Der Blick des Röntgenlasers

Max-Planck-Forschungsgruppe an der Universität Hamburg für das Centre of Free Electron Laser Studies beschlossen

13. Juli 2006

Moleküle tauschen Elektronen schneller aus als Wissenschaftler gucken können - bislang jedenfalls. Bald werden Forscher chemische Reaktionen jedoch mit den äußerst kurzen und intensiven Laserpulsen des Röntgenlichts verfolgen, das sehr schnelle freie Elektronen abstrahlen. Zum Beispiel mit dem Freien Elektronen Laser (XFEL) am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg. Die Max-Planck-Gesellschaft wird an der Universität Hamburg eine Forschungsgruppe aufbauen, die sich mit Arbeitsgruppen der Universität und des DESY zum Centre of Free Electron Laser Studies (CFEL) zusammenschließt. Die Max-Planck-Forschungsgruppe wird ab 2008 die Potenziale und Grenzen des Röntgenlasers untersuchen. Zu diesem Zweck erhält sie von der MPG und dem Land Hamburg über fünf Jahre hinweg jährlich rund acht Millionen Euro, wie der Senat der Max-Planck-Gesellschaft heute in Frankfurt am Main beschlossen hat.

Der Röntgenlaser, den das DESY derzeit baut, verschafft Wissenschaftlern völlig neue Einblicke in die molekulare Welt. Und wird in vielen naturwissenschaftlichen Disziplinen neue Erkenntnisse bringen: In der Medizin, der Biologie, der Physik, der Atmosphärenforschung, der Chemie und der Materialwissenschaft. "Denn der Röntgenlaser ermöglicht eine sehr hohe zeitliche und räumliche Auflösung", erklärt Prof. Robert Schlögl, Vorsitzender der Sektion für Chemie, Physik und Technik in der MPG. Er gehörte der Kommission an, die das wissenschaftliche Konzept für die Max-Planck-Forschungsgruppe am CFEL erarbeitet hat. In diesem Gremium waren unter anderem auch Prof. Jürgen Lüthje, Präsident der Universität Hamburg, Prof. Jochen Schneider, Forschungsdirektor des DESY, Prof. Joachim Ullrich, Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik und Prof. Martin Stratmann, geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung, vertreten.

Das Licht des Röntgenlasers blitzt nur für einige Femtosekunden auf. Eine Femtosekunde ist der Millionste Teil einer Milliardstel Sekunde. In dieser Zeit legt auch Licht nur wenige Mikrometer zurück. Daher lässt sich mit den Pulsen in chemischen Reaktionen beobachten, wie sich dabei Elektronen umgruppieren. Diese springen sehr schnell von einem Reaktionspartner zum anderen, sodass ihre Spur in längeren Lichtpulsen verwischt. Laser, die Femtosekundenpulse abfeuern, gibt es bereits. Ihre Energie reicht aber nicht, um die Elektronen in Atomen unterschiedlicher Elemente sichtbar zu machen.

Röntgenlaserpulse liefern detaillierte Bilder von Molekülen und den Oberflächen von Festkörpern. Denn die Wellenlänge des Röntgenlichts entspricht in etwa den Atomabständen in diesen Proben. "Da die Pulse zudem sehr intensiv sind, kann vielleicht schon ein einzelnes Molekül ein Beugungsmuster hervorbringen.", sagt Schlögl. Ein Beugungsmuster entsteht, wenn Röntgenlicht mit Atomen wechselwirkt. Um den Effekt mit gewöhnlichen Röntgenquellen auszulösen, müssen Wissenschaftler einige Millionen Moleküle durchleuchten. Gerade von Biomolekülen haben sie aber oft nur winzige Spuren, die sie künftig mit dem XFEL analysieren könnten.

Um das besondere Licht des Röntgenlasers zu erzeugen, müssen Wissenschaftler auch zu besonderen Mitteln greifen: Auf einer Strecke von 3,4 Kilometern werden sie Elektronen durch eine Röhre jagen. Sobald die Elektronen fast Lichtgeschwindigkeit erreicht haben, werden Magnete sie auf dem letzten Drittel der Strecke in eine Slalomfahrt zwingen. Auf dem Schlingerkurs nehmen die Elektronen ständig Energie auf - und müssen auch Energie abgeben: die Röntgenpulse. Nach demselben Prinzip funktioniert auch ein Synchrotron, das Elektronen in einer Kreisbahn beschleunigt. Nur auf dem Slalomkurs können die Wissenschaftler jedoch Laserpulse, also kohärentes und sehr intensives Licht, aus den Elektronen herauskitzeln.

Bereits 2003 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung beschlossen XFEL zu fördern, nachdem der Wissenschaftsrat sich für dieses Großprojekt stark gemacht hat. Es wird insgesamt voraussichtlich 900 Millionen Euro kosten, die zu 60 Prozent von der Bundesrepublik Deutschland getragen werden. Die restlichen 40 Prozent sollen die 13 europäischen Partnerländer aufbringen, zu denen unter anderen Frankreich, England und Italien gehören. Auf deutscher Seite werden die Max-Planck-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, zu der DESY gehört, und verschiedene Universitäten mit dem Röntgenlaser forschen.

Wie sich das ganze Potenzial von XFEL ausschöpfen lässt, werden die Wissenschaftler am Centre of Free Electron Studies (CFEL) untersuchen. Am CFEL werden neben der Max-Planck-Forschungsgruppe zwei Abteilungen und eine Theoriegruppe des DESY, fünf Arbeitsgruppen der Universität Hamburg sowie eine Detektorgruppe, die DESY und die Universität stellen, arbeiten. Die Max-Planck-Forschungsgruppe wird zwei wissenschaftliche Abteilungen, zwei experimentelle und eine theoretische Nachwuchsgruppe umfassen. Darüber hinaus entsenden mehrere Max-Planck-Institute Wissenschaftler in eine Advanced Study Group, die bereits ab Ende dieses Jahres am CFEL arbeiten wird.

In einer Max-Planck-Forschungsgruppe arbeiten die MPG und die jeweilige Universität intensiv zusammen. Die Forschungsgruppe ist jedoch keine Einrichtung der MPG, sondern der jeweiligen Universität, an der sich die MPG beteiligt. Dementsprechend wählen Hochschulen und MPG - im Falle von CFEL ist zudem DESY beteiligt - die Leiter der Forschungsgruppen einvernehmlich aus. Die Förderung der Forschungsgruppen durch die Max-Planck-Gesellschaft ist auf fünf Jahre begrenzt.

Die Max-Planck-Forschungsgruppe am Centre for Free Electron Laser Studies wird die Grundlagen der Spektroskopie mit dem Röntgenlaser erforschen. Denn so viel versprechend die Aussichten für einen Röntgenlaser sind, so begrenzt sind die Erfahrungen, die Wissenschaftler mit einem solchen Instrument bislang haben. Zwar experimentieren sie schon seit einiger Zeit mit Lasern, die nach demselben Prinzip arbeiten und UV-Pulse liefern. Röntgenlaser gibt es aber noch nicht. Daher ist auch noch nicht ganz klar, wie Proben auf die Energiepakete des Röntgenlasers reagieren: "Sie erzeugen in der Probe für sehr kurze Zeit ein Plasma", sagt Schlögl. In einem Plasma trennen sich die Elektronen von den Atomkernen. "Wir müssen erst einmal herausfinden, ob wir die Materie anschließend überhaupt noch so sehen wie sie vorher war", so Schlögl. Schließlich könnte die energiereiche Strahlung die Moleküle auch zerstören. Zumindest wenn der Puls zu lange dauert. "Erst kürzlich hat ein Experiment bewiesen, dass Moleküle verdampfen, wenn ein Puls länger als 30 Femtosekunden auf sie einwirkt." Also müssen sie dafür sorgen, dass die Pulse möglichst kurz sind.

Solche kurzen Pulse richten im Untersuchungsobjekt zwar keinen Schaden an, stellen die Wissenschaftler aber gleich vor die nächste Aufgabe: Wie lässt sich ein Lichtsignal detektieren, wenn es nicht mal im Untersuchungsmolekül eine bleibende Spur hinterlässt. Diesem Problem widmet sich das Halbleiterlabor der beiden Max-Planck-Institute für Physik und für extraterrestrische Physik. Die ersten Detektoren für besonders energiereiches Röntgenlicht haben die Forscher des Labors, das Satelliten mit Detektoren ausstattet, bereits gebaut. "Die Detektoren arbeiten nach dem Prinzip der CCD-Kameras", sagt Schlögl. In ihnen löst Licht einen elektrischen Impuls aus, indem es in einem Halbleiter eine Ladungswolke zerstäubt. Für XFEL müssen die Detektoren aber noch schneller und empfindlicher werden. Auch dafür haben die Wissenschaftler schon eine Idee: "Wir werden mit metastabilen Ladungswolken arbeiten." Diese lösen auch bei einem Puls von wenigen Femtosekunden ein Signal aus. Satelliten verdanken ihre scharfen Augen diesem Prinzip. Doch die Detektoren für XFEL sollen sogar noch besser werden. "Davon könnten auch Astrophysiker profitieren", so Schlögl.

Erste Versuche werden die Wissenschaftler der neuen Max-Planck-Forschungsgruppe schon 2009 machen. Dann allerdings nicht am freien Elektronenlaser in Hamburg, sondern am SLAC, dem ersten Laser dieser Art, der gerade in Stanford (USA) entsteht. Im Gegenzug werden deutsche Forscher den amerikanischen Wissenschaftlern einen Detektor zur Verfügung stellen. XFEL wird sein erstes Licht voraussichtlich erst 2012 aussenden, dafür wird er aber kürzere, energiereichere und intensivere Pulse abstrahlen als SLAC. Noch kürzere, wenn auch nicht so energiereiche Röntgenpulse wird einige Jahre später ein Röntgenlaser am BESSY-Synchrotron in Berlin produzieren. "Der Röntgenlaser am BESSY eignet sich daher noch besser, um chemische Reaktionen zu untersuchen", sagt Schlögl: "XFEL wird dafür mehr Informationen über die Struktur geben, weil er härtere, also energiereichere Röntgenstrahlung produziert."

Zur Redakteursansicht