszeichnung wird von der Stiftung Deutsche Forschungsanstalt für Psychiatrie etwa alle fünf bis zehn Jahre für herausragende wissenschaftliche Leistungen auf den Gebieten der Psychiatrie oder der zugehörigen Grundlagenforschung verliehen. Die Auswahl des Preisträgers trifft ein internationales Komitee unter dem Vorsitz des jeweiligen Geschäftsführenden Direktors des Instituts und dem Ordinarius für Psychiatrie der Ludwig-Maximilians-Universität. Die letzten Preisträger waren 1992 Jules Angst, Zürich/Schweiz; 1997 Arvid Carlsson, Göteborg/Schweden und 2003 Hanns Möhler, Zürich/Schweiz. Die Goldene Kraepelin-Medaille zählt heute auch international zu den angesehensten wissenschaftlichen Auszeichnungen der Medizin.

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