Turbulente Strömungen sichtbar machen

Verwirbelungen im Latte-macchiato-Glas, thermische Schichtungen in Seen und komplexe Prozesse der Wolkenbildung: So unterschiedlich diese Phänomene auch sein mögen, überall spielen Turbulenzen eine Rolle. Diese versuchen Max-Planck-Wissenschaftler zu simulieren. Dabei entstehen Bilder von bestechender Schönheit.

Eine Latte macchiato schmeckt nicht nur gut. Die faszinierende Schichtung von Milchschaum, Espresso und Milch entsteht durch die gleichen physikalischen Prozesse, die unter anderem bei Meeresströmungen und bei der Wolkenbildung eine Rolle spielen. Wer sich daher morgens eine „gefleckte Milch“ zubereitet, kann diese Gesetzmäßigkeiten einfach studieren.

Die Ursachen für die Schichtung im Latte-macchiato-Glas sind zum einen die Temperaturunterschiede der Flüssigkeiten, aber auch das Gefälle der Konzentration der gelösten Inhaltsstoffe wie dem Kaffeepulver. Beide Größen bestimmen die Dichte der Flüssigkeit. Dichte Flüssigkeiten sind schwer und sinken ab, weniger dichte schwimmen oben.

Eigentlich sollte dieser Zustand stabil sein. Dennoch vermischen sich die Flüssigkeiten in den Grenzschichten. Bei genauem Hinschauen sind hier Wirbel zu sehen. Sie entstehen aufgrund der Temperaturdifferenz zwischen der Flüssigkeit und der Umgebungsluft. An der Glaswand kühlen sowohl Espresso als auch Milch ab, werden dichter und sinken nach unten. In der Mitte des Glases dagegen steigt die warme Flüssigkeit auf. Diese wird anschließend wieder von der absinkenden Flüssigkeit zum Rand gezogen, wo sie ebenfalls abkühlt und nach unten sinkt.

Die Kreisbewegung, die dadurch in Gang kommt, nennen Physiker Konvektion. In der  Flüssigkeit mit höherer Dichte sinkt die Konzentration der gelösten Teilchen, was wiederum deren Dichte herabsetzt und ihr Absinken abbremst. Dadurch bilden sich mehrere übereinander liegende Konvektionszellen. Die Konzentration von Espresso nimmt darin von oben nach unten ab.

Turbulenter Austausch zwischen Luft und Wasser

Diese Vorgänge im Latte-macchiato-Glas lassen sich durch die „Navier-Stokes-Gleichung“ beschreiben, eine Formel für hydrodynamische Prozesse, die unter anderem auch bei der Wolkenbildung oder bei Austauschprozessen zwischen Luft und Wasser in Seen zum Tragen kommt.

Letzteres haben Wissenschaftler um Juan Pedro Mellado vom Max-Planck-Institut für Meteorologie simuliert (siehe Abbildung). Auf dem dabei entstandenen Film wabern vor  dunklem Hintergrund netzartige Strukturen hin und her. Sie bewegen sich einmal in schnellem, einmal in langsamem Rhythmus, sie tanzen und flimmern vor den Augen.

Ähnlich wie bei einer Latte macchiato kühlt das Wasser des Sees an seiner Oberfläche ab. Darunter entsteht in der Schicht ein typisches Muster: Die warmen Bereiche, hier dunkel dargestellt, wandern nach oben. Gleichzeitig sinkt kühleres Wasser – hier die hellen Randbereiche – nach unten. So entsteht ein Muster vertikaler und horizontaler Mischungsprozesse unterschiedlich warmen Wassers. An den Knoten des Netzes treten winzige Strudel auf, manchmal sogar Doppelwirbel, die die Mischung an diesen Stellen beschleunigen. Diese turbulenten Bewegungen lassen sich nur sehr schwer voraussagen. „Sie beschreiben zu können, gehört daher noch immer zu den großen, ungelösten Problemen in der klassischen Physik“, sagt Mellado.

Komplexe Mischungsprozesse in Stratokumulus-Wolken

Auch die Wolkenränder verhalten sich ganz ähnlich wie die Milch im Kaffee: Turbulenzen vermischen Wassertröpfchen mit trockener Umgebungsluft. Sie wirken sich auf die Entstehung von Wolken und damit auf die globalen atmosphärischen Luftbewegungen aus. Doch wie lange braucht eine Wolke, um zu entstehen? Wie schnell vermischt sie sich mit ihrer Umgebung? Wann löst sie sich vollständig auf?

Diese Fragen lassen sich durch Beobachtung allein nicht lösen. Viel zu komplex und klein sind die Prozesse im Detail. Juan Pedro Mellado verwendet deshalb computergestützte Methoden wie die „Direkte numerische Simulation“ (DNS). Mit dieser Rechenmethode kann er Vorgänge an Grenzflächen bis in Millimeterbereiche auflösen. Zusammen mit seiner Arbeitsgruppe “Turbulente Mischungsprozesse im Erdsystem“ plant er in Zukunft, die Ergebnisse der DNS-Rechnungen in die Simulationen großer Ozeanischer Wirbel (Large Eddy-Simulationen, LES) einfließen zu lassen. Diese sollen dann wiederum in globale Zirkulationsmodelle integriert werden, um in Zukunft bessere Voraussagen über unser zukünftiges Klima zu treffen.

NW/BA

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